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CD-Kritik

In und aus der Thomaskirche zu Leipzig



Bewertung:    



Über JESU, MEINE FREUDE und GENUG - zwei der vorigen CDs mit dem Ensemble BachWerkVokal Salzburg - hatte ich 2021 und 2022 bereits geschrieben. Nunmehr verschlug es die singenden und musizierenden Mitglieder des Ensembles unter Gordon Safari, ihrem Gründer und künstlerischen Leiter, in die Thomaskirche zu Leipzig, um dortselbst, also vor Ort, ihr neuestes Album JAUCHZET & LOBET einzuspielen. Anlass war der 300. Jahrestag von Bachs Amtsantritt in der Stadt an der Pleiße:


"1723 wurde Johann Sebastian Bach Thomaskantor in Leipzig. Ein Jahr, das die Musikgeschichte nachhaltig verändern sollte. Denn in Leipzig komponierte Bach die großen Oratorien, Passionen und ca. 350 Kantaten. Für alle Bachliebhaber:innen und für das Ensemble BachWerkVokal Salzburg [war] dieses Jubiläum ein Grund zum Feiern, ja zum Jauchzen. Vor zwei Jahren begann unser künstlerischer Leiter Gordon Safari mit der Planung des Projekts, eine CD-Aufnahme an Bachs Wirkungsstätte zu machen und jetzt [wurde] dies Realität! Für uns als Bach-Ensemble aus der Mozartstadt Salzburg [war] das eine Sensation, pure Emotion und ein großer Traum, der Wirklichkeit [wurde]. Und deshalb dreht sich unsere neue 'Scheibe' euphorisch um das Thema 'Jauchzet und lobet'. Natürlich mit Musik von Johann Sebastian Bach. Und hier haben wir ein besonders festliches Programm zusammengestellt, das alle Farben unseres Ensembles instrumental und vokal zeigt, mit dem Raumklang der Thomaskirche Leipzig." (Quelle: Ensemble BachWerkVokal Salzburg)


Und apropos "Raumklang der Thomaskirche Leipzig" - er kommt in dieser Einspielung dezent verhallend 'rüber, also nicht zu viel und nicht zu wenig. (Ich selbst kenne das "Original", weil ich mir oft in der Thomaskirche Konzerte mit den Thomanern und dem Gewandhausorchester anhörte, und das klingt dann schon, also "original", einen Deut mehr undezenter sprich nachhalliger.) Es dürfte sich also im vorliegenden Fall um eine aufnahmetechnische Spezialität der Toningenieure vom Label MDG handeln, die möglichst optimale Nachhall-Balance hergestellt zu haben.

*

Drei Kantaten und zwei Motetten vereinigt die CD.

Los geht es mit BWV 69a (Lobe den Herrn, meine Seele). Bach hatte die Kantate in seinem ersten Leipziger Amtsjahr in der Thomaskirche uraufgeführt. Der als Doppelfuge angelegte Eingangschor elektrisiert - immer wieder fühle ich mich berauscht von der Gesangskultur und dem schier unzubändigenden Drive, mit dem die 13 Sängerinnen und Sänger inkl. ihrer vier Solistinnen und Solisten "an die Arbeit gehen"; sowieso kriege ich meistens bei den Bach'schen Eingangschören Gänsehaut. Alexander Hüttner (Tenor) und Jakob Hoffmann (Bass) singen die beiden Arien.

Als nächstes die vierstimmige Motette Lobet den Herrn, alle Heiden BWV 230; sie dauert gerade mal 6 Minuten und 11 Sekunden. Safari vermittelt in seinem von ihm selbst verfassten Booklet Hintergrundwissen:


"Handelt es sich bei diesem Stück überhaupt um ein Werk Johann Sebastian Bachs oder stellt ihre überlieferte Form das Resultat einer Umarbeitung durch Bach eines fremden oder gar eigenen Werkes dar? [...] Beim synonymen Parallelismus gibt die zweite Zeile den Inhalt der ersten mit anderen Worten wieder. Selbst die Einsatzreihenfolge der Stimmen, vom Sopran zum Bass absteigend, wird wiederholt. Beide Fugenthemen werden dann gegen Ende des Formabschnitts miteinander kombiniert. Dass diese Kombination nicht im Sinne einer strengen Doppelfuge funktioniert, war für Teile der Bachforschung Anlass, hier aufgrund eines 'kontrapunktischen Planungsfehlers' die Autorschaft Bachs anzuzweifeln. Vielleicht übersieht man aber die Fähigkeit Bachs, Texte strukturell zu erfassen und dementsprechend zu vertonen?"


