Klangteppich
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Bewertung:
Über Jahrhunderte hinweg hat sich der Klang der europäischen Instrumentalmusik kaum verändert. Neue Instrumente wie die Klarinette oder das Saxophon haben zwar Farben hinzugefügt, aber im Grunde hat sich der Sound der Streicher, der Holz- und der Blechblasinstrumente, der Perkussionsinstrumente und des Klaviers und ihrer diversen Kombinationen von Bach bis Bartók, ob als „Originalklang“ oder auf modernen Instrumenten, nur minimal gewandelt. Erst die Elektronik hat den Weg zu völlig neuartigen Klangwirklichkeiten eröffnet. Wie so oft, wenn neue Techniken erfunden oder auch neue Ideen entwickelt werden, haben geringere Talente sie bis zur Belanglosigkeit trivialisiert.
Nicht so der italienische Schlagzeuger Michele Rabbia, sein Landsmann, der Posaunist Gianluca Petrella und der norwegische Gitarrist Eivind Aarset. Was die drei, angeregt von dem immer wieder schöpferischen ECM-Produzenten Manfred Eicher unter dem Titel Lost River aufgenommen haben, gehört zum Aufregendsten, was in jüngster Zeit die langweilig gewordene CD-Welt aufmischt.
Die zehn kollektiv oder von einzelnen Mitgliedern des Trios „komponierten“, durchweg bedächtigen Stücke habe den Charakter von Klangteppichen. Metrum und Rhythmus spielen kaum eine Rolle. Man spricht heute von „Soundscapes“, aber dieser Begriff ist für die Musik von Rabbia, Petrella und Aaarset ebenso blass und unzutreffend wie die Kennzeichnung als „meditativ“ oder gar „mystisch“. Sie ist vielmehr eine Expedition in akustische Bereiche, in denen die Qualität des Klangs vorherrscht gegenüber Melodie und Harmonie. Lediglich Petrellas Posaune steuert „natürliche“ Klänge bei, um sich alsbald dem gemeinsamen Sound wieder unterzuordnen. Gelegentlich mag man an Film- und Fernsehmusik erinnert werden, was dort aber funktional eingesetzt wird, erreicht hier als autonome Musik ein Niveau, das sich an den Meisterwerken der traditionellen Musik messen darf.
Thomas Rothschild – 5. Mai 2019 (2) ID 11391
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Lost River
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