Götterfunken
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Fragen Sie jemanden, was ihm oder ihr der Name Gustav Holst sagt. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden Sie diesseits des Ärmelkanals die Antwort „nichts“ erhalten. Mit noch größerer Wahrscheinlichkeit aber hat er oder sie zumindest Ausschnitte aus der erfolgreichsten Komposition des Engländers gehört, der von 1874 bis 1934 gelebt hat. Seine Suite für Orchester und Frauenchor The Planets hat er in den Kriegsjahren1914-1916 geschrieben, und sie wird in unzähligen Fernsehsendungen als Musikuntermalung geplündert. Das hat gute Gründe. Die siebensätzige Suite ist eins der überzeugendsten Beispiele für jene Sparte, die man Programmmusik, fallweise auch Tondichtung oder Tonmalerei nennt. Holst widmet jeden Satz den Eigenschaften, die die Mythologie den antiken Göttern zuschreibt, deren Namen für die Benennung der Planeten genutzt wurden: Mars und dem Krieg, Venus und dem Frieden, Merkur als geflügeltem Boten, Jupiter und der Fröhlichkeit, Saturn und dem Alter, Uranus als dem Magier, in dem Der Zauberlehrling von Paul Dukas anzuklingen scheint, sowie, abschließend, Neptun als dem Mystiker.
Beharrlich hält sich das Gerücht, der erste Satz – Mars, the Bringer of War – sei unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs entstanden. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass Holst die Komposition schon vor Ausbruch des Kriegs begonnen hat. Neben der programmatischen Suggestion ist es wohl der Reichtum an melodiösen und rhythmischen Einfällen, auch die Nähe zur englischen Volksmusik und zu Chorälen à la Elgar, was den Planeten einen Erfolg beschert hat, den Holst mit keinem anderen Werk wiederholen konnte, und der dafür sorgte, dass zahlreiche Pop-Musiker von Yes bis Laibach, von Black Sabbath bis Vangelis Anleihen gemacht haben, ohne freilich den Namen des Komponisten zu betonen.
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Die jüngste Aufnahme der Planets stammt vom Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung des englischen Dirigenten Daniel Harding. Wir dürfen davon ausgehen, dass ihm die symphonische Suite von Kindheit an bekannt war. Harding reizt die dynamische Bandbreite nicht aus, sondern konzentriert sich auf die lyrischen, fast impressionistischen Passagen von Venus, the Bringer of Peace und dem ins Nichts ausklingenden Neptune, the Mystic, die die Celesta – ein Hauch von Tschaikowski – wirkungsvoll einsetzen, oder im Saturn-Satz, in dem man nicht nur das hohe Alter, sondern den nahenden Tod zu vernehmen meint.
Thomas Rothschild – 19. April 2023 ID 14154
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