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Martin

Grubinger

Abschied von einem Superstar


Martin Grubinger 2014 | Foto (C) Frank C. Müller, Baden-Baden; Bildquelle: Wikipedia


Für die Grubinger-Fans war dieses Konzert Grund für Jubel und für Trauer zugleich. Jubel, weil Martin Grubinger immer Anlass gibt für Begeisterung. Und Trauer, weil er, noch nicht ganz 40 Jahre alt, das Ende seiner Konzerttätigkeit angekündigt hat. Das ist ein nicht alltäglicher Vorgang. Ein Ausnahmekünstler hört auf dem Höhepunkt seiner Karriere auf und beschließt, einen ganz anderen Weg einzuschlagen. Grubinger hat die Absicht, Geschichte zu studieren. Seine Professur, also die Lehrtätigkeit am Salzburger Mozarteum, will er fortsetzen.

Das Konzert mit dem SWR Symphonieorchester dirigierte nicht dessen in Athen geborener und mit 22 Jahren nach Russland übersiedelter (Noch)Leiter Teodor Currentzis, sondern der in Moskau geborene und aufgewachsene und vorwiegend in Finnland lebende Dirigent Dima Slobodeniouk. In einem Interview, dass der Musikjournalist Georg Rudiger in zahllosen Medien zwischen Ravensburg, Salzburg und Esslingen veröffentlicht hat, sagt Grubinger:



„Musikalisch bin ich ein großer Bewunderer von MusicAeterna und dem SWR Symphonieorchester unter Teodor Currentzis. Politisch würde ich die Frage historisch beantworten wollen. Man hat immer die Wahl. Man kann Toscanini sein oder Karajan – beides außergewöhnliche Persönlichkeiten. Aber Toscanini hat, was sein Verhalten gegenüber den Nazis oder dem faschistischen Regime in Italien angeht, besser in den Spiegel schauen können. Ich ziehe es vor, mit Künstlern in Austausch zu treten, die lieber Arturo Toscanini sein wollen als Herbert von Karajan. Oder anders gesagt – Opportunisten und Wendehälse sind so gar nicht mein Ding.“


Eine diplomatische, zugleich aber unmissverständliche und nachvollziehbare Auskunft eines Musikers, der sich als politischer Zeitgenosse versteht. Als Schlagzeuger und als angehender Historiker.

*

Die erste Hälfte des Konzerts gehörte Martin Grubinger und dem für ihn geschriebenen und im vergangenen Jahr uraufgeführten Konzert für Schlagzeug und Orchester des isländischen Komponisten Daníel Bjarnason mit dem Titel Inferno. Der Solist steht im wörtlichen wie im übertragenen Sinn im Vordergrund. Auch rein äußerlich: Er trägt ein schwarzes T-Shirt vor einem, mit Ausnahme des Dirigenten und der Frauen, befrackten Orchester. Die Komposition ist ganz auf das Schlagzeug ausgerichtet, überlässt dem Orchester eher unspektakuläre, fast impressionistische Klangflächen. Grubinger spielt geraume Zeit vorwiegend auf dem Marimbaphon. Im zweiten Satz treten zwei Paukisten an die an der Rampe in der Liederhalle stehenden Pauken und „wärmen auf“. Dann gesellt sich Martin Grubinger zwischen die beiden hinzu und verändert im Spiel, also nicht unbemerkt in den Pausen seines Instruments, mittels der Kurbel die Tonhöhe, benützt die Pauke also als nicht nur stimmbares, sondern als Melodieinstrument. Ein wenig erinnert das an die Situation, als der Kontrabass im Jazz die Rhythmusgruppe verließ und sich einen Platz als Soloinstrument eroberte.





Nach der Pause dann, ohne Grubinger, Strawinskys Feuervogel. Er erzählt im Konzertsaal, also ohne Tänzer, eine Geschichte, ist Programmmusik im engen Verständnis, funktioniert aber zugleich als „autonome“ oder „absolute“ Musik. Das Finale, das so verblüffend an das gravitätische Ende von Mussorgskis Bildern einer Ausstellung gemahnt, provoziert nahezu unausweichlich einen Applaus, der hinter jenem für die virtuose Solo-Zugabe Martin Grubingers in nichts nachstand. Es geht also weiter, auch wenn nur noch in der hintersten Reihe auf die Pauke gehauen wird.
Thomas Rothschild – 11. Februar 2023
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