Nordisches
und Welt-
Barock
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Bewertung:
Zu Beginn der über zweijährigen großen Covid- und Entbehrungsphase brachte das Bremer Barockorchester unter Leitung seines Gründers Néstor Fabián Cortés Garzón im Spätsommer 2020 seine Debüt-CD BACH to the Roots! auf den Phonomarkt - ich zeigte mich von ihr mehr als erfreut und war total begeistert!
Heute nun erscheint seine neue Scheibe unter dem Titel TELEMANN grenzenlos. Aufgenommen wurde sie bereits September 2021 - also unter den anhaltenden Bedingungen und künstlerischen Einschränkungen der noch immer angedauert habenden Pandemie - in der Bremer Kirche St. Pauli. Das Ergebnis: technisch vom Feinsten, informatorisch (Booklet-Text: Luis Pinzón!) vom Alleranspruchvollsten, ja und musikalisch superb und ohne jeden hörerischen Einwand; kurzum:
Meine Freude und Begeisterung sind anhaltend konstant - mit einer willigen Tendenz zum Überschwang; ich kann und will das nicht verhehlen.
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Telemanns Hamburger Ebb' und Fluth - eine Suite von zehn Orchester-Ouvertüren (auch als Wassermusik geläufig) - kenne ich, seitdem ich Mitte dreißig war: Mein damaliger Freund schenkte mir eine "damalige" Aufnahme (mit wem, das weiß ich längst nicht mehr; ich hatte die CD auch irgendwann verlegt und fand sie nirgendwo; Legende), als ich eine schwere Grippe hatte und mich tagelang im Bett halbtot langweilte; und dann hörte ich sie immer wieder rauf und runter und, wie durch ein Wunder, tat ich bald genesen; gern erinnere ich mich an diese Art Musiktherapie... Jetzt also höre ich diese Musik, und freilich völlig anders als zuvor, nach Jahren und Jahrzehnten wieder, und ich plansche und bekomme nasse Füße, und mir ist mit einem Mal nach Butternäppeln (= Steinehüpfen); kennen Sie dieses Gefühl aus frühen Kindertagen? Sogar eine Windmaschine, betätigt von Swantje Tams Freier, ist da am Anfang und am Schluss der Suite zu hören.
Das Konzert für Viola da Gamba und Blockflöte in a-Moll kannte ich noch nicht. Lina Manrique und Anninka Fohgrub sind die Solistinnen des wunderbaren viersätzigen Stücks:
"Auf den ersten Blick nutzt Telemann für dieses Konzert (TWV 52:a1) nicht die typische Form des italienischen Konzertes, da er vier statt der üblichen drei Sätze (schnell-langsam-schnell) komponiert, dennoch funktioniert das Spiel der Solisten mit der Instrumentalgruppe auf die übliche Weise. [...] Der letzte Satz kehrt zum Geist des italienischen Konzerts zurück, weist abermals und motivisch dieses Mal in noch größerer Dichte jedoch gen Polen, sodass 'man die in Rhythmus und Melodie vorhandenen folkloristischen Elemente dieses Satzes bei der Interpretation nicht ignorieren kann' (Néstor Fabián Cortés Garzón)." (Quelle: Booklet)
Und schließlich noch eine Ouverture-Suite, Telemann nannte sie Les Nations; auch die war mir bis dahin völlig unbekannt. Im Booklet ist zu lesen, dass sich einige Verleger ihrer Zeit die Freiheit nahmen "die Suite in ihren Drucken als Völker-Ouvertüre zu bezeichnen". Und in der Tat, es gibt thematische und hörbar nachvollziehbare Bezüge zu Türken, zu Schweizern, zu Russen (Moskovitern), zu Portugiesen, und die Schlusssätze sind ohne Titel, "doch auch hier sind Telemanns musikalische Bilder ungemein kreativ und reichhaltig angelegt. Präsentiert werden die Hinkenden und die Läufer, Les Boiteux und Les Coureurs. Die rhythmischen Motive zeichnen im ersten Satz das klare Bild des Hinkens und der Erschöpfung, im zweiten das einer schnell laufenden, agilen Person nach." Verrückte Dramaturgie!
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Bremer Barockorchester | Bildquelle: bremer-barockorchester.de
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Andre Sokolowski - 11. Januar 2023 ID 13995
TELEMANN grenzenlos
Georg Philipp Telemann: Wassermusik. Hamburger Ebb' und Fluth, Ouverture-Suite in C-dur TWV 55:c3
- Konzert für Viola da Gamba und Blockflöte in a-Moll TWV 52:a1
- Les Nations, Ouverture-Suite in B-dur TWV 55:B5
Lina Manrique, Viola da Gamba
Anninka Fohgrub, Blockflöte
Bremer Barockorchester
Dirigent: Néstor Fabián Cortés Garzón
EVÖ am 11.01.2023 (Label: arcantus)
Weitere Infos siehe auch: http://www.bremer-barockorchester.de/
https://www.andre-sokolowski.de
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