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Wagner, Wagner und kein Ende... (200. Geburtstag)

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Fricka und ihr Widdergespann aus Die Walküre an der Oper Leipzig - Foto (C) Tom Schulze


Der Schreiber dieser Zeilen hat, was Leipzig und Walküre anbelangt, einen sentimentalen Sonderheitsbezug. Er hatte hier - als Pubertierender aus der Provinz und in Begleitung seines einstigen Klavierlehrers (der Die Walküre, erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg, in der Pleißestadt erleben wollte) seine allererste Wagner-Oper überhaupt zur Kenntnis nehmen dürfen; und das auswärtige Schicksal oder Glück hatte es so gefügt, dass dieses ausgerechnet in Gestalt jener wohl als historisch einzustufenden Regie Joachim Herz' sowie der Ausstattung von Rudolf Heinrich justament geschah [angeblich hätte, wenig später, auf dem Grünen Hügel der vermeintliche Jahrhundert-Ring Patrice Chereaus' vom Ring in Leipzig grundsätzlich-konzeptionell partizipiert].

Dieses Erlebnis prägte ihn; ja und bis heute kann er sich wohl nicht/noch nicht an eine einzige Neuproduktion erinnern, die diesem Historisch-Früheren (nicht einmal annähernd) das Wasser hätte reichen können, wie man so schön sagt.



Die Walküre im Opernhaus am Karl-Marx-Platz, 1976 | Gescantes Szenenbild aus der 4teiligen Foto-Dokumentation zu Der Ring des Nibelungen (C) Städtisches Theater Leipzig


* * *

Als Udo Zimmermann noch Intendant des Hauses war - die (seine!) Ära nach der Wende hielt und halte ich für Leipzigs allermutigste und kreativste Opernphase überhaupt - , hatte er vor, dass Steven Spielberg am Augustusplatz endlich dann einen neuen Ring rausbringt; als sich diese Idee aus Richtung Hollywood zerschlug, hatte er noch Ruth Berghaus (Extra-Joker) auf dem Plan - die starb ihm allerdings dann weg... Ja und so zogen sich die nachfolgenden Ringlosphasen an der Oper Leipzig hin. Bis dieses Jahr:

Nunmehr wird er - wie (beispielsweise) ähnlich auch in jener doch als fraglich zu bezeichnenden Gesamtsichtweise Guy Cassiers für die zwei Vorzeige- und Spitzenhäuser in Berlin und Mailand - nicht nur bloß gesungen, sondern auch (aus was weiß ich für einem künstlerischen Grund) "vertanzt"; die englische Tänzerin/Choreografin Rosamund Gilmore tat das jetzt - in Gemeinschaft mit Ulf Schirmer, der das Ganze dirigierte - szenisch übernehmen.

Gleich im Ersten Akt - bevor dann Siegmund in die Wohnküche von Hunding und Sieglinde über eine Hühnerleiter 'rabstieg - wurde unser visuelles Aufnahmevermögen erstmals über die Gebühr hinaus bemüht, ja und so sahen wir getanzte Tiere (Widder, Wildschweine und Geier oder so) auf dem mit Stacheldraht umzäunten Dach der Wohnküche. Im Zweiten Akt hielt dann die Wotangattin Fricka ein getanztes Widderpärchen zügelnd an der Leine, während gruslig anzuschauende kopflose Uniformmäntel kriechende oder manchmal "aufbäumende" Fortbewegungsabläufe vermittelten. Der Dritte Akt zeigte uns das für diese artifiziellen Tanz- oder Bewegungseinlagen gecastete Ensemble mit Alicia Varela Carballo, Héloise Fournier, Unita Gay Galiluyo, Rebecca Jefferson, Robin Jung, Elodie Lavoignat, Ayako Toyama, Oriol Tula und Jochen Vogel bei diversen und doch leider nicht mehr recht entschlüsselbaren sportlichen, gymnastischen und/oder yogaistischen Betätigungen; ihre Trainingsanzüge (Kostüme von Nicola Reichert) sollten sicherlich so was wie Reitanzüge sein - - und jedenfalls wurde von ihnen allen um herumstehende, abgestellte weiße Stiefelchen getanzt und sich bewegt...

Das Rätselraten um den aufwändigen Tanz- sowie Bewegungskram für Die Walküre nahm und nahm kein Ende! Noch viel weniger wie um die Bauten (Bühnenbild: Carl Friedrich Oberle) - das mit der stacheldrahtbedachten Wohnküche im Ersten Akt mochte vielleicht noch angehen und unbedingte Neugier stiften, wie es weiterginge. Doch als justament ein megagroßes dreietagiges Detail des Schiefen Turms von Pisa (Dritter Akt) auftauchte und sowohl die acht Walküren als auch die neun TänzerInnen hierin promenieren und/oder zur Aussicht stehen mussten, war der allgemeine Grad unseres hilflos vor sich hin dümpelnden Nicht-mehr-nachvollziehen-Könnens überfüllter Maßen ausgereizt.

