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Kurzportrait

PETER

SCHREIER


Die Deutsche Staatsoper Berlin - jahrzehntelanges "Stammhaus" des Tenors - ehrte den Jubilar auf ihre Art


Der gut gelaunte Peter Schreier (80) im Gläsernen Foyer der Staatsoper im Schiller Theater | Foto (C) Thomas Bartilla


Die Stimme Peter Schreiers hatte mich die Zeit kurz nach der Pubertät - seitdem ich (15 oder 16jährig) mit Klavier- und Kontrabassstunden begann und musikalisch (also menschlich) nicht nur daher im "Erweckungszustand" war - mein Leben lang begleitet. Als ich den Tenor in 1979 erstmals live ersah - in La clemenza di Tito, der tollen Berghaus-Inszenierung an der Deutschen Staatsoper Berlin - fühlte ich mich gradezu privilegiert; es war nicht selbstverständlich, diesen Weltreisenden ausgerechnet dann an seinem Stammhaus zu "erwischen", wenn man (als Provinzmaus) eine Extratour von Gera/Ostthüringen nach Berlin/Hauptstadt der DDR in enthusiastischster Erquickung unternahm und er also besetzungsplanhaft angekündigt war - es hätte trotz der Vorgewissheit (dass er singen soll) ja auch etwas dazwischen kommen können; auch so Weltstars sind nicht immer stimmlich auf der Idealhöhe... Und trotz dass er dann tatsächlich und live zugegen war, vermerkte der Besetzungszettel eine für ihn weltseltene Indisposition; ja und ich litt und litt mit ihm und drückte ihm die Daumen, dass er tapfer durchhielt.

Zwei Jahre darauf (in 1981) sah ich Schreier dann zum ersten Male dirigieren - wieder in Berlin (an seinem Stammhaus), wieder eine Berghaus-Inszenierung (Idomeneo) - ich erinnere mich noch sehr gut an all die Frische und an all die Schmissigkeit, mit der er Mozarts Partitur schier durchzuwirbeln schien; ja, unvergesslich.

Doch das Beste und das für mich Unvergesslichste kam dann erst 1983 - Schreier sang den Palestrina von Hans Pfitzner [Otmar Suitner hatte ihn und diesen ungeheuerlich betörend-schönen Palestrina, also mit dem Schreier und der Staatskapelle, für die Schallplatte hinüberretten können; das gesamte Großteam führte Pfitzners musikalische Legende 1986/88, als sie an der Staatsoper längst abgespielt war, im Konzerthaus am Gendarmenmarkt noch einmal auf]; ja und ich war von ihm und dieser Produktion emotional erschüttert bis ins Mark.

Er sprach die Rolle heute - anlässlich der Nachgeburtstagsfeierstunde, die die Staatsoper im Schiller Theater für den Jubilar ausrichtete - ausdrücklich nochmal an und sagte, dass sie für ihn zu den künstlerisch schönsten Ereignissen seiner so langen Ausnahmekarriere zählte. (Jürgen Flimm, der unter all den Anwesenden resp. eingeladenen Geburtstagsgästen wohl als Unbeteiligtster in puncto Peter Schreier gelten musste, flapste dann auch etwa so: "Sie müssen Tausende, ach was sage ich, Hunderttausende Jahre gesungen haben.")

Daniel Barenboim benutzte die Gelegenheit der nachmittäglichen Zusammenkunft, um so an seine eig'ne künstlerische Erstbegegnung mit dem Schreier zu erinnern: Er sprang 1969 für den Dirigenten Otto Klemperer beim Philharmonia Orchestra in der Festival Hall London ein, das Mozart-Requiem stand auf dem Programm, und Barenboim (zu dieser Zeit erst 27 Jahre jung) hatte zuvor noch niemals einen Chor geleitet - Schreier (an der Seite von Lucia Popp, Franz Crass und Yvonne Minton singend) hätte ihm dann, mittels Blickkontakt, einen schier kompliziert scheinenden "Einsatz" hinsichtlich des Benedictus vorgegeben, ja und Barenboim fühlte sich so von ihm "gerettet"; eine schöne Anekdote.



