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Mediterraner

Rock´n Roll,

Folk und

Blues...



Bewertung:    




Visione italian Americana

Singer-Songwritern aus Italien begegnet man hier in unserem Land nicht immer. Ich entdeckte nun die Ankündigung für Fabrizio Cammaratas Konzert für Dezember in München. Und fand die Neuveröffentlichung von Marta Collica:

Der Singer-Songwriter Fabrizio Cammarata kommt ganz aus dem Süden Italiens aus Palermo und ist nicht nur Musiker sondern auch Autor und Filmemacher. Sizilien läßt sich durch Cammaratas Sicht als "außergewöhnlicher Schmelztiegel höchst gegensätzlicher Einflüsse" sehen, als "ein Ort, wo Schmutz und Glamour, Geschichte und Zeitgeist, Kultur und Alltag, Frohsinn und Schwermut zu einer Art Erlebnispark der inneren Inspirationen und Empfindungen werden." Cammarata analysiert auch Religiöses und soll mitgeteilt haben: "... so wurden auch die Kirchen umgestaltet. Anstatt sie abzureißen, nahmen die neuen Besatzer sie in Beschlag, eliminierten die zu offensichtlichen Insignien der zuvor ausgeübten Religion und bauten ihre eigenen Architektur-Merkmale drüber.“ Fabrizio Cammaratas neueste Veröffentlichung heißt In Your Hands, und er erzählt dazu Schönes über Hände: "For In Your Hands, the video explores the choreographic potential of hands divorced from their typical physical context of the human body, as a parallel for the power struggles that inevitably arise in a relationship, as it turns sour. " Zu seinen aktuellen Lyrics sagte er: "...It only takes a total eclipse inside yourself...” Über "Long Shadows" und die Sonne meint er poetisch: "Sie ist verzweifelt und nervös." Der Gitarrist und Sänger wagt es und nennt als Vorbilder Nick Drake und Bob Dylan. Cammarata hat mit seiner italienischen Mentalität und seinem Bezug zu amerikanischem Songwriting tatsächlich einen ganz eigenen und sonderbaren Stil gefunden. Damit fühlt er sich auch in Verwandtschaft zu dem namhaften italienischen Songwriter Fabrizio de André. Als Filmemacher arbeitet Cammarata mit Luca Lucchesi zusammen, der in Berlin lebt. In mehreren Ländern und Szenen heimisch und nicht selten idyllische Momente findend sind seine Folksongs etwas reizend Spezielles. So hat er auch schon mit anderen Individualisten und Eigenbrötlern wie Damien Rice, Patti Smith, Ben Harper, Iron & Wine, Hindi Zahra und Daniel Johnston kollaboriert. Mit In Your Hands zeigt Cammarata auch eine Version des mexikanischen „La Llorana“. Die neue EP ist Vorabveröffentlicchung zum Album, das im November kommen soll mit Dani Castelar.

Plötzlich erinnere ich mich an Lucio Dalla, einen italienischen Cantautori, der von 1943 bis 2012 lebte. Innovativ nicht nur mit Folk sondern auch mit Jazzelementen und anderer Musik aus mehreren Genres arbeitend war der Singer-Songwriter am Klavier, am Saxofon und an Klarinette mit betörend schönen Kompositionen zu hören. Die canzone d’autore des auch an Kunst und Politik interessierten Professors, Poeten und Musikers Lucio Dalla konnten rockig sein und hatten experimentelle Momente und waren manchmal liebevoll romantisch. Er gehörte zu den Intellektuellen in der italienischen Liedermacherszene. Sein letztes Album Angoli Nel Cielo wurde 2009 veröffentlicht. Lieder dieses autore und cantante sind viel zu rar und schade für's Vergessen.

Musik kann so etwas wie eine Sonnenfinsternis sein, das meint nicht nur Fabrizio Cammarata sondern auch Marta Collica, dem Sound ihrer Songs nach zu urteilen. Die italienische Singer-Songwriterin und Wahlberlinerin Marta Collica aus Sizilien mag die Stimmung nächtlicher Straßen wie in "Outside for a walk" und ist wie Fabrizio Cammarata mit ihrer Arbeit in Deutschland, Italien und Amerika heimisch. Sie kreiert als Multi-Instrumentalistin ein eigenes introspektives Gebräu aus Folk, Americana und Blues. Was sie ähnlich andernorts mit der John Parish Band und Hugo Race und Sepiatone herstellt. Als musikalische Partner hat sie noch Rachel Maio und Davide Mahony. Marta Collica spielt Gitarre, Keyboards, Percussions und ist Sängerin. Sie nennt die Unmittelbarkeit einen Schlüssel zur Ästhetik und ihr neues Album Inverno mit dem Komponisten und Gitarristen Cam Butler "eine sehr intime und private Angelegenheit". Dabei soll die Reflexion die Oberhand über die Aktion haben. Der Albumtitel Inverno bedeutet Hexenkessel und Hölle. Vielleicht ist sie durch diese gegangen, jedenfalls schafft sie eine zwielichtige, dunkle Atmosphäre. Manchmal in Relation zum sonderbaren Kontext von Kinofilmen von David Lynch. Musik in geheimnisvollen Musikclubs frönen, Stimmungen von Stadtmenschen wie "In his Town" teilen, minimalistische Songs lieben und skurrile Träume: So einfach scheint das für Marta Collica e quelli come te. In einer Welt mit Leuten sein, die aus schwierigen Situationen etwas Positives hervorbrigen gehört zum kreativen Potential von Collica. Beh!?


