Lang Lang
war da
|
Lang Lang hat ein Buch gemacht, es heißt MUSIK IST MEINE SPRACHE, so sieht das Cover mit ihm aus - Foto (C) www.ullsteinbuchverlage.de
|
Ghostwriter David Ritz hat kurzschlüssig versucht, Lang Lang mit uns zu kontaktieren - doch Lang Lang gelingt dieser Kontakt nur durch sich selbst
|
Der Buchmarkt ist blockiert mit Tausenden fingierten Viten (oder auch: Biografien). Das sind Bücher, die mehr oder weniger berühmte Leute, also Stars & Sternchen, flink und flott mit vielen aneinandergereihten Buchstaben füllen resp. füllen lassen -von sog. Ghostwritern, die dann als kleingedruckte Mit- und Haupttäter dieser als Sachbücher gehandelten Produkte in Erscheinung treten. Sie sind ewig-gleich geschustert und ganz frei von einer literarischen Idee. Auch sind sie völlig unauthentisch, weil sie nicht und nie die Sprache derer wiedergeben, derentwegen man sie kaufen soll. Wer sich auf sowas einlässt (also vorzugeben trachtet, sein eigener Lebensbeschreiber zu sein), steht im Verdacht, es vorsätzlich zu tun; entweder ist der privatime Mitteilzwang unsteuerbar gewesen, oder das vormals Geleistete und noch zu Leistende im Leben des Betroffenen erscheint ihm selbst als so bemerkenswert, dass es ihn also selber drängt, hiervon bedeutsam mitzuteilen/mitteilen zu lassen. Und so sind sie eine zivilisatorische Katastrophe an sich; der schnöde Markt hat sie erfunden, und sie sind nur einzig dazu da, als werbendes Begleitpapier zu Stars & Sternchen zu fungieren; so die allgemeine Faktenlage. Dennoch sind sie freilich rechtmäßig vorhanden, also offiziell dann von den Stars & Sternchen stammend, weil: authorisiert (also von ihnen, diesen Stars & Sternchen)...
|
Das ist Lang Lang, der weltberühmte junge Pianist aus China.
|
Das weltweit bewunderte Weltwunderkind, der mittlerweile 28jährige Klavierspieler Lang Lang, konnte jener Versuchung (s. o.) auch nicht widerstehen, oder keiner, der es wirklich gut und ernst mit ihm gemeint haben könnte, hielt ihn davon ab; und also können wir jetzt DIE GESCHICHTE SEINES LEBENS auf 275 Ullstein-Seiten nachlesen: "MUSIK IST MEINE SPRACHE" ist ihr Titel, und es sei - stichprobenhaft und selbstverständlich völlig aus Zusammenhängen raus - das Folgende hieraus zitiert:
"Meine Geburt war, wie so viele Dinge in meinem Leben, eine Herausforderung. Meine Nabelschnur war zweieinhalbmal um meinen Hals gewickelt, so dass ich beinahe erstickt wäre. Mein Gesicht hatte sich grünlich verfärbt, und ich gab keinen Ton von mir. Doch als der Arzt die Schnur entfernte und mir einen Klaps aufs Hinterteil gab, stieß ich einen durchdringenden Schrei aus.
Ich sei damals nicht gestorben, erkärte mir meine Mutter, weil ich eine Aufgabe hätte - die Aufgabe, Musik in die Welt zu bringen. Als Kind zweier Musiker, deren Ambitionen und Hoffnungen sich zerschlagen hatten, wurde ich mit großen Erwartungen geboren. Und diese Erwartungen leiteten mich durchs Leben und führten mich zu großem Erfolg."
Und schließlich:
"Ich wollte auch immer schneller Klavier spielen, um zu sehen, wie flink meine Finger über die Tasten fliegen konnten."
Und dann würde er zu Depressionen neigen, lässt er wissen = keine gute Nachricht das. Aber so wissen wir jetzt wenigstens etwas noch mehr um ihn.
|
Lang Lang trat also gestern Abend mit dem Altstar-Dirigenten Seiji Ozawa bei den Berliner Philharmonikern an. Sie wählten sich das erste Mendelssohn-Klavierkonzert. Es ist ein virtuos gesetztes Werklein, weder niedlich noch grandios zu nennen. Nett und hektisch klingt es. Und Lang Lang knallt wurfgeschossartig mit seinen Fingerkuppen auf die Tasten, dass der männlich-forsche erste Satz geradezu entjünglicht auf uns nieder kommt. Im zweiten Satz dann so was wie verheißende Gediegenheit der innerlichsten, um nicht gar zu sagen allzu sehr verinnerlichten "Innenwerte", schmalzig, theatralisch, gestisch hingehaucht. Der dritte Satz im furiosesten aller für ihn möglich gemachten Tempi; vielfach zu beobachtendes Schmunzeln in den stargeübten Musikergesichtern der Berliner Philharmoniker, die sich gewiss sehr gern als "Dienende" für diesen Solostreich des großen (ewig-großen) Wunderkindes zur Verfügung stellten.
Doch die Hatz im Ganzen hielt sehr manisch auch noch nach der Pause an. Weswegen dem Ozawa eine schier geschlechtslos wirkende Verdeutlichung von Bruckners Erster Sinfonie (die hier, durch die Berliner Philharmoniker, seit über 25 Jahren nicht mehr aufgeführt gewesen war) geriet: sehr laut, sehr schnell... und doch mit schönsten kammermusikalischen Effekten; insgesamt aber? Ich hätte gern die Probe aufs Exempel machen wollen und paar Musiker direkt danach gefragt: Sagt, wisst ihr überhaupt, was ihr gespielt habt?
Ungeachtet aller Mäkeleien: Die Begeisterung - wie stets in diesem Zaubertempel - war mal wieder riesengroß.
|
BERLINER PHILHARMONIKER (Philharmonie Berlin, 29.01.2009)
Mendelssohn: Klavierkonzert Nr. 1 g-moll
Bruckner: Sinfonie Nr. 1 c-moll
Lang Lang, Klavier
Dirigent: Seiji Ozawa
|
Andre Sokolowski - 29. Januar 2009 ID 4182
Weitere Infos siehe auch: http://www.berliner-philharmoniker.de
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
CD / DVD
INTERVIEWS
KONZERTKRITIKEN
LEUTE
NEUE MUSIK
PREMIERENKRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
RUHRTRIENNALE
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|