15. August 2010, Haus der Kulturen der Welt (Berlin)
STAFF BENDA BILILI
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(C) Staff Benda Bilili
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Nun waren sie zum ersten Mal in Berlin: Staff Benda Bilili, die Band aus dem Zentrum der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa, die aus einem Straßenmusiker-Projekt körperbehinderter Menschen hervorgegangen ist, und die durch den Dokumentarfilm „Benda Bilili!“ auf den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes schlagartig zu weltweiter Berühmtheit gelangte. Die meisten Mitglieder der Band sind Polio-Opfer, die mit selbstgebauten Rollstühlen und Gehhilfen auftreten. So auch am 15. August im Haus der Kulturen der Welt in Berlin.
Das Konzert hatte zunächst auf der Dachterasse stattfinden sollen, war aber wegen des unsicheren Wetters kurzfristig ins Innere des Hauses verlegt worden. Das ist schade, tut aber der Stimmung keinen Abbruch. Spätestens beim zweiten Song der acht Musiker tanzt oder wippt der ganze Saal, der allerdings nicht komplett gefüllt war. Staff Benda Bilili sind offenbar weiterhin ein Geheimtipp - trotz der unbestreitbaren Massentauglichkeit ihrer Musik. Denn deren Reiz besteht weniger in großem Abwechslungsreichtum oder interessanten Melodien, als im Spirit der Musiker, der über die Rampe kommt und der Atmosphäre, die die Musik beim Publikum hervorruft. Diese Musik geht nicht nur in die Beine, sondenr in den ganzen Körper, sodass es selbst dem größten Tanzmuffel schwerfällt, still zu halten.
Eine starkes, groovendes Fundament bildet die klassische Rhythmusgruppe aus elektronischen Gitarren und Bass, Schlagzeug und diversen Percussion- und Geräuschinstrumenten. Der meist mehrstimmige, homophone, gelegentlich auch als Call-und-Response gestaltete Gesang kommt oft wie Bläsersätze. Die Musik hat viel aus Funk und Blues, vermischt mit Reggae-Anleihen und stark beeinflusst durch den Soukous, der auch als „kongolesische Rumba“ bezeichnet wird. Teilweise erinnert sie auch an afrokubanische Musik. Als Melodieinstrument und oft solistisch eingesetzt sticht eine selbstgebaute, elektrisch verstärkte, einsaitige Laute heraus. Ihr schrillender, durchdringender Klang könnte nervenaufreibend sein. Doch ihre erstaunlich vielfältigen Bespiel-Möglichkeiten überraschen immer wieder aufs Neue. So fügt sich die elektronische Laute, gespielt von dem ehemaligen Straßenkind Roger Landu, der als Zwölfjähriger zur Band stieß, hervorragend ein.
Die Texte von Staff Benda Bilili, teilweise in Lingála, teilweise in Französisch, handeln häufig von Armut, Ausbeutung und Korruption; sie setzen sich kritisch mit dem Schicksal der zahllosen Obdachlosen und Straßenkinder in den Straßen Kinshasas auseinander, einem Schicksal, das die Mitglieder der Band selbst auf die eine oder andere Weise erfahren haben. Doch einen Mitleidsbonus brauchen Staff Benda Bilili nicht. Die acht Musiker spielen und singen, klatschen und werfen die Arme hoch, ja sie tanzen mit ihren Rollstühlen. Es ist, als würden sie mit ihrer Musik auf der Bühne das Leben feiern, trotz ihrer Krankheit. Und das überträgt sich sehr schnell auf das Publikum, und macht den Abend zu einem gemeinsamen Fest.
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(C) Staff Benda Bilili
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Nora Mansmann - red. 20. August 2010 ID 00000004775
Weitere Infos siehe auch: http://www.hkw.de
http://www.nora-mansmann.de
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