BEETHOVEN-BRUCKNER-ZYKLUS III (22. Juni 2010)
Staatskapelle Berlin mit Frank Peter Zimmermann (Violine) und Daniel Barenboim (Dirigent)
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Frank Peter Zimmermann spielte das erste Mal mit der Staatskapelle Berlin, und auch ich sah/hörte ihn das allererste Mal. Er wird als Star gehandelt, und man las und liest sehr Vieles und sehr Gutes über ihn. Der Ruf eilte ihm also weit voraus. Und das Geschwätz - und wenn man Einen nicht am Ende so von Angesicht zu Angesicht und also live erlebt, ist jeder Vorschusslorbeer (und auch jede noch so üble Nachrede) Geschwätz und weiter nichts - verhallte schlagartig und spätestens ab dem Moment, wo er nach Beethovens Konzert für Violine und Orchester seine Stradivari (1711) vom Kinn nahm und sich wie ein Kind über den losbrechenden Beifallssturm erfreute und zurecht erfreuen konnte.
Er ist dieser Typ vom ewig großen Jungen, und obgleich schon um die Vierzig, könnte es gut sein, dass er dann auch in zehn bzw. zwanzig Jahren diese "unschuldige" Attitüde nicht verlieren wird. So was kommt immer blendend bei den Leuten an; es zeigt, da ist so Einer, eigentlich fast so wie wir, nur halt ein bisschen anders, halt genialer, halt dann nicht so furchtbar "hausbacken" wie unsereiner ist, ja und weswegen wir (die quasi Ungenialen) in dem Saal nun sitzen und Frank Peter neugierig, und also furchtbar gierig (nach den Zeugenschaften dieses von uns so erahnten und befürchteten Genialen), lauschen usw.
Dieses Op. 61 fand und finde ich, seit meiner Jugend schon, auf eine unerklärlich sture Art zum Gähnen langweilig. Ich dachte, so vor zwanzig Jahren ungefähr, dass eine Neueinspielung mit Menuhin (zu der damaligen Zeit eine von den LP des Jahres oder so) mich bessern könnte, auch weil ich die Uralt-Aufnahme mit diesem Stargeiger (50er Jahre) kannte, die mich erst zu dieser Violinkonzert-Blockade brachte. Doch vergeblich! Nein, es änderte sich nichts. Das Violinkonzert von Beethoven ist/bleibt, also für mich, zum Gähnen langweilig; es klingt zu melodiös, zu bieder, zu harmonisch; es ist viel zu unterhaltsam, viel zu "wünschenswert", viel zu gefällig.
Beim Zimmermann jetzt allerdings bemerkte ich, doch erst im dritten Satz, dass in dem Stück Musik vielleicht dann letzten Endes doch so ein Geheimnis schlummert, was es - also wenn es wirklich gute Interpreten machen - rauszukitzeln gilt; und mit der bestens aufgelegten (und dem Zimmermann sehr sichtlich wohl gesonnenen) Berliner Staatskapelle kriegte man diese Erahnung wenigstens dann manifest gemacht, ja, immerhin!
Es gab auch wieder Bruckner, diesmal war es dessen Sechste Sinfonie. Sie ist die überraschendste und pfiffigste der neun/zehn Großwerke des alten Wunderlings. Ich habe sie - das will und muss ich zugestehen - so, in dieser witzigen und intellektuellen Dargereichtseinsform noch nie erlebt; ja und ich kam und komme zu dem hochkühnen Entschluss, dass diese Sechste, und für mich (ganz ganz privat) die u. U. entschwerteste, um nicht zu sagen schwereloseste der Bruckner-Sinfonien ist. (Ich entsinne mich an eine Aufführung in einer Kirche meiner Heimat- und Geburtsstadt Gera, wo ich [halbes Kind noch] einen Heulkrampf kriegte, als das hüftschwingende Hallend-Hymnische des irren 1. Satzes durch das Schiff geweht gewesen war ; o Mann o Mann, der Bruckner heizt schon manchmal richtig ein...)
Daniel Barenboim hatte für dieses Kronjuwel ein ganz besonders leichtes Händchen. Die Detailfülle, die ihm in den Herausarbeitungen gelang, war schon verblüffend.
Andre Sokolowski - 23. Juni 2010 ID 00000004687
BEETHOVEN-BRUCKNER-ZYKLUS III
(Philharmonie Berlin, 22.06.2010)
Beethoven: Violinkonzert D-Dur op. 61
Bruckner: Sinfonie Nr. 6 A-Dur (Originalfassung)
Frank Peter Zimmermann, Violine
Staatskapelle Berlin
Dirigent: Daniel Barenboim
Siehe auch:
http://www.staatskapelle-berlin.de
Post an den Autor: soko@kultura-extra.de
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