Gespenstergruft-
Geplänkel
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Susanne Blattert als Ela Longspée und Giorgos Kanaris als William Longspée in Geisterritter an der Oper Bonn | Foto (C) Thilo Beu
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Bewertung:
In einer Dauerschleife rauschen auf der Bühne vor Vorführungsbeginn bewegte Bilder vorbei – virtuelle Landschaften mit windbewegten Bäumen und Flüssen. Noch vor Beginn deutet sich so in Geisterritter vom Kalifornier James Reynolds an, dass Videoinstallationen das Bühnengeschehen bereichern werden. Die Uraufführung der Kinderoper beruht auf dem gleichnamigen, 2011 erschienen Romanbestseller der gebürtigen Dorstenerin Cornelia Funke. Auch die Erfolgsautorin arbeitet selbst viel mit Bildern, illustriert sie doch teilweise ihre Kinderbücher mit eigenen Zeichnungen oder beauftragt externe Illustratoren mit deren aufwendiger Bildgestaltung. Das Publikum wird nach dem Vorspiel sogleich in das Theatererlebnis einbezogen, indem zu einem brüllenden Sound farbiges Licht über den abgedunkelten Zuschauerrängen rotiert.
Erzählt wird die Geschichte vom elfjährigen Jon Whitcroft, dessen Vater vor längerem gestorben ist. Da sich Jon mit dem neuen Mann seiner Mutter nicht versteht, wird er auf ein Internat in Salisbury geschickt. Hier angekommen, kann er nicht einschlafen, weil er sich abgeschoben fühlt. Am nächsten Morgen nimmt er furchteinflößende, vampirartige Geister im Klassenzimmer wahr, die ihn jagen und fressen wollen. Die anderen Schüler können die Geister nicht sehen und halten ihn für verrückt. Nur die Mitschülerin Ella nimmt ihn ernst, und er erzählt ihr von seinen Eindrücken. Ella bringt Jon zu ihrer Großmutter Zelda, die für Touristen Geisterführungen anbietet. Bald begeben sich Ella und Jon auf eine Expedition in Kathedralen und auf Friedhöfe, um dem Geheimnis der Untoten auf die Spur zu kommen.
Wechselnde Bühnenbilder überraschen mit sehenswertem Detailreichtum. Auch die Kostüme von Kristopher Kempf sind bemerkenswert. Die Kinder sind durch ihre blauen Schuluniformen gut erkennbar. Die Vampire - in lange schwarze Gewänder gehüllt - tragen Perücken mit wallend langem, grauem Haar und Pferdeköpfe, die ihre Arme verlängern. Besonders eindrucksvoll ist jedoch der Chor in der Kathedrale – hier lehnen die Geister erstarrt wie unbewegliche Statuen aus Stein an den Wänden, bevor sie sich langsam regen und gespenstisch kleine Bewegungen vollführen. Insbesondere der gekonnte Einsatz von Licht und Schatten schafft hier wirkungsvolle Raumeindrücke.
David Fischer stattet seinen zunächst ungeschickten und furchtsamen, doch langsam zum mutigen Geisterritter aufblühenden Jon mit einer jugendlich-klaren und nuancierten Tenorstimme aus. Schon bald verschafft er sich den nötigen Raum, um Widersacher in ihre Schranken zu weisen. Marie Heeschen gibt die starke, mutige und von den Jungs umschwärmte Ella mit selbstbewusstem mimischen und gestischen Spiel und leuchtend wohlmoduliertem Sopran. Countertenor Bernhard Landauer mimt den Untoten Lord Stourton, der seine dämonischen Pläne in der Tonlage des Altus mit langgedehnten hellen Tönen dramatisches Flair verleiht. Leider fehlt es ein bisschen an stimmlicher Beweglichkeit und Volumen, um seine Figur mächtiger und furchteinflößender klingen zu lassen. Susanne Blattert überzeugt schließlich in den Rollen der Zelda Littlejohn und der Ela Longspée mit feinem, ausdrucksstarkem und nahezu lyrischem Mezzosopran und bringt so ihre divenhaften Figuren effektvoll zur Geltung.
