Die legendären BEACH BOYS zeigten in Berlin, dass ihr Pop-Sound unverwüstlich ist
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Ein Platz an der Sonne
Es kommt nicht alle Tage vor, dass eine Popband ihr fünfzigjähriges Bestehen noch auf der Bühne feiern kann, ohne den Anschein zu erwecken, sie müsste sich über die Runden quälen. Aber wann ist es in der Popgeschichte je vorgekommen, dass einer der Gründer und wichtigsten Komponisten der Band erstmals nach 47 Jahren wieder mit den anderen Bandmitgliedern auf Tour ist? Zu erleben war dies Freitagabend in der Berliner O2-World, wo die legendären BEACH BOYS, Erfinder des kalifornischen Sunshine-Pop, mit Brian Wilson am Klavier ihren deutschen Fans ein mitreißendes Konzert boten. Nostalgie kam unvermeidlich auf, aber für Wehmut oder gar Zweifel an ihrer musikalischen Fitness ließen die teils heftig aufrockenden Original-BEACH BOYS – allesamt um die 70 – keinen Platz.
Brian, der älteste und letzte Überlebende der drei musikalisch hochbegabten Wilson-Brüder, die zusammen mit ihrem Cousin Mike Love 1961 schon als Collegeboys die BEACH BOYS-Band gründeten, verschanzte sich zwar während des gesamten, rund zweieinhalbstündigen Konzerts hinter seinem weißen Flügel. Auch wirkt Wilsons Stimme wegen seiner Drogen- und Psychopharmaka-Exzesse der achtziger Jahre deutlich weniger volltönend und ungebrochen als die der anderen Bandmitglieder – auf der aktuellen Welttournee sind dies neben Mike Love noch Alan Jardine, Bruce Johnston und David Marks. Nur die Kombination dieser Gründungsmitglieder plus Wilson vermittelt beim Spielen von BEACH BOYS-Welthits wie Good Vibrations, Help Me Rhonda oder (I wish they all could be) California Girls jenen authentischen Zauber, der die Zuhörer so kollektiv zu bannen und berauschen vermag wie in Berlin.
Gleich zu Beginn ihres Berliner Auftritts – eine von nur drei Stationen in Deutschland – lieferten die BEACH BOYS ein Medley aus ihrer schier unerschöpflichen Hitkanone: Little Honda, Catch a Wave, Hawai und Surfin‘ Safari. Aufwendige Licht- oder Bühneneffekte? Fehlanzeige! Den fünf Altvorderen genügten einige Spotlights und acht bis zehn Backgroundmusiker, die „Wondermints“, um das Publikum in der nicht ganz ausverkauften O2-Arena in Wallung zu bringen. Schon an diesem frühen Punkt gleicht das Konzert einem gut geölten Zug, der, wenn er erst einmal seinen Fahrtrhythmus aufgenommen hat, nicht mehr anhalten mag. Die Songs wurden deutlich rockiger, Schlagzeug- und Gitarren-lastiger als auf legendären Alben wie Pet Sounds (1966) oder Surf‘s up (1971) präsentiert, die von ausgefallenen Orchester- oder Synthesizer-Arrangements geprägt waren. Doch ebenso satt und kraftvoll, quasi in alter Frische, erklang auch der unverkennbare Harmonie-Gesang der Band, der wesentlich für den speziellen, hell und leicht wirkenden Sound der BEACH BOYS verantwortlich ist. Er hat bisher alle musikalischen Jahrzehnte schadlos überdauert, die immer stärker vom Einsatz von Technik geprägt wurden. Die meisten Hits könnten auch a capella geboten werden – was die BEACH BOYS allerdings nur kurz andeuten.
In der zweiten Hälfte bot die sportlich-locker gekleidete Band mehr Material aus den siebziger und achtziger Jahren, also Songs mit komplexeren Rhythmen und Gesangspassagen, die mehr als nur eine Gute-Laune-Stimmung transportieren und bei denen das Zuhören nicht von alleine geschieht. Die Titelnummer des brandneuen Albums, That’s Why God Made The Radio klingt wiederum so, als entstamme sie der Gründungszeit der Band. Zum Schluss feuerten die älter gewordenen Strandjungs dann wieder uralte, aber unverwüstliche Evergreens wie Surfin‘ USA, Fun Fun Fun oder Barbara Ann ab. Da hielt es das mehrheitlich über 60 Jahre alte Publikum schon längst nicht mehr auf ihren Sitzen. Der Anschein allgemeiner Alterslosigkeit heutiger Rentnergenerationen ergriff endgültig den Saal. Über alle Maßen verblüffend und auch ein ganz klein wenig beängstigend, dass eine Band ihrem Stil mit solcher Konsequenz und dabei derartig erfolgreich über fünf Jahrzehnte treu geblieben ist – und treu bleiben konnte.
Max-Peter Heyne - 6. August 2012 ID 00000006132
Siehe auch:
http://www.thebeachboys.com
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