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CD-Kritik

...mit Leiden-

schaft

Tatjana Vorobjova
spielt J. S. Bach


Bewertung:    



Die in Riga geborene Cembalistin Tatjana Vorobjova zählt seit Langem schon zu den angesagtesten und vielbeschäftigsten Musikerinnen ihres Fachs. Speziell was die sog. Alte Musik hinsichtlich ihrer seit Jahren und Jahrzehnten Maßstäbe setztenden historischen Aufführungspraxis betrifft, kennt sie sich bestens aus. Ihre musikalische Ausbildung begann in ihrer lettischen Heimatstadt mit Klavierspielen und konzentrierte sich allmählich auf das Instrument, was sie bis heute absolut beherrscht. Sie studierte Cembalo in Oslo und Köln (bei Ketil Haugsand, bei dem sie ihren Abschluss mit Auszeichnung erhielt) sowie am Königlichen Konservatorium in Brüssel (bei Hermann Stinders, bei dem sie ihren Master of Music machte); zudem belegte sie Meisterkurse bei Robert Hill, Bob van Asperen, Frédérick Haas und Jesper Christensen.

Sie lebt und arbeitet als freiberufliche Cembalistin im Raum Köln. Konzerte absolvierte sie unter anderem in der Kölner Philharmonie, im Konzerthaus Berlin und vielen weiteren Konzertsälen Deutschlands, Belgiens, Englands, Frankreichs, Italiens, der Schweiz und in Lettland. Als gefragte Continuo-Cembalistin spielt sie regelmäßig mit der Sinfonietta Köln, dem Neuen Rheinischen Kammerorchester und dem Barockorchester „Consortium Musica Sacra Köln“.

Auf ihre Initiative hin wurde 2017 eine eigene Cembaloklasse an der Städtischen Musikschule Leverkusen gegründet; dort lehrt und unterrichtet sie.

4 CDs mit ihr liegen inzwischen vor - unter anderem mit so selten gespielter Cembalo-Musik wie den Sechs Musicalischen Partien von Johann Krieger (1651-1735) oder den Cembalosonaten von Domenico Scarlatti (1685-1757); mit Le Parnasse Musical spielte sie Mozarts Cembalokonzerte KV 107 ein; und auf ihrer Scheibe Cembalo cantabile gibt es u.a. Werke von Joseph Hector Fiocco (1703-1741) oder Jean Philippe Rameau (1683-1764) zu hören.



Tatjana Vorobjova | Foto (C) L. Hirch


*

Seit letztem Monat ist ihr neuestes Album - Johann Sebastian Bach ... con passione - auf dem Phonomarkt zu haben. Es enthält die 3. und die 6. Partita in a- bzw. e-Moll (BWV 827 und BWV 830), die dreisätzige Suite in f-Moll (BWV 823) sowie, als Zentral- und Höhepunkt ihrer aktuellen Einspielung, die Chromatische Fantasie und Fuge in d-Moll (BWV 903). Zudem schließt Vorobjova ihre Bach-Auswahl mit einer eigenen Bearbeitung des allbekannten und -beliebten Adagio-Satzes aus Bachs Toccata, Adagio und Fuge in C-Dur für Orgel (BWV 564).

Sie spielt auf einem zweimanualigen Cembalo (nach Ruckers, einem flämischen Instrumentenbauer aus dem 16. und 17. Jahrhundert).

Ich war neugierig auf interpretatorische Vergleiche und wählte daher Aufnahmen aus meiner eigenen Phonothek aus - bei den beiden Partiten verglich ich mit Trevor Pinnock, der sie 1998/99 einspielte; bei der f-Moll Suite mit Robert Hill, der sie 1998 auf einem sog. Lautenklavier musizierte; bei dem von Vorobjova bearbeiteten Adagio (nach dem Bach'schen Original BWV 564) mit dem Organisten Martin Lücker, der das dreisätzige Werk 1998 auf der Rieger-Orgel in der Katharinenkirche Frankfurt am Main zum Besten gab.

Und bei der Chromatischen Fantasie und Fuge BWV 903 konnte ich gleich mal auf zwei verschiedene Aufnahmen zurückgreifen: die eine wurde 1999 mit Evgeni Koroliov am Klavier, die andere im gleichen Jahr mit Robert Hill am Cembalo eingespielt; Koroliov benötigte für die Fantasie 8'01 min, Hill 7'19 min; beide brauchten für die anschließende Fuge jeweils 5'00 min - zum Vergleich: Vorobjova musiziert mit einer Dauer von 6'01 min (Fantasia) und 6'11 min (Fugue).

BWV 903...


"...vereint alles, was man sich auf dem Cembalo vorstellen kann: improvisatorische Passaggi, expressive Harmonik mit langen Ketten verminderter Akkorde, melodiöse Abschnitte, die Chromatik und Enharmonik auf die Spitze treiben, kurz: hier können Interpreten sich austoben wie in kaum einem anderen Tastenwerk. Das instrumentale Rezitativ in seiner Mitte spricht direkt zu uns - aber was will es uns sagen? Handelt es sich vielleicht, wie Peter Schleuning vermutet hat, um ein Lamento auf den Tod von Bachs erster Frau Maria Barbara?" (Quelle: CD-Booklet)


Bei Tatjana Vorobjova klingt übrigens dann alles, also auch die zwei Partiten und die Suite, detailbestimmt, geradezu detailversessen trotz oder gerade wegen ihres spielerischen Flusses, und es wirkt in einer wohltuenden Art und Weise heutig und modern. Ich war zum mehrmaligen Hören ihrer schönen Scheibe motiviert und inspiriert zugleich.

* *

Das Booklet [s. Zitat oben] enthält eine lesenswerte Einführung zu all den von der Vorobjova ausgewählten Stücken, verfasst hat sie Matthias Schneider, seines Zeichens Lehrstuhlinhaber und Professor für Kirchenmusik (mit Schwerpunkt Künstlerisches Orgelspiel und Improvisation) an der Universität Greifswald.
Andre Sokolowski - 18. April 2024
ID 14704
Johann Sebastian Bach ... con passione
Johann Sebastian Bach: Suite f-Moll BWV 823
- Partita Nr. 3 a-Moll BWV 827
- Chromatische Fantasie und Fuge d-Moll BWV 903
- Partita Nr. 6 e-Moll BWV 830
- Adagio a-Moll (aus Toccata, Adagio und Fuge C-Dur für Orgel BWV 564; Arrangement: T. Vorobjova)
Tatjana Vorobjova, Cembalo
Aufgenommen im Konzertsaal Abtei Marienmünster, 2023
(C) + (P) MDG 921 2311-6


https://www.mdg.de/bach-con-passione


https://www.andre-sokolowski.de

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