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Rosinenpicken (231)

Religion & Sex



Johannespassion im Berliner Dom / Erick Odriozola als Pilatus "Was ist Wahrheit?" - Foto: Dirk Mathesius


Es war wie mit dieser zweifelhaften Werbung, die mir gleich am Anfang (vor Beginn der Vorstellung) im Kassenfoyer des Berliner Doms - da sind ja jedes Jahr die Jedermann-Festspiele - auf der LED-Anzeige unverschämt entgegendümpelte, Zitat: "Der Berliner Dom als Fruchtgummi - einfach lecker!"


*


Bachs Johannespassion UND Tanz, also vertanzte Bach'sche Johannespassion - das ist dann in der Tat wie Religion & Sex, um es in der extremsten Zuspitzung zu sagen: Ja, man hätte eigentlich genug damit zu tun, dieses grandiose Geistesstück in seiner kongenialen Mischung aus Musik & Text, am besten freilich ganz allein und zuen Auges (also unter Kopfhörern), gewissermaßen aus sich raus "herabschrecken" zu lassen, also dass man, wie es immer so schön heißt, erst mal "herunter kommt", so derart aufwühlend geht es in ihr ja schließlich zu... Und dann noch diese optisch-aufreizende, sinnlich-sinnlose Hinzu-"Belastung"!

Junge, schöne Menschen boten sich und ihre jungen, schönen Körper für die stark ambitionierte Visualisierung der Passionsgeschichte feil; es gab fürwahr sehr viel (zu viel!) zu sehen, und es sah auch Alles jung und schön, und tanzbildmäßig sogar gut gemacht, aus - Choreografie: Martin Buczko. / Aufsehenerregend sicherlich auch, wie der Macher beispielsweise die Gesangssolisten (choreografisch) in den pausenlosen Tanz-Teil integrierte; und am aufsehenerregendsten gewiss die Einstudierung Christian Oldenburgs, des jungen Bariton (der immerhin KEIN Tänzer ist) und der den Jesus spielte (und vorzüglich sang!) - wir fürchteten die ganze Zeit, dass er, der zwar ein gertenschlanker Typ ist, sich durch irgendein unachtsames Bewegen und/oder Bewegtwerden ernstlich verletzten könnte, ja und hoffentlich hatte und hat er eine gute Risikoversicherung, die, falls ihm ja dann bei den nächsten Auftritten etwas passieren sollte, alles rechtens für ihn regelte. // Wir waren anhaltend mit uns im Hadern, ob wir so was letztlich dann für gut und richtig heißen sollten, dass die singenden Protagonisten auch noch heikle Tanzaufgaben auferlegt bekämen...

Doch der absolute Stein des Anstoßes: der Chor! / Hat man halt keinen guten Chor, um Bachs Passionen aufzuführen, kann man sie halt auch nicht präsentieren - - oder es klingt so, wie es halt (allerlaienhaftigst) klang; zudem war keinerlei Tenor- und Basspräsenz zu spüren, und die Frauenstimmen flatterten mitunter auf und ab, zusammen war'n sie selten.

Ob das klangliche Desaster (s. o.) an dem vielzu nachhallenden Riesenraum des Domes oder gar am Dirigenten Christoph Hagel lag? Denn auch von dem Orchester gingen, außer dass es u. U. als routiniert noch hätte durchgeh'n können, keinerlei spezifische Impulse aus; nein, die Berliner Symphoniker sind nun mal kein Ensemble für Barockmusik - die Gambe freilich, wenn sie eingesetzt gewesen war, machte sich gut.

Hervorzuheben - und zwar positiv - wären dann noch: Johannes Gaubitz (als Evangelist), Ulf-Dirk Mädler (als Pilatus/Petrus), Christoph Villa (mit dem herzzerreißenden "Es ist vollbracht") und Sopranistin Darlene Dobisch mit den beiden hohen Arien.

Großgewolltes wurde seelenlos.




Johannespassion im Berliner Dom - Foto: Dirk Mathesius
Andre Sokolowski - 23. Februar 2013
ID 6591
JOHANNESPASSION IM BERLINER DOM (23.02.2013)
Inszenierung / musikalische Leitung: Christoph Hagel
Choreographie: Martin Buczko
Bühne: Uwe Lockner
Kostüme: Marie Gerstenberger
Licht: Arndt Sellentin und Uwe Lockner
Ton: Volker Waßmann und Torsten Clemens
Besetzung:
Tenor (Evangelist) ... Johannes Gaubitz
Mezzosopran ... Christophe Villa (Countertenor)
Sopran ... Darlene Dobisch
Bariton (Jesus) ... Christian Oldenburg
Bariton (Pilatus) ... Ulf-Dirk Mädler
Tänzer: Martin Buczko, Vito Alfarano, Ronan dos Santos Clemente, Brice Desault, Elia Lopez Gonzales, Risa Kojima, Kazuma Glen Motomura, Erick Odriozola, Eldon Pulak, Yeri Anarika Vargas Sanchez, Nora Vladiguerov und Schüler der Staatlichen Ballettschule Berlin
Berliner Symphoniechor
Berliner Symphoniker
Premiere war am 21. Februar 2013
Weitere Termine: 22. - 24. 2. / 1. - 3.; 8. - 10.; 15. - 17.; 22. - 24.; 26. - 29. 3. 2013
Eine Produktion von TOCC CONCEPT GmbH in Zusammenarbeit mit dem Berliner Dom und der Staatlichen Ballettschule zu Berlin

Weitere Infos siehe auch: http://www.johannespassion-im-dom.de


http://www.andre-sokolowski.de



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