Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 5

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Rosinenpicken (248)


13. Juli 2013, Radialsystem V

ERWARTUNG_NADA

Eine musiktheatrale Erinnerung mit der Oper "Erwartung" von Arnold Schönberg und Texten von Zeitzeugen des Bosnienkrieges


Christiane Iven - Foto © Christiane Schneider




Normalerweise wird das über halbstündige Schönberg-Monodram Erwartung (1930) in der Koppelung mit Bartóks doppelt so langer Oper Herzog Blaubarts Burg (1911) szenisch geboten; das macht sicherlich auch dahingehend einen Sinn, weil - was die beiden jeweiligen Handlungen betrifft - sowohl die Eine (Frau bei Schönberg) wie die Andere (Judith bei Bártok) Quasi-Stalkerinnen sind:

In der Erwartung kämpft die Frau sich nachts auf einer waldumschlossnen Landstraße zu ihrem Liebsten, den sie erst ein Jahr lang kannte und der allerdings bei/mit 'ner andern Frau (in einem Haus nahe der waldumschlossnen Landstraße) zusammenlebte, vor und findet ihn, den Liebsten, plötzlich leblos auf der waldumschlossnen Landstraße so daliegen - und wir erfahren freilich nicht, wie es zu diesem Totgeratensein des Liebsten von der Frau gekommen war. Hatte er sich höchstselbst vor ein heranrollendes Auto geworfen? Hatte ihn die Frau - aus stalkerischer Eifersucht - dorthin gestoßen? Oder hatte justament die andre Frau ein bisschen nachgeholfen? Das ist dann das Spannende am Schönberg-Monodram, dass nicht herauskommt, was und wie die Dreiecksstory eigentlich zustande kam bzw. endete. Nur diese dauernd-stalkerischen Emotionsausbrüche und -geladenheiten jener Frau (= der Liebsten ihres Liebsten) sind der "Gegenstand" der Schönberg'schen Musik auf einen Psycho-Text der Dichterin Maria Pappenheim.

[Nur zum Vergleich: Judith aus Herzog Blaubarts Burg lässt auch partout nicht locker und will Alles (und noch mehr) vom unbekannten Finsterling, in den sie sich natürlich und obgleich womöglich etwas abartig verschossen hatte, wissen - was ihr letztlich nicht bekommt; denn Blaubart zieht sie - so wie alle seine Frauen - in die Finsternis mit sich herab.]

Christiane Iven spielt und singt die Frau in der Erwartung - textverständlich und mit distanzierter Inbrunst; sowieso ist sie dann eine von den Sopranistinnen, die in der Lage wäre/ist, Alles, was rund um sie noch mitwirkt, von der Bühne regelrecht hinwegzuschmettern; das will sagen - ihre nicht nur stimmliche Präsenz hat etwas Maßgebliches für den jeweiligen Abend. Ohne sie ginge dann also nichts! / Die Dirigentin Catherine Larsen-Maguire leitet das ensembleKOM; das sind Musikerinnen und Musiker der Komischen Oper Berlin, die sich die Darbietung von Musikwerken in unherkömmlichen Besetzungen zum Ziel gemacht haben - sie wählten übrigens eine sog. reduzierte Fassung der Erwartung, die von Paul Méfano und Michel Decourst (2001) erstellt wurde... Überflüssig zu sagen, dass die Aufführung hochprofessionell und musikalisch-wunderbar geriet.


* * *


Regisseurin Jasmina Hadziahmetovic, die 1992 als Kriegsflüchtling aus Sarajevo nach Deutschland kam, hat das Projekt, das sie unter dem Titel Erwartung_Nada stellte, initiiert, um den Opfern des Bosnienkrieges (1992-1995) eine Stimme zu geben:

Von einer Schauspielerin (Susi Wirth) und drei Schauspielern (Jürgen Haug, Maximilian Held und Adi Hrustemovic) lässt sie Original-Texte, die sich v.a. um den grauenhaften Genozid von Srebrenica drehten, sprechen. Das Alles korrespondiert sie mit TV-Dokumenten aus dieser Zeit sowie Zitaten aus dem mitgefilmten Den Haager Kriegsverbrechertribunal von 2010.

Unter die Haut gingen schon diese von Susi Wirth gesprochenen Geschichten einer jungen Bosniakin, die während der Selektion (Männer nach links - Frauen und Kinder nach rechts) ihren erst 14jährigen Sohn verlieren sollte oder eines von den zahlreichen Vergewaltigungsopfern...

Die insgesamt fünf Akteure auf der Bühne des Berliner Radialsystems pinnten dann unzählige Todesanzeigen an die Planen oder zerrten zig Leichensäcke herbei, die sie vor sich in Reihe ausbreiteten - - ja und mitten in der Szenerie setzt dann die eigenartig hierzu passende Erwartungs-Handlung ein bzw. schließt sie ab; genialer Einfall!




Erwartung_Nada im Berliner RADIALSYSTEM - Foto © Doro Tuch



Bewertung:    


Andre Sokolowski - 14. Juli 2013
ID 6946
ERWATUNG_NADA (Radialsystem V, 13.07.2013)
Musikalische Leitung: Catherine Larsen-Maguire
Inszenierung und Konzept: Jasmina Hadziahmetovic
Dramaturgie: Bettina Auer
Bühne und Kostüme: Hella Prokoph
Video: Bettina Mooshammer
Produktionsleitung: Irene Eidinger
Ausführende:
Sopran ... Christiane Iven
Schauspieler ... Jürgen Haug, Maximilian Held, Adi Hrustemović und Susi Wirth
Orchester ... ensembleKOM. Kammerensemble der Komischen Oper Berlin
Premiere war am 11. Juli 2013


Weitere Infos siehe auch: http://www.radialsystem.de


http://www.andre-sokolowski.de



  Anzeigen:





MUSIK Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

CD / DVD

INTERVIEWS

KONZERTKRITIKEN

LEUTE

NEUE MUSIK

PREMIERENKRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

RUHRTRIENNALE


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal




Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)