Brève apparition en France

Auf der Suche nach aktuell nennbaren französischen Alben erinnere ich erstmal an einige Chansonniers der Vergangenheit. Manche Namen gibt es, die viele sofort kennen. Aus einer Musikerfamilie avancierte Sylvie Vartan in erfolgreiche Chanson-und Popwelten. France Gall lebt mit Beziehungen und erotischem Flair in Chansonerfolgen. In einfachem Schaustellermilieu wuchs Édith Piaf auf und wurde zum Showstar. Françoise Hardy performt als markante Yéyé-Pop- u Chansonsängerin und Songwriterin. Jacques Dutronc ist der Sänger, der mit Françoise Hardy verheirat ist. Juliette Gréco zählte damals zum Umfeld der französischen Existentialisten. Georges Brassens war nicht nur Sänger, sondern auch Dichter und Schriftsteller. Der Belgier Jacque Brel sang in französischer Sprache, machte in Paris durch Liedern mit expressiven Momenten Karriere und wurde auch von anderen interpretiert. Der Song-Poet Léo Ferré galt als widerspenstiger Vertoner und Komponist. Temperament wurde Gilbert Bécaud nachgesagt. Serge Gainsbourg war als Chansonnier, Komponist und Autor immer wieder Provokateur. Die Stücke von Alain Souchon sind wie ein Mix aus Beat, Pop und Chanson. Soviel für Chansonliebhaber als eine kurze Rückblende auf einige Jahrzehnte der französischen Musikgeschichte.

Les Rita Mitsouko nahmen Anfang des Jahres 1984 im Kölner Conny Plank-Studio das Debüt-Album Rita Mitsouko auf. Zum Song "Marcia Baila" für dieTänzerin und Choreografin Marcia Moretto wurde ein Video mit Kostümen von Jean-Paul Gaultier und Thierry Mugler auch im Museum of Modern Art gezeigt. Der Name Les Rita Mitsouko bedeutet im japanischen "mystisch", dürfte sich beziehen auf die Schauspielerinnen und Tänzerinnen Rita Hayworth und Rita Renoir. Der Name ist auch ein Parfum der Firma Guerlain. Die Exzentriker Les Rita Mitsouko sahen sich in Relation zu Musikern wie David Bowie, Roxy Music oder auch Robert Smith und Marc Almond .

Les Rita Mitsouko existierte von 1980 bis 2008 und spielt avantgardistischen, punkigen Rock und Pop mit experimentellen Hip-Hop- Jazz- und Worldmusic-Elementen und theatralischen, ironischen Gesten. Das Duo aus Paris und Chlichy bestand aus Catherine Ringer (Gesang, Bass, Komposition ) und Frédéric Chichin (Synthesizer, Gitarre), die beruflich und privat ein Paar waren. Sie standen anfangs in kleinen Lokalen und Clubs auf der Bühne, bevor sie Theater und Hallen bespielten. Und wurden schließlich sogar von Jean-Luc Godard beachtet. Nach dem Tod von Frédéric Chichin im Jahr 2007 veröffentlichte Catherine Ringer noch einmal alleine, beendete dann das Bandprojekt Les Rita Mitsouko und 2011 gab es die Solo-LP Ring'n Roll.

Folk, Rock und Retro gehört zur Arbeit der Songwriterin Françoiz Breut. Sie galt als eine etwas unnahbare, melancholische Musikerin und Sängerin. Nicht zu überhören eine langjährige Arbeitsbeziehung zu Calexico und Verwandtschaft zum amerikanischen Songwriting. Nicht so leicht konsumierbare Melodien und seltsame Inhalte gehören immer zu ihrer sperrigen Persönlichkeit und ihrem French Pop. Mit dem britischen Produzenten Adrian Utley, der Gitarrist von Portishead ist, kreierte Breut nun für Zoo eine versponnene Fabelwelt mit Tiergestalten in einer Klangwelt mit Mitmusikern. Schöner sind eigentlich ihre puristischeren, existenzialistischeren Americana-like Alben. Ihre derzeitge Phase hat etwas merkwürdig Fantasie- und Soundmäanderndes. Breuts einfach spröde Songs der Vorgänger-Alben gibt es immer noch.

