Engelbert Humperdinck - "Dornröschen"
CPO 2010 Bestell-Nr. 9390283 (bei jpc)
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Wachgeküsst
Ein einzelnes Horn setzt sich ganz behutsam in die ersten Takte des Vorspiels, leuchtet ruhig aber kraftvoll vor sich hin, und während warme Streicher zum Kuscheln einladen, lugt Richard Wagner kurz um die Ecke. Engelbert Humperdinck wurde nach Schneewittchen, Hänsel und Gretel, Die sieben Geislein und Die Königskinder noch einmal seinem Ruf als musikalischer Märchenonkel gerecht und nahm sich Dornröschen zur Brust. Lange Zeit hatte er die von Elisabeth Ebeling und Bertha Lehmann-Filhés verfassten Verse vor sich hergeschoben, da er nicht allzu viel von der dichterischen Qualität des Textes hielt. Aber die Damen ließen nicht locker. Als Humperdinck aus beruflichen Gründen die Wannsee-Villa von Frau Ebeling bezog, sah er sich zur Vertonung verpflichtet. 1902 fand dann die Uraufführung in Frankfurt statt. Die Kritik zeigte den Daumen eher nach unten, Humperdinck selbst bezeichnete das Werk augenzwinkernd als „Ausstattungsstück mit allerhand Musik“. Unüberhörbar ist, wer und was Humperdinck musikalisch geprägt hat. So findet man in seiner Partitur deutliche Parallelen zu Tannhäuser (Chor der Gäste / 1. Akt) und Parsifal (Versuchung und Überwindung / 2. Akt). Als unfreiwillig komischer Klotz am Beim erweisen sich jedoch das Libretto und ein eher unsinniger Ausbau des Grimmschen Märchens.
Fast vergessen wurde Dornröschen im Dezember 2008 im Prinzregententheater wieder wachgeküsst. Unter der Leitung von Ulf Schirmer spielte das Münchner Rundfunkorchester, Star des Abends war Brigitte Fassbaender, eine der weltbesten Mezzosoprane ihrer Generation. Zwar hat Fassbaender ihre Gesangskarriere vor 15 Jahren an den Nagel gehängt (und ist wenig später Regisseurin und überaus erfolgreiche Intendantin des Tiroler Landestheaters geworden), aber mit einer Sprechrolle kehrte sie noch einmal auf die Bühne zurück. Ein Glücksfall! Wie schön kann ihre Dämonia mit dem 'R' rollen, mit Worten „stechen“. Da sitzen Akzente und Betonung, passt das Timbre wie maßgeschneidert, trägt Fassbaender üppig, aber nicht zu dick auf. Wie hölzern und pathetisch wirkt dagegen das sprechende Königspaar (Jerzy May und Barbara Malisch). Kristiane Kaiser ist ein solides, vielleicht farblich zu reifes Dornröschen und auch Tobias Haaks kann als neutral tönender Prinz kein sonderlich großes Format entwickeln. Aus der übrigen Sängerbesetzung ragen die schön schimmernden Soprangold-Kehlen von Christina Landshamer und Anna Borchers heraus. Neben der Ouvertüre versteht der Klangapparat vor allem bei Festklänge (1. Akt) und Irrfahrten (2. Akt) mitzureißen, Ulf Schirmer dirigiert in gewohnt breiten Tempi.
Heiko Schon - red. 19. Dezember 2010 ID 4984
Engelbert Humperdinck - "Dornröschen" (cpo)
Fassbaender, Landshamer, Kaiser u. a.
Chor des Bayerischen Rundfunks
Münchner Rundfunkorchester
(Schirmer)
Konzertmitschnitt des Bayerischen Rundfunks (C) 2008
Siehe auch:
http://www.jpc.de/jpcng/cpo/home/
E-Mail an den Rezensenten: hschon@kultura-extra.de
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