Meine Favoritin ist die Solo-Kantate Jauchzet Gott in allen Landen BWV 51. Die Sopranistin Electra Lochhead singt sie, über eine Viertelstunde lang; ich werde nicht müde, ihr dabei zuzuhören. Ihre Koloraturen klingen spitz und in den Höhen auf den Punkt gebracht, geradezu seziererisch. Beim abschließenden "Alleluja" muss sie gar das dreigestrichene hohe C erklimmen, und das meistert sie dann ohne jede Mühe. Allein die Textverständlichkeit lässt arg - und übrigens nicht nur bei ihr - zu wünschen übrig.

Die Motette Jauchzet dem Herrn, alle Welt BWV 160 Anh. wird vom Chor, dessen höhensichere Soprane akustisch am auffälligsten sind, gesungen. Dem Stück liegt ein Pasticcio zugrunde:


"In der Überlieferungsgeschichte des ersten Satzes findet sich in einer Quelle der Hinweis 'di Telemann, von Joh. Seb. Bach verbessert', wobei erwähnt werden muss, dass sich in Telemanns überliefertem Opus das vermeintliche Original bis dato nicht nachweisen lässt. [...] Die nachweisbare 'Verbesserung' Bachs liegt in der Komplettierung zur Achtstimmigkeit, der ursprünglich vierstimmigen Fuge (Beginn in T. 53) durch hinzugefügte homophone Einwürfe. Zweifelsfrei 'echter', aber dennoch 'bearbeiteter' Bach, liegt im zweiten Satz vor: Die große Choralbearbeitung auf die Liedstrophe 'Sei Lob und Preis mit Ehren' entnimmt Bach der Kantate Gottlob! Nun geht das Jahr zu Ende BWV 28, wo ihr der Text der ersten Strophe 'Nun lob, mein Seel, den Herren' (Psalm 103) zugeordnet ist. Im Falle des Schlusssatzes handelt es sich offenbar um eine nachträgliche Ergänzung durch Bachs Amtsnachfolger Johann Gottlieb Harrer, der den doppelchörigen Chorpart aus der Kantate Telemanns Lobt Gott, ihr Christen, allzugleich TWV 1:1066 nahezu unverändert als Coda anfügte." (Gordon Safari)


Abschließend erklingt Bachs Kantate Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren BWV 137. Zwei Chöre "umrahmen" hier drei Arien, gesungen von der Altistin Cécile Kinsky ("Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret"), der Sopranistin Zsófia Szabó und dem Bassisten Brett Puunsild ("Lobe den Herren, der künstlich und fein dich bereitet") sowie dem Tenor Konstantin Igl ("Lobe den Herren, der deinen Stand sichtbar gesegnet").

Musiziert wird, wie nicht anders zu erwarten gewesen wäre, auf das Exzellenteste.

Anhören, vergleichen, lesen... und nochmal anhören!!



Das Ensemble BachWerkVokal Salzburg während der Einspielung seines neuen Albums JAUCHZET & LOBET in der Thomaskirche zu Leipzig, Sommer 2023 | Foto: BachWerkVokal

Andre Sokolowski - 12. Juli 2024
ID 14834
JAUCHZET & LOBET / Ensemble BachWerkVokal, Gordon Safari
Johann Sebastian Bach: Lobe den Herrn, meine Seele BWV 69a - Kantate zum 12. Sonntag nach Trinitatis
- Lobet den Herrn, alle Heiden BWV 230 - Motetto a 4 Voci e Basso continuo
- Jauchzet Gott in allen Landen BWV 51 - Kantate zum 15. Sonntag nach Trinitatis et In ogni Temoi
J. S. Bach | Georg Philipp Telemann: Jauchzet dem Herrn, alle Welt BWV 160 Anh. | TWV 8:10; 1:1066 - Motetto a due Cori e Basso contnuo
J. S. Bach: Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren BWV 137 - Kantate zum 12. Sonntag nach Trinitatis
Ensemble BachWerkVokal Salzburg
Dirigent: Gordon Safari
Aufgenommen in der Thomaskirche Leipzig, Juni/Juli 2023
(C) + (P) 2024, MDG
MDG 923 2315-6


Weitere Infos siehe auch: https://www.bachwerkvokal.com/


https://www.andre-sokolowski.de

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