Nichts gegen Tiere, und auch nichts gegen die fulminant das Brünnhildsche Ross Grane dargestellt habende Tanzkunst von Ziv Frenkel! Doch - wie wir uns irgendwie erinnern - ging und geht es halt in der Walküre auch (und irgendwie) um zwischenmenschliche Beziehungen der allerdelikatesten Gewuchtung; immerhin: Ein Zwillingspaar verübt auf offner Szene Sex, woraus dann etwas später (Siegfried, Götterdämmerung) der Allerheilsbringer und Weltenretter sozusagen aufersteht und sich, obgleich völlig umsonst, mit Diesem und mit Jenem abzukämpfen aufschwingt usw. usf. / Mann will sich gar nicht vorstellen, was in den zwei noch ausstehenden Bühnenfestspieltagen Regisseurin Gilmore mit den Handlungsbrocken anzustellen willens ist, wenn sie konzeptionell nun schon in der wahrscheinlich wichtigsten von den vier Ring-Opern unwiedergutmachend und kläglich scheiterte.

*

Das Dirigat Ulf Schirmers hatte eine auswalzende und mitunter fast gemächlich anmutende Dimension. Man "fühlte" das Gehörte als doppelt so lang "als wie normal". Wenn man - wie ich - die letzten Jahre und Jahrzehnte das bei Barenboim von Mal zu Mal differenzierende Gehetztsein, insbesondere bei jener einleitenden Sturmmusik des Ersten Aufzugs der Walküre, mit der von ihm immer wieder allerbestens einstudierten Staatskapelle Berlin vernahm, bekam man einen ungefähren Eindruck, wie so ausgewählte Stellen dieses Werkes "ideal" zum Klingen kommen konnten. Umso größer wohl der hörerische Schock über das gestern Abend - und nicht nur was Schirmers zeitlupige Deutungen betraf - aus dem Orchestergraben am Augustusplatz Vernommene; und wohl gemerkt: es spielte das Gewandhausorchester Leipzig! Und für all die Deutungsmacken seines Opern-GMD und selbst die offensichtliche Ring-Unerprobtheit konnte es natürlich nichts - doch dass über fünf Stunden lang schier eine Gurke nach der anderen zu registrieren war, befremdete dann allerdings.

Guy Mannheim und Christiane Libor (Siegmund und Sieglinde) waren sängerisch das Topp-Paar des Premierenabends!

Markus Marquardts Heldenbariton und Textverständlichkeit führten zu einer imposanten Wotan-Darstellung.

Eva Johansson mühte sich um eine höhensichere Brünnhilde - ihre Glanzzeit (auch für diese Rolle, die sie vor paar Jahren schon unter dem Rattle ausprobierte) scheint jedoch vorbei zu sein.

James Moellenhoff (als Hunding) hatte einen großen mimischen Vorzug; gesanglich wars zum Weghören.

Und Kathrin Görings Fricka: gut - und mehr wohl nicht.

Beim heikelen Geschrei der übrigen Walküren mussten/müssen alle Mitwirkenden (Namen s.u.) immer wieder sehen, dass sie keine Stimmschäden davontragen; Galeeren-Strafarbeiten.

Peter Bucks (als stummer Loge) knipste mit dem Feuerzeug die Waberlohe an.

Summa summarum: Ein regieliches Debakel, musikalisch hinterfragbar.



Oben Tiere - unten Siegmund & Sieglinde aus dem Ersten Akt von Die Walküre an der Oper Leipzig - Foto (C) Tom Schulze



Bewertung:    


Andre Sokolowski - 8. Dezember 2013
ID 7440
DIE WALKÜRE (Oper Leipzig, 07.12.2013)
Musikalische Leitung: Ulf Schirmer
Inszenierung und Choreografie: Rosamund Gilmore
Bühne: Carl Friedrich Oberle
Kostüme: Nicola Reichert
Dramaturgie: Christian Geltinger
Besetzung:
Siegmund ... Guy Mannheim
Sieglinde ... Christiane Libor
Hunding ... James Moellenhoff
Wotan ... Markus Marquardt
Brünnhilde ... Eva Johansson
Fricka ... Kathrin Göring
Gerhilde ... Katja Beer
Ortlinde ... Eun Yee You
Waltraute ... Monica Mascus
Schwertleite ... Sandra Janke
Helmwige ... Josefine Weber
Siegrune ... Jean Broekhuizen
Grimgerde ... Karin Lovelius
Rossweiße ... Bonnie Cameron
Grane ... Ziv Frenkel
Tanzensemble mit Alicia Varela Carballo, Héloise Fournier, Unita Gay Galiluyo, Rebecca Jefferson, Robin Jung, Elodie Lavoignat, Ayako Toyama, Oriol Tula und Jochen Vogel
Gewandhausorchester Leipzig
Premiere war am 7. Dezember 2013
Weitere Termine: 22. 12. 2013 / 5. + 11. 1. 2014


Weitere Infos siehe auch: http://www.oper-leipzig.de


http://www.andre-sokolowski.de


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