Happy
Birthday!
דניאל בארנבוים; * 15. November 1942
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Daniel Barenboim in "seiner" wiedereröffneten Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Christian Mang
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Vor über 20 Jahren sah ich Daniel Barenboim zum ersten Mal nach einer von ihm dirigierten Aufführung vor einem Vorhang stehen - das war nach der legendären Heiner Müller-Inszenierung Tristan und Isolde auf dem Grünen Hügel; Müller lebte da bereits nicht mehr. Ich wunderte mich damals, dass der Pultstar nicht so groß ist, also von der Körpergröße her. Bis dahin sah ich ihn auch nur auf Covern in den Schaufenstern oder wenn ab und zu im Fernsehen was mit ihm lief. Mein Vorstellungsvermögen, was das bis dahin noch nicht erlebte Live-Bild von ihm anbetraf, war zu der Zeit gewaltig, groß, um nicht zu sagen übergroß; ja und obgleich ich bis dahin noch keine, nein, nicht eine Aufnahme mit ihm auf Platte oder (später dann) CD bzw. DVD zuhause hatte. Ja und eigentlich wäre mir dieser erste Live-Begegnungskurzakt fast noch früher, nämlich nochmal fünf Jahre zuvor, zuteil geworden; doch weil sich die Parsifal-Aufführung in der Lindenoper ihrerzeit (wegen eines TV-Mitschnitts am 28. Oktober 1992) unendlicher Weise in die Länge zog, kappte ich halt entnervt mein Dortsein um den dritten Akt und konnte Barenboim daher nicht vor dem Schlussvorhang erstmals in live & echt erblicken. So also war das mit ihm und mir.
Apropos Schlussvorhang: Wenn mich nicht alles täuscht, war er es, der dann diese seither kulthaft fortbestehenden Final-Finalszenen nach jeder von ihm dirigierten Opernaufführung - indem er sich demonstrativ "unabgehoben" mit seinem Orchester auf der Bühne zeigt und den so aufbrausenden Extra-Beifall für diejenigen, die sonst ja meistens optisch unbemerkt und ungesehen im Orchestergraben weilen, kollektiv entgegennimmt - zur untilgbaren Tradition erhob; ich konnte später "fremde" Aufführungen und mit "fremden" Dirigenten und an "fremden" Häusern, die das imitiert hatten, erleben. Prima Zug.
Er ist (und wenn wir schon bei einem seiner größten Themen sind) DER Wagner-Dirigent unserer Zeit. Was mein persönliches Erfahrungspotenzial hinsichtlich seiner über 25 Jahre andauernden Taktstockschwingungen allein Unter den Linden angeht, kann ich nur das eine sagen: Sollte wer bis dahin es noch nicht geschafft haben, ihn jemals live beim Tristan zu erleben, würde es nun wirklich allerhöchste Zeit; ein absolutes Muss für Wagner-Kenner, doch wem sag' ich das?!
2001 forderte er, indem er in Jerusalem das Tristan-Vorspiel auf den Plan setzte, nicht nur die Überlebenden des Holocaust und ihre Angehörigen heraus. Sein eigenmächtiger Tabubruch während eines Gastauftritts mit "seiner" Staatskapelle (Wagner sollte [schon seit 1938] nicht in Israel gespielt werden; Bronisław Huberman, der Gründer des Palestine Orchestra, aus dem 1948 [dem Gründungsjahr des Staates Israel] das Israel Philharmonic Orchestra hervorgegangen war, sprach den Boykott bereits im Jahr der Reichspogromnacht aus) entgleiste