Das Wort "Land" ist dreisprachig und gehört zum Deutschen, Englischen und Französischen. Und ist als Lande eine Region in Südfrankreich. Die Chansonsängerin und Singer-Songwriterin Fredda hat den French Folk ihres 5. Albums mit Land betitelt. Als ich erstmals Freddas Chansons hörte, war mit sofort klar, dass sie amerikanisches Songwriting bis in Details kennt und analysiert hat für ihr eigenes Arbeiten. Und dabei hat ihr etwas herber, spröder Charme mein Interesse geweckt. Eine Gegend oder Landschaft wird durch den Menschen definiert und Freddas CD Land soll wie ein offenes Areal zum Erkunden sein: "...nicht Flucht, sondern die Schaffung eines eigenen imaginierten musikalischen Territoriums" ist Thema im Kontext von Migation, Heimatlosigkeit, Entwurzelung, Nomadentum und Beobachtungen von Reise, Exil, Odysse. So wird man theoretisierend informiert und auch mit dem Song "Sur la lande" konfrontiert. Allerdings assoziieren andere mit dem Wort und Begriff "Land" eher Heimat, Wohnen und Zuhause. Fredda wurde 1969 als Frédérique Dastrevigne in den Vogesen geboren und lebt mittlerweile in Paris. Und klingt nicht entwurzelt, sondern präzisiert sich und ihr Leben.

Hört und sieht man sich Freddas Arbeit näher an, erhält man auch die Info: "Haiku-Chansons mit US-Akzent - Fredda erfindet ihr eigenes musikalisches Land." An Amerika habe ich sofort gedacht im Zusammenhang mit Freddas Songs, nicht aber an Asien. Ich erfahre, dass Fredda sich darüber definiert Chansons inspiriert durch japanische Gedichtformen mit dem Sound der US-Wüste zu garnieren. Das ist vielleicht etwas weit hergeholt. Aber Poesie muss keine engen Grenzen haben und kennt viele Formen: "Die Texte gleichen einer Poesie der Aufmerksamkeit und des Moments, wie eine Ausprägung von japanischen Gedichtformen, den Haikus...Wenn der Klang der Worte allein schon Poesie wird und keine Übersetzung braucht,dann ist eine Sängerin Texterin und Komponistin am Werk, die frankophonen Pop in eine Kunstform verwandelt." (Kerkau): Fredda arbeitet dabei mit Pascal Parisot zusammen. Andere bisher bekannte Partner von Fredda sind der Amerikaner Jim Waters in Tuscon Arizona und der Franzose Sammy Decoster. Fredda klingt mit Nouvelle Chansons sehr nach Americana und dem Wissen von Folk, Blues und Jazz. Und zeigt dabei ihren eigenen Charakter, eine starke Persönlichkeit und ist auch eine souveräne Gitarristin. Anfang nächsten Jahres kommen ihre nächsten Konzerttermine ergänzend zu Land in Deutschland.

Von Sänger, Songwriter und Schauspieler Johnny Hallyday wurde 2015 De l’amour veröffentlicht. Hallyday, der manchmal die Attitude eines Rebellen mochte, lebt familiäre Beziehungen zum französischen und amerikanischen Showbusiness. In der deutschen Musikszene spielte er früher einmal mit Achim Reichel und den Rattles. Johnny Hallyday liebt den Rock 'n' Roll. Und das Album De l’amour bringt Chansons und Rock 'n'Roll auf nicht uncharmante Art und Weise zusammen. Sein unverkennbarer Stil sind amerikanisch klingende Chansons und französischer Rock 'n' Roll von schwer eigenwilliger Machart mit leicht kommerzellem Touch.

Soweit neues Songwriting mit meditarranem Flair und amerikanischen Roots.
Tina Karolina Stauner - 21. September 2017
ID 10268
Neue Alben aus Italien und Frankreich:

Fabrizio Cammarata
In Your Hands
(Haldern Pop /Kartel Music Group, 2017)

Lucio Dalla
Angoli Nel Cielo
(Sony Music, 2009)

Marta Collica
Inverno
(Solaris Empire, 2017)
http://www.martacollica.com

Les Rita Mitsouko
Rita Mitsouko
(Parlophone Label Group / Warner, 1987)

Françoiz Breut
Zoo
(Le Pop Musik / Groove Attack, 2016)

Fredda
Land
(Le Pop Musik / Groove Attack, 2017)
http://www.fredda-music.com

Johnny Hallyday
De l’amour
(Warner, 2015)
http://www.johnnyhallyday.com


Post an Tina Karolina Stauner

tkstauner.blogspot.com

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