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musikfest berlin 2010 (2. September)

BACH ALS KRAFTMOMENT
Keller Quartett



"Boulez ist das Thema. Bach gibt den Prolog. Passt das? Bitte kein vorschnelles »Ja«! Vergessen Sie lieber, was Sie über Bachs Modernität gehört und gelesen haben. Um sie geht es nicht. Bach ist keiner von uns. Er ist ein Alter Meister, und die Kunst der Fuge ist ein Konzentrat seiner alten Meisterschaft. Ein Thema, die verinnerlichten Regeln der Kunst, die forschende Neugier, die an kein Ende glaubt – diese Mischung lässt aus drei Takten den abendfüllenden Kosmos eines organisiert wuchernden Klanglebens entstehen. Wahnsinn. Wer das konzentriert verfolgt, der weiß am Ende vielleicht wirklich nicht mehr, wo ihm der Kopf steht. Muss er auch nicht. Die Frage nach der Modernität stellt sich auf jeden Fall nicht mehr. Eher die nach der Fremdheit. In Bachs Taumel der klaren Gedanken gerät man nur aus offener Distanz, aus dem Wissen um die Ferne zwischen Werk und Hörer. In dieser Spannung liegt die Energie, aus der die Musik ihre Sogwirkung zieht.

Bach ist keiner von uns. Das ist sein Faszinosum. Vor Boulez und sein Œuvre kann man keinen Prolog setzen, der als Navigator für das weitere musikfest-Programm dienen könnte. Nur einen, der Maße umreißt und ein Beispiel dafür gibt, wie sich geistige Größe in Musik entfaltet. Es geht um Maßstäbe. Um Ansprüche. Bei Bach und bei Boulez."
(Aus http://www.musikfest-berlin.de)


*


Lea Rosh und ihr Begleiter, die ich zufällig am Eingang A passieren wollte, fragten einen Herrn, der aussah und sich anhörte, als hätte er von Bach profunde Ahnung, sinngemäß: 'Sie wissen doch bestimmt, für welche Instrumente Bach DIE KUNST DER FUGE wollte...' - 'Herrlich', dachte ich bei mir, 'was für ein trefflich-schöner Zufall; diese Frage drängte sich mir auch gerade auf'; ja und ich lauschte kurz den fachdienlichen Hinweisen des Spezialisten, der da sagte, sinngemäß: Für kein spezielles Instrument hätte dann Bach DIE KUNST DER FUGE vorgesehen; und es wäre ganz abstrakt von Bach so komponiert gewesen usw. usf.

Das ungarische Keller Quartett - seit Jahren beim Musikfest, und auch früher schon bei den Berliner Festwochen, ein immer wieder gern gesehenes, gehörtes Gastensemble - war nun da, das Festival mit jener KUNST DER FUGE Bachs intim und "hochmodern" de facto zu eröffnen. Das, und als Idee, hat eine ganz vorzüglich-einleuchtende Logik, denn: Mit KUNST DER FUGE hörte, mit dem gleichzeitigen Ableben von Bach, ein Abschnitt der Musikgeschichte auf; ab da (sehr flapsig ausgedrückt) begannen die "empfindsamen" und also viel, viel "einleuchtenderen" Musiken Stück um Stück dann Fuß zu fassen - gleichsam fing mit KUNST DER FUGE aber eigentlich dann Alles wieder irgendwie von vorne an, mit andern Worten: Seit der KUNST DER FUGE war dann Alles wieder (und für alles Neue) sozusagen offen...

Berio & Boulez stehen in diesem Jahr im Mittelpunkt des Festivalprogramms; sie wären und sie sind mit dieser Wahl einer Er-Öffnung (= KUNST DER FUGE) sicher einverstanden.


a. so. - 3. September 2010
ID 00000004802
MUSIKFEST BERLIN (02.09.2010, Philharmonie KMS)
J. S. Bach: Die Kunst der Fuge BWV 1080
Keller Quartett
András Keller, Violine
Zsófia Környei, Violine
Zoltán Gál, Viola
Judit Szabó, Violoncello


Siehe auch:
http://www.musikfest-berlin.de





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