Monteverdi Choir & English Baroque Soloists (Sir John Eliot Gardiner)
L´INCORONAZIONE DI POPPEA
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Sir John Eliot Gardiner mit den English Baroque Soloists bei einem seiner drei Berlin-Gastspiele anlässlich "450 Jahre Monteverdi" | Foto (C) Carolina Redondo
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Bewertung:
"Monteverdis letzte Oper L’incoronazione di Poppea (1642) verherrlicht die körperliche Liebe und den Sieg des Ehrgeizes über Vernunft und Moral. Die Oper ist in einer Welt wechselnder Bündnisse angesiedelt – je nachdem, welches Liebesobjekt oder Karriereziel gerade verfolgt wird. Im Mittelpunkt der Handlung steht die Antiheldin Poppea und ihr skrupelloser Aufstieg von Neros Mätresse zu seiner rechtmäßigen Ehefrau. Es ist ein Werk harter Kontraste, in dem uns der bittere Spott zweier missmutiger Wachmänner dazu bringen will, Nero und Poppea zu verachten. Doch wenn die beiden Liebenden einen innigen Wechselgesang anstimmen und einander mit ihren melodischen Linien regelrecht umgarnen, erliegt wohl jeder Zuhörer dem unwiderstehlichen Zauber dieser Musik."
(Quelle: Berliner Festspiele)
Allein das Stück (Libretto: Gian Francesco Busenello) ist genial. Es geht also um Liebe, Sex, Verrat, Gewalt und Macht bzw. Machtmissbrauch - und das umfasst so ziemlich Alles, was halt damals an den legendär-verruchten Kaiserhöfen Roms so üblich war, um kaiserliche Zepter zu erlangen oder wenigstens frotteurerischerseits mit ihren potenziellen Trägern anzubandeln. Dass die schöne und so über alle Maßen eigentlich doch wertfreie Vokabel "Liebe" - Liebe war/ist/bleibt das größte aller großen Menschheitsrätsel dieser Welt, und immer oder meistens, wenn sie dann nicht 1:1 erwidert werden würde, kippt das Gute (Menschliche) ins Böse (Un-Menschliche) - im besagten Fall der Krönung der Poppea eine wesentliche Rolle spielt, ist der die Stückhandlung vorantreibenden Puck-Gestalt des Amors (Silvia Frigato) zu schulden...
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Der insgesamte Sound der phänomenal aufspielenden InstrumentalistInnen der English Baroque Soloists (und die Gambistin Kinga Gáborjáni sei an dieser Stelle hochthronhaft erwähnt!) ist von schier atemberaubender Faszination! Überhaupt gingen von ihnen sowieso ganz nachhaltig die allerprägendsten Erinnerungsmomente aus - John Eliot Gardiner, der diese Monteverdi-Opern-Tour durch aller Herren Länder schon seit Monaten verübt, weiß selbstverständlich, welchen Gold- und also Hauptschatz er da dirigiert; und wie bereits in den zwei 'rückliegenden hauptstädtischen Aufführungen (des Orfeo und des Ulisse) sind es dann insbesondere die traurig-"leisen" und verhalten-"langsamen" Passagen, die die spannungsaufgeladenste Aufmerksamkeit der Hörerschaft im jeweils ausverkauften großen Saal der Philharmonie Berlin erzeugt; dass da kein Hüsteln und kein Rascheln und kein Mux zu hören waren, sprach und spricht für sich!
Die sängerischen ProtagonistInnen castete Gardiner aus dem von ihm in 1964 gegründeten Monteverdi Choir - wir hatten und haben es hier mit einem exklusiven personellen Querschnitt aus dem Who-is-Who der Alten Musik zu tun:
Die tschechische Sopranistin Hana Blažíková (mit glasklaren, fast geradlinigen und gleichsam sirenigen Modulationen) ist Poppea - und der koreanische Countertenor Kangmin Justin Kim (mit der Bewältigung von Königin der Nacht-ähnlichen Höhensphären!) ist Nerone; wenn die Beiden dann am Schluss ihr nicht von dieser Welt scheinendes Ritornello "Pur ti miro, pur to godo" [jeder kennt es!] anstimmen und die Poppea derart sphärisch in das Weltall forthinlichtert, weiß man letztlich nicht mehr, was man über so viel Suggestionskraft alles sagen oder schreiben sollte...
Mezzosopranistin Lucile Richardot (und wir erklärten sie bereits zu unserm Liebling aus den beiden andern Aufführungen: Messageria in L'Orfeo und die Penelope im Ulisse) war nunmehr als Amme Arnalta erlebbar - eine komische Rolle, der sie kraft auch ihres schauspielernden Urtalents einen ganz individuellen Stempel aufdrückte; ihr fast dahingehauchtes Schlaflied "Adagiato, Poppea" bewies dann auch erneut, welch großartige Sängerin sie ist!
Nicht unerwähnt sein dürfen außerdem: Marianna Pizzolato (als Ottavia), Gianluca Burartto (als Seneca) sowie das Gegenspieler-Paar Carlo Vistoli & Anna Dennis (als Ottone und Drusilla).
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Dreieinhalb Stunden danach: ein unbeschreibliches Benommenheitsgefühl.
Unfassbar schön.
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Dmitry Baltermants, Show window, Anfang der 1960er, Farbdruck
© Multimedia Art Museum, Moscow / Moscow House of Photography Museum
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Andre Sokolowski - 6. September 2017 ID 10233
L´incoronazione di Poppea (Philharmonie Berlin, 05.09.2017)
Halbszenische Aufführung
Regie: Elsa Rooke und Sir John Eliot Gardiner
Kostüme: Isabella Gardiner und Patricia Hofstede
Lichtdesign: Rick Fisher
Besetzung:
Poppea/Fortuna ... HANA BLAŽÍKOVÁ
Nerone ... KANGMIN JUSTIN KIM
Ottavia ... MARIANNA PIZZOLATO
Seneca ... GIANLUCA BURATTO
Ottone ... CARLO VISTOLI
Drusilla/Virtú/Pallade ... ANNA DENNIS
Arnalta/Venere ... LUCILE RICHARDOT
Amore/Valletto ... SILVIA FRIGATO
Soldato I / Liberto ... FURIO ZANASI
Famigliari ... GARETH TRESEDER
Lucano ... ZACHARY WILDER
Damigella ... FRANCESCA BONCOMPAGNI
Mercurio/Littore ... JOHN TAYLOR WARD
Nutrice ... MICHAŁ CZERNIAWSKI
Soldato II ... ROBERT BURT
MONTEVERDI CHOIR
ENGLISH BAROQUE SOLOISTS
Dirigent: SIR JOHN ELIOT GARDINER
Monteverdi 450
Weitere Infos siehe auch: http://www.berlinerfestspiele.de
http://www.andre-sokolowski.de
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