Wagner, Wagner und kein Ende... (200.Geburtstag)
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23. März 2013, Premiere zu den Osterfestspielen Salzburg
PARSIFAL
mit der Staatskapelle Dresden und dirigiert von Christian Thielemann
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So sieht die aktuelle Parsifal-Verführung bei den Osterfestspielen in Salzburg aus, aber da können Johan Botha (li.) und Michaela Schuster (re.) wahrhaftig nur bedingt dafür - Foto (C) Forster
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Ingo & Sebastian Schiller
(Jesus 1 und Jesus 2)
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Die unvermeidlich-zahlungskräftige Senioren- oder Fastsenioren-Klientel der alljährlichen Osterfestspiele erfüllt so recht das anmaßende, wenn auch trefflich-passende Klischee vom allgemeinen Siechtum - worum es in Parsifal von Richard Wagner geht - ganz putziglich und schlechterdings. Das große Jubiläumsjahr des Dichterkomponisten bietet eine zusätzliche und willkommene Gelegenheit, sich (siechend, wie sich das für einen derart großen Anlass wie dem sogenannten Bühnenweihfestspiel, wo ja angeblich nach dem ersten Akt nicht applaudiert sein darf [weil halt in ihm das Siechtum derart schlimm und schauderlich zum Zelebrieren kam, dass es sich wohl, aus was weiß ich für Pietätsgründen, partout niemals gehören würde, daraufhin zu klatschen] ziemt) mit allen Klunkern und Klamotten, die die Schmuckkästchen und Kleiderschränke jener Gutbetuchten und -bestückten aus der Mozartstadt und ihrer näheren und ferneren Umgebung bieten, salzburghafter Weise in das Rampenlicht zu rücken; es ist diesbezüglich äußerst fraglich, ob die Herrschaften dann überhaupt ein Interesse an so szenisch zu Umdeutendem verspüren oder ob es ihnen nicht schlicht-einfach-und-ergreifend völlig wurscht ist, was da wer warum an Wagners Parsifal - und nicht nur dem - herumzudeuteln hat.
Nun könnte man auf das Gehässigste vermuten, dass es DAS dann war, weswegen die Berliner Philharmoniker ihre seit Anbeginn (der 1967 durch Herbert von Karajan kreierten Osterfestspiele) bestehende Präsenz in Salzburg letztes Jahr so überraschend aufkündigten und ab nun im schönen Baden-Baden orchestraler Maßen residieren - aber weit gefehlt, es war/ist sicherlich nicht DAS, sondern es waren/sind gewinnversprechendere Komponenten als in Salzburg (wie bisher), denn: In dem schönen Baden-Baden lässt sich freilich deutlich-mehr, und nicht nur reinweg künstlerisch, hinzuverdienen; Osterfestspiele zur zweckdienlichen Zierde des Roulletes! Wo sind wir hingeraten?
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Christian Thielemann - vom internationalen Feuilleton seit längerem schon als DER Wagner-Dirigent gepriesen und gefeiert - hat die Gunst der Stunde wohlweißlich erkannt und ist den (Hilfe-)Rufen an die Salzach umgehend gefolgt. Der "Rahmen" hätte nicht viel günstiger geschaffen werden können - denn seit dieser Spielzeit ist der Thielemann auch künstlerischer Leiter sowie Chefdirigent der Staatskapelle Dresden (Wagners sogenannter "Wunderharfe"!) - ja wenn das dann nicht als Superdeal zwischen drei Großkalibern (= Osterfestspiele Salzburg + Staatskapelle Dresden + Christian Thielemann) gemeint sein könnte, fragte ich mich schon besorgt: was dann?!
Um es vorwegzunehmen: Musikalisch taten sich die hochgestelltesten Erwartungen (an das Orchester und den Dirigenten insbesondere) erfüllen - mehr sogar; sie schienen klanglich überboten worden zu sein:
Der Thielemann schlägt einen preußisch-akkuraten Takt. Es gibt bei ihm zum Beispiel keine, und vor allem keine unbegründeten, Rubati. Die sich in den letzten Jahren "breit" machende Angewohnheit, Wagner nach den augenblicklichen Gefühls- oder Gemütszuständen seiner Dirigenten musiziert zu hören (nein, wir nennen keine Namen; jeder, der sich auskennt, weiß, wer da gemeint sein könnte), steht beim Thielemann ganz außen vor. Der Klang kriegt plötzlich - endlich wieder - eine Art von Transparenz, dass es am Ende und im Ganzen eine Lust und Freude ist, mithin sogar das Kammermusikalische der Riesenpartituren Wagners (schon beim Thielemann'schen Holländer in Bayreuth fiel das neulich auf!) nachzuvollziehen. Und so kommt es auch, dass dieses Mal (beim Parsifal in Salzburg) fasthin alle ausführenden Sänger in Bezug auf ihre allgemeine Textverständlichkeit vom Thielemann'schen Dirigat partizipieren; der grandiose Stephen Milling (Gurnemanz) gewiss zuallererst.
