Wetterfühl'n mit Isabelle Huppert
PERSÉPHONE mit den Berliner Philharmonikern
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Die Berliner Philharmoniker (Sir Simon Rattle) spielten letztes Wochenende ein Programm zum Thema "Auf den Winter folgt der Frühling". Dass die Reihenfolge, also "auf den Winter folgt der Frühling", wohl nicht immer so partout und zwangsläufiger Weise funktioniert wie herkömmlicher Weise angenommen, ließ uns Frau Natura namentlich in diesem Jahr bis Sommeranbeginn empfindlich spüren; schockte man im März noch über einen ungewöhnlich späten Schneeeinbruch, empfand man den April und Mai als viel zu nass und viel zu kühl, und erst im Juni (!) fing es an zu sprießen und zu blühen - was, so fragen wir seither, ist los unter dem Gotteshimmelsreich? steht plötzlich alles Kopf?? muss man sich in der Zukunft ernstlich Wettersorgen machen???
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Nein, das muss man nicht, denn: Isabelle Hupper war da und sprach Perséphone - Strawinsky's Mélodrame en trois tableaux d' André Gide. Ja und obwohl es ja verboten ist, während der Vorstellungen in Theatern und Konzertsälen zu knipsen, schossen plötzlich, wie aus heitrem Himmel, Blitzlichter auf das Orchesterpodium; Isabelle Huppert betrat den Saal: Ihr Gang ist leicht, wirkt schwerelos. Ihre Statur grazilt - das macht auch, weil sie gänzlich ohne Schmuck und Schminke ist. Ihr wirres Mädchenantlitz hält sie tapfer unter Selbstkontrolle. Ihre großen Augen schlendern, Gegenneugier vortäuschend, am Publikum entlang... bis in die letzten Ränge hoch hinauf. Sie trägt ein langes schwarzes ärmelloses Kleid, das streckt sie freilich nicht noch höher. Bloß die Arme, die sie abwechselnd mal vor dem Bauch, mal hinterm Po verschränkt, erscheinen dem Betrachter irgendwie als viel zu lang. Indem sie - ihren jeweiligen Einsatz hinterm hektisch arbeitenden Rücken Simon Rattles abwartend, ja einwitternd - den auf 'nem Stehpult vor ihr liegenden Klavierauszug nach vorn und wieder rückwärts blättert, lässt sie kreatürliche Nervosität und Aufgeregtheit an sich ahnen. Und dann fängt sie einfach an. Und ihre Feenstimme wird mithin zu einem Instrument... zum klingenden Bestandteil der Berliner Philharmoniker.
Perséphone.
Also Perséphone, die (einfranzösischte) griechische Auferstehungsgöttin, Tochter Zeus' und der Demeter, welche letztere auch als die "Kornmutter" bekannt sein dürfte. Auferstehungsgöttin deshalb, weil Perséphone, nachdem sie Hades gattenhaft ins Totenreich entführte, nach getanen Unterweltsgeschäften jeweils ein Quartal lang, sich den Rest des Jahres, zwischen 1. März/1. Dezember, ungefähr, aufs angestammte Oberland zurückbegibt, um ihren eigentlichen Fruchtbarkeitsbemühungen zum Wohle aller missionarisch nachzugehen; dieser Seitenwechsel, dieser Tausch war ausgehandelt worden - fragen Sie jetzt nicht warum - von Zeus persönlich.
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Und so lauschten/lasen wir interessiert diesen von Gide/Strawinsky oratorisch aufgearbeiteten Vorkommnissen und befanden sie als hochdruckhaft und über alle Wolken schön.
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Als Erstes, vor der Pause, war man Ohrenzeuge eines allbetörerischen Großopus von wahrlich müdmachendem Wohlklang, 40 nicht nur quälende Minuten dauernd: Jonathan Harvey's Madonna of Winter and Spring.
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Andre Sokolowski - 11. September 2006 ID 2646
BERLINER PHILHARMONIKER (Philharmonie Berlin, 09.09.2006)
Jonathan Harvey: Madonna of Winter and Spring für Orchester, Synthesizer und Live-Elektronik (DEA)
Igor Strawinsky: Perséphone, Mélodrame en trois tableaux d'André Gide für Tenor, Sprecherin, gemischten Chor, Kinderchor und Orchester (Revidierte Fassung von 1949)
Frank Gutschmidt, Synthesizer
Benjamin Kobler, Synthesizer
Jonathan Harvey, Klangregie
Wolfgang Heiniger und Josh Martin, Sounddesign und Klangregie
Jan Panis und Stephan Sippel, Software und Keyboardprogrammierung
Isabelle Huppert, Sprecherin
Toby Spence, Tenor
Rundfunkchor Berlin
(Choreinstudierung: Simon Halsey)
Knaben des Staats- und Domchores Berlin
(Choreinstudierung: Kai-Uwe Jirka)
Berliner Philharmoniker
Dirigent: Sir Simon Rattle
Weitere Infos siehe auch: http://www.berliner-philharmoniker.de
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