Ninas Kampf gegen den Paragrafen 63 StGB
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Nina Hagen im BE - Foto (C) Steffen Kühn
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Bewertung:
„DIE WELT RAUCHT UND BRAUCHT ... BRECHT IN ECHT IM BE, ein leidenschaftliches Plädoyer für die Aktualität, Wahrheit, Dringlichkeit und Einzigartigkeit der Friedens-Botschaften in den vielen Brecht-Songs und Texten, die aus seinen unterschiedlichsten historischen Theaterstücken stammen, die ich übrigens seit meinem 12. Lebensjahr als unbekannte Ostberlinerin viele Abende lang – für 55 Pfennig!! – oben im 2. Rang des Berliner Ensembles angeschaut und fasziniert studiert habe: Brecht-Theaterstücke und Lieder, die mich und meine Musik & Lebens-Kunst ganz wunderbar geprägt haben...“ (Quelle: berliner-ensemble.de)
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Nina Hagen braucht den großen Auftritt. Unter dem BE macht sie es nicht, neben Brecht stellt sie sich gern. Das Haus [am 13. Oktober 2014] ist voll. Das Publikum ist hoch erregt, eifrig macht man Fotos voneinander.
Nina Hagen ist der Energy-Drink unter den Entertainern. Mit Fred Sauer am Piano, Warner Poland an der Gitarre und einem weiteren Musiker am Bass fegt sie durch die Brechtliteratur. Ihre Stimme ist zwar nicht mehr ganz so kräftig wie zu Zeiten des vergessenen Farbfilmes, aber die vielen Oktaven, die sie mit ihrer Stimme abdeckt, beeindrucken immer noch, besonders die tiefen Passage, wenn man das Gefühl hat, ihre Stimmbänder sind aus Sandpapier.
Auf der Bühne Family-und-Friends-Atmosphäre, neben Nina auf der Couch sitzt Ilona Haslbauer. Sie lebte zwangsweise in einer geschlossenen Psychiatrie. Angefangen hat es mit einem "dummen Missverständnis", so nennt es Haslbauer. In einem Supermarkt habe sie mit einem Einkaufswagen eine andere Kundin gerammt, der Zusammenprall eskalierte. Haslbauer wird wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu vier Monaten Haft verurteilt. Das ist jedoch nicht alles: Laut Gutachten leidet sie an einer wahnhaften Störung, gilt als Gefahr für die Allgemeinheit. Nach Ansicht der betreuenden Ärzte scheiterten alle Therapien. Seit November 2007 war Haslbauer nach Paragraf 63 in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht. Jedes Jahr steigt die Anzahl der Menschen, die in Deutschland in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen werden. Im Jahr 2012 waren es mehr als 6700. Das ist Ninas neues Thema - Abschaffung des Paragrafen 63. Gedichte aus der Zwangspsychatrie von Ilona Haslbauer werden verlesen und vertont. Ein wenig verwundert reibt man sich die Augen, nachdem der Abend immer mehr in diese Richtung gleitet.
Was hat das mit Brecht zu tun? Eigentlich gar nichts, und das wäre nicht schlimm, wenn man die Veranstaltung auch ganz in diesem Sinne angekündigt hätte. So bleibt das komische Gefühl, mit Brecht und Nina zu einer Werbeveranstaltung gegen den Paragrafen 63 verführt worden zu sein.
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Nina Nagen im BE - Foto (C) Steffen Kühn
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Steffen Kühn - 16. Oktober 2014 ID 8172
Weitere Infos siehe auch: http://www.berliner-ensemble.de
Post an Steffen Kühn
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