Daniel Barenboim erzählt von seiner künstlerischen Erstbegegnung mit Peter Schreier, was sehr gut bei den Gästen ankommt - ganz besonders gut beim 101jährigen Staatsopern-Altintendanten Hans Pischner (3. v. re.) | Foto (C) Thomas Bartilla


Die Geigerin Susanne Schergaut, die im Namen des Orchesters etwas sagte, tat dann auch an solch eine bizarre Episode kurz erinnern, wonach wohl die Königin von Dänemark, die ein besonders ausgeprägtes Lieblingssängerfaible für den Schreier hegte, ausgerechnet ihn, und zwar nur ihn, als Ferrando in Mozarts Cosi fan tutte erleben wollte - prompt wäre der Startenor, und eigens zu dem Zweck, nach Kopenhagen ausgeflogen worden. Er war freilich immer schon einer der besten Botschafter der DDR im Westen.

Außer Pfitzners Palestrina, aller Haupt-Tenorrollen sämtlicher Mozart-Opern oder Wagners David, Loge, Siegfried-Mime (um nur ein paar wesentliche Bruchteile des Schreier-Repertoires aufzugreifen) war sein sängerisches Weltberühmtsein untrennbar mit deutschem Kunstliedgut und insbesondere mit Schuberts Schöner Müllerin und dessen Winterreise (auch so'n letztes Werk, das er sich erst im reifen Sängeralter zu gestalten vorbehielt) verbunden. Angefangen hatte der in Meißen Geborene jedoch als Kind-Altist beim Dresdner Kreuzchor, 1943, wo er sicherlich auch seine allererste Bach-Erfahrung machen konnte. Jahre und Jahrzehnte später wurde/blieb er der unangefochtenste Evangelist der beiden Bach-Passionen; es gibt mit ihm Dutzende Tondokumente, die seine solistische Entwicklung hiermit auf das Imposanteste belegen. Wie er - erstmals wohl in Dresden mit der dort seit 1548 (!) existierenden Institution der Sächsischen Staatskapelle - in Personalunion die beiden Bach-Passionen sang UND dirigierte, konnte man so in den 1990ern weltweit in echt erleben; ich hatte das Glück, ihn hiermit, quasi "doppelt", im Leipziger Gewandhaus gehört und gesehen zu haben. Es war sensationell!!

2000 sang er seinen Zauberflöte-Tamino letztmals in der Lindenoper, mit der Rolle nahm er seinen endgültigen Abschied von Berlin. Fünf Jahre später sollte er die Winterreise (mit dem Dresdner Streichquartett) erneut auf Tonträger interpretieren - diese singuläre Produktion wurde erst jetzt und also um 10 Jahre zeitversetzt CD-veröffentlicht. Und: Nächsten Sonntag (20. September) wird der Achtzigjährige noch einmal in der Dresdner Kreuzkirche das Mozart-Requiem dirigieren.

Peter Schreier, Ihnen alles Gute!



Peter Schreier mit Gattin und Alt-Staatsopernintendant Hans Pischner im Gläsernern Foyer des Berliner Schiller Theaters | Foto (C) Thomas Bartilla

Andre Sokolowski - 14. September 2015
ID 8865
Musikerinnen und Musiker der Staatskapelle Berlin formierten sich - mit Gästen - zum ehemaligen Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach (mit dem Peter Schreier seinerzeit zahlreiche Konzerte und Plattenaufnahmen machte) "zurück" und spielte etwas Bach und Mozart für den Jubilar.

Die Rundfunk-Moderatorin Bettina Volksdorf interviewte den Sänger und Dirigenten.

Daniel Barenboim beschloss die nachmittägliche Geburtstagsfeier mit dem As-Dur-Impromptu von Schubert.

Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de


http://www.andre-sokolowski.de

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