Geigen-
hitparade
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In den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts machte er Schlagzeilen. Die Homestories häuften sich. Er eröffnete, fast zur gleichen Zeit, als Anne-Sophie Mutter das Modell für Musikerinnen als Cover Girl lieferte, den Reigen der Popstars aus der Klassik. So hoffte man, junge Hörer für Konzerte und Schallplatten zu gewinnen, die an der Überalterung ihres Publikums dahinzusiechen drohten. Nigel Kennedy ist ohne Zweifel ein virtuoser Geiger. Was ihn aber von anderen nicht weniger aufregenden Kollegen und, zunehmend, Kolleginnen unterschied, war sein Auftritt, die Show, die er eher bei den Rolling Stones als bei Yehudi Menuhin abgeschaut hatte.
Heute gehört das zum Alltag des Klassik-Business. Die Konkurrenz hat Nigel Kennedy das Alleinstellungsmerkmal gestohlen. Es ist still um ihn geworden. Zeit also für eine Box, die Höhepunkte aus seiner Diskographie auf drei CDs versammelt. Der Mann wird ja immerhin im Dezember 65.
Kennedys Rezept ist die Überdeutlichkeit. Wenn etwas laut ist, dann ist es bei Nigel Kennedy sehr laut. Wenn etwas schnell ist, dann ist es bei Nigel Kennedy sehr schnell. Wenn etwas sentimental ist, ist es bei ihm sehr sentimental. Subtilitäten kennt Kennedy nicht.
Seine Auswahl enthält keine Überraschungen. Sie hangelt sich von Effekt zu Effekt fort, von Ach ja zu Ach ja. Auf Vivaldis Vier Jahreszeiten folgt L’estro armonico, auf Bachs Andante aus dem 1. Violinkonzert ein Ausschnitt aus dem Doppelkonzert in d-Moll und auf dieses Max Bruch, über den Thomas Bernhard in seiner Auslöschung alles Nötige gesagt hat. Kostproben aus zwei der populärsten Violinkonzerte – von Brahms und Beethoven – stehen, als gäbe es keine strukturelle Logik für mehrsätzige Werke, neben einzelnen Sätzen aus den Violinkonzerten von Edward Elgar und, als einzigem Außenseiter, dem Polen Mieczysław Karłowicz. Die dritte CD schließlich präsentiert mediokre Eigenkompositionen von Kennedy sowie zwei Standards von Duke Ellington und George Gershwin und einen Song von Nick Drake. Sagen wir es diplomatisch: Benny Goodman hatte zu Mozart eine intelligentere Beziehung als Nigel Kennedy zum Jazz. Dabei stehen ihm Leute zur Seite, die ihm Tipps hätten geben können, wie Ron Carter, Alec Dankworth, Manu Katché oder Nana Vasconcelos, aber offenbar ist den Herrschaften alles wurscht, wenn das Kleingeld stimmt.
Die Box trägt den Titel Uncensored – Unzensiert. Sie enthält zuvor veröffentlichte Aufnahmen. Sie wurden nicht zensiert. Was also will uns der Titel sagen? Ein Nigel Kennedy wird nicht zensiert. Warum auch. An ihm verdient die Plattenfirma gut. Wie wäre der Tite "Zweitverwertung"?
Thomas Rothschild – 24. November 2021 (2) ID 13321
Link zur CD-Box
Uncesored mit Nigel Kennedy
Post an Dr. Thomas Rothschild
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