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Parsifal I: Die große Gralsenthüllung à la Alexander Polzin (Ausstattung) / Michael Schulz (Regie) im Großen Festspielhaus von Salzburg, wo die beiden Chöre wohl auch ohne diese angestrengten Mätzchen großartig gesungen hätten - Foto (C) Forster
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Parsifal II: Die große Blumenmädchenerotik im Fitness- und Hausfrauenoutfit bei den diesjährigen Osterfestspielen in Salzburg - Foto (C) Forster
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Parsifal III: Der große Höhepunkt der großen Salzburg-Produktion zum 200. Wagner'schen Geburtstag, wo zum Beispiel Wolfgang Koch (der einen Akt zuvor bereits als Klingsor stark präsent war) seine beiden lustlosen Gespielinnen herbeigezerrt ins rechte Licht verbringt - Foto (C) Forster
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Wir haben es zudem mit einer schier merkwürdig-denkwürdigen Aufführung zu tun; Michael Schulz (Regie) und Alexander Polzin (Ausstattung) versuchen, jenem handlungsmäßigen Herumgesieche, das den Parsifal mehr in das Oratorische als in das Theatralische verweisen lässt, gebührlich Einhalt zu gebieten. Das gelingt den Beiden zwar, jedoch recht uneindeutig. Dominieren, stellenweise bis aufs Penetrante, tut eine Designerhaftigkeit der Bauten und Kostüme. Permanentes Rätselraten über alles Dieses, was dem Auge so geboten wird, erfolgt in einer Art von Umkehrschluss; was soll da beispielsweise dieses biederliche Außen in dem vielleicht "spannendsten" aller drei Parsifal-Akte (dem mittleren, dem mit dem Klingsor [der gesungen und/oder gespielt von Wolgang Koch/Rüdiger Frank wird]), wo man meint, einem Skulpturengarten irgendeines Bildhauer-Pleinairs, welches sich die Antike als sein Thema wählte, aufgesucht zu haben; das antike Zeugs, was unten steht, hängt gleichsam "umgekehrt", quasi kopfüber, von den Schnürböden herab. Gedoppelte Materie sozusagen?
Und auch so wird vielerlei gedoppelt, ebenso vom Personal (Koch/Frank): Die aufsehenerregensten aller Momente kommen da von den zwei Tänzer-Brüdern Ingo & Sebastian Schiller; beide blendend anzusehen, Körper wie als würden sie den Wellenreitern am Manhattan Beach gehören - und der Eine hat, vom Andern "ferngesteuert", so als Jesus zu stolzieren und sich, immer wieder mal, an Kundry (Michaela Schuster, die die Höllenschreie ihrer Rolle markerschütternd absolviert) heranzumachen; letzten Endes wird der Eine dann vom Anderen aus seiner Jesus-Rolle kurzerhand erlöst und steht ganz kurz vor der Befruchtung der ihm Anvertrauten - nur die rituale Kreuzigung (in tänzerischer Andeutung markiert) verhindert dieses Diesseits-Sexuelle. Sowieso wird Michaela Schuster, die bekannter Maßen in dem dritten Akt dann faktisch nichts/nichts mehr zu tun hat (außer "Dienen, dienen" aufzusagen) gar nicht abgeneigt gewesen sein, sich noch ein bisschen bis zum endgültigen Ende dieses Mega-Grabgesangs, erotisch aufgeheizt, aufs Schönste so vergnügt gehabt zu haben...
Johan Botha (Parsifal) steht meistens nur herum; er singt sehr angenehm, hat aber etwas Mühe, durchzuhalten.
Annett Göhre (Nike 1), die außerdem als Choreografin engagiert gewesen war, ist mit der Tänzerin Mikkio Kawasaki (Nike 2) zu sehen; Wolfgang Koch (Amfortas) schleift die Zwei, die sexuell erschöpft zu sein scheinen, wie leere Lumpensäcke hinter sich.
Die beiden Opernchöre (Sächsischer Staatsopernchor Dresden / Chor der Bayerischen Staatsoper) hören sich großartig in ihrem Doppel an!
Ob wohl die Pekinger, die diese Opernproduktion im Herbst zu sehen und zu hören kriegen sollen, mit dem Stück und seiner Inszenierung klar kommen???
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Andre Sokolowski - 26. März 2013 ID 6641
PARSIFAL (Großes Festspielhaus Salzburg, 23.03.2013)
Musikalische Leitung: Christian Thielemann
Inszenierung: Michael Schulz
Bühnenbild & Kostüme: Alexander Polzin
Licht: Urs Schönebaum
Choreographie: Annett Göhre
Chöre: Pablo Assante
Dramaturgie: Sophie Becker
Besetzung:
Amfortas / Klingsor ... Wolfgang Koch
Titurel ... Milcho Borovinov
Gurnemanz ... Stephen Milling
Parsifal ... Johan Botha
Kundry ... Michaela Schuster
Blumenmädchen ... Eva Liebau, Annika Sophie Ritlewski, Theresa Holzhauser, Bele Kumberger, Chiara Skerath und Carolin Neukamm
Zwei Gralsritter ... Thomas Ebenstein und Derek Welton
Vier Knappen: Annika Sophie Ritlewski, Carolin Neukamm, Mauro Peter und Attilio Glaser
Stimme aus der Höhe ... Rachel Frenkel
Klingsor-Darsteller ... Rüdiger Frank
Christus-Darsteller ... Ingo & Sebastian Schiller
Nike-Darsteller ... Annett Göhre / Mikkio Kawasaki
Sächsische Staatskapelle Dresden
Sächsischer Staatsopernchor Dresden
Chor der Bayerischen Staatsoper
Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor
Premiere wer am 23. März 2013
Weitere Vorstellung: 1. 4. 2013
Koproduktion mit der Sächsischen Staatsoper Dresden, dem Beijing Music Festival und dem Teatro Real, Madrid
Weitere Infos siehe auch: http://www.osterfestspiele-salzburg.at
http://www.andre-sokolowski.de
Zu den 20 EXEMPLARISCHEN WAGNERKRITIKEN
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