Der beim Abschlussapplaus gefeierte Publikumsliebling ist schlussendlich der 27jährige Cedric Sprick. Als vielleicht präsenteste der drei Kröten Zeldas lenkt er mit flinken Grooves die Aufmerksamkeit tänzerisch unvermittelt auf sich, wenn er sich elegant um die eigene Achse dreht und dabei cool rappend den getragenen Opernklang bricht. Unterstützt wird er gekonnt von den beiden übrigen Kröten Maxim Yurin und Niklas Linder, Mitgliedern des Jugendchors des Bonner Theaters, die ebenfalls Rhythmusgefühl bei den Hip Hop Moves und beim Sprechgesang beweisen. Die Wuppertaler Choreographin Yara Hassan hat ganze Arbeit geleistet, wenn zu guter Letzt sowohl Eltern, Schüler und Lehrer samt Geistern und Vampiren einträchtig und feierlich im Rhythmus ihres Endlos-Raps „und jetzt ist Schluss“ synchron eine Formation auf der Bühne bilden.
Die Geschichte ist wahrlich sehr kindgerecht einfach mit etwas Würze und Pep aufbereitet. Auftretende Probleme lösen sich alsbald in Luft auf, und brav wird gegen Ende eine traute Einigkeit vorgeführt. Für die etwas espritarme Story entschädigen neben den gesanglichen Leistungen insbesondere die effektreichen Bühnenbilder und die phantasievollen Kostüme. Besonders die jungen Zuschauer im Publikum mag der bunte Mix von Operngesang mit Rap, Schlager und Tanz überzeugen. Nach Ronja Räubertochter und Vom Mädchen, das nicht schlafen wollte ist Geisterritter der dritte Beitrag der Reihe Junge Opern Rhein-Ruhr im Haus am Boeselagerhof, einem deutschlandweit einzigartigen Projekt, das das Theater Bonn gemeinsam mit der Deutschen Oper am Rhein und dem Theater Dortmund umsetzt, um den Bereich der Kinder- und Jugendopern deutlich zu stärken. Insgesamt wahrlich eine Bereicherung insbesondere für das junge und das noch jung gebliebene Publikum.
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David Fischer als Jon Whitcroft und Marie Heeschen als Ella Littlejohn mit dem Chor des Theater Bonn in Geisterritter an der Oper Bonn | Foto (C) Thilo Beu
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Ansgar Skoda - 2. Januar 2018 ID 10450
GEISTERRITTER (Oper Bonn, 30.12.2017)
Musikalische Leitung: Daniel Johannes Mayr
Regie: Erik Petersen
Bühne und Video: fettFilm
Bühnenbild Mitarbeit: Markus Boxler
Kostüme: Kristopher Kempf
Choreographie: Yara Hassan
Licht: Thomas Roscher
Choreinstudierung: Marco Medved
Einstudierung Jugendchor: Ekaterina Klewitz
Besetzung:
Jon Whitcroft … David Fischer
Ella Littlejohn … Marie Heeschen
Zelda Littlejohn/ Ela Longspee … Susanne Blattert
William Longspee … Giorgos Kanaris
Angus … Fabio Lesuisse
STU … Julian Kokott
Lord Stourton … Bernhard Landauer
Alma Popplewell … Anjara I. Bartz
Edward Popplewell … Gintaras Tamutis
Mr. Rifkin … Martin Tzonev
u.v.a.
Chor des Theater Bonn
Beethoven Orchester Bonn
Uraufführung war am 3. Dezember 2017.
Weitere Termine: 06., 12., 25., 30.01./ 05., 25.02./ 04.03.2018
Eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg und dem Theater Dortmund
Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de
Post an Ansgar Skoda
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