Saalabnahme
mit Edita Gruberová
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Edita Gruberova - Foto (C) Stan Fellermann
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Während die Berliner Staatskapelle unter Daniel Barenboim und Pierre Boulez ihren dem Größenwahnsinn nicht ganz fernen Gustav-Mahler-Zyklus im Musikvereinssaal Wien - zum dritten Mal schon (nach Berlin, New York) - hintereinander, also an zehn Tagen, präsentieren, macht es sich Edita Gruberová, die wohl größte Sängerin unserer Tage - ja, und ihre Stimme ist mit "menschlicher" Bezeichnung unattributierbar, weil sie einfach überirdisch klingt - im Paulicksaal der Deutschen Staatsoper Berlin, den so zu sehen sie dann sicherlich nie wieder die Gelegenheit bekommen würde, weil die Lindenoper in den nächsten drei, vier Jahren völlig restauriert wird, urgemütlich:
(Kann es wirklich sein, dass Barenboim und Gruberova nie, also noch nie, zumindest noch nicht hier in diesem Haus, der Deutschen Staatsoper Berlin, zusammen musizierten??? Unbegreiflicher Gedanke.)
Sie war also da!!!
Sie kam mit Liedern Schuberts, Dvoraks, Strauss'.
Sie zeigte (starke) Nerven zu Beginn: Die Schubertlieder sind, nach meinem Höreindruck, für ihre Stimme viel zu tief; sie trat aufs Podium, ließ es ungeheuer ruhig im Saale werden, schluckte unauffällig - ihre Art und Weise, mit gegebnen Trockenheiten oder Überfeuchtungen der Luft in einem Raume "umzugehen", muss als einmalig und äußerst profihaft bezeichnet werden; und so wartet sie so lange, ehe sie beginnt zu singen, bis sie den Moment des pannelosen Intonierens für sich selbst gespürt oder erwischt hat - und fängt glasklar an...
Sie zieht die Töne, sie entwickelt ihre unnachahmliche Sirene, sie kann leise, sie kann lauter sein; sie singt, und man versteht kein Wort - aber sie singt so glaubwürdig, dass man total versteht, was sie da alles singt, obgleich man überhaupt nicht weiß, ob es dann in Bengalisch oder Esperanto ist, nein, es ist völlig wurscht!
Sie hat an diesem Abend eindeutig den Block mit ihren Lieblingsliedern in die Mitte des Programms postiert. Am schönsten also macht sie die Acht Liebeslieder op. 83, und sie sind von Dvorák. Mehr und mehr bewegt sie sich vom Flügel weg und kriegt (und hat!) jetzt endlich ihr Gefühl und ihre Einstellung zu diesem Saale mittig machen können; und der Bann, also von ihrer Seite aus, zu diesem Saal und zu den Leuten in ihm ist gebrochen. Jetzt geht nix mehr schief!!
Sie lächelt, sie ist sicher, sie macht Faxen; sie singt noch vier Lieder Richard Strauss'.
Sie atmet auf, als es zunächst vorbei ist; sie ist selber überrascht - die Leute toben...
Sie kriegt jetzt erst richtig Lust und Appetit auf diesen Saal und seine Leute; sie macht Zugaben: Susanne, Favoritin und Adele usw. usf. - - die Leute rasen, springen auf; und ich getraue mich nicht rechts und links zu sehen, höchstwahrscheinlich schäumt der Großteil schon; Begeisterungen und Ekstasen sehen manchmal ziemlich epileptisch aus...
Sie ist die witzigste und menschlichste der Gruberovas, die ich jemals sah; ja und ich reise ihr nun schon seit Jahren und Jahrzehnten quasi hinterher.
Sie sollte in der nahen Zukunft - wo sie doch nun jetzt schon mal den alten Paulicksaal, vor seiner Restaurierung, fachfraumäßig "abgenommen" hat - der Deutschen Staatsoper Berlin auch für ein neuerliches Wunder des Belcanto spielplanreif verbunden werden! Muss doch möglich sein, oder?
Wir stellen einstweiliger Weise fest: Edita Gruberova debütierte Unter'n Linden!
Und die Linden fangen morgen an zu blühen!!
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Andre Sokolowski - 4. Mai 2009 ID 4290
EDITA GRUBEROVA debütierte am 3. Mai 2009 an der Deutschen Staatsoper Berlin.
Lieder von Franz Schubert (Nacht und Träume - Im Abendrot - Der Jüngling an der Quelle - Der Fluss - Im Haine - Mignons Gesang II - An Sylvia - Gretchen am Spinnrade - Der Hirt auf dem Felsen), Antonin Dvorák (Acht Liebeslieder op. 83) und Richard Strauss (Die Nacht - Allerseelen - In goldener Fülle - Zueignung)
Edita Gruberova, Sopran
Stephan Matthias Lademann, Klavier
Heiner Schindler, Klarinette (Der Hirt auf dem Felsen)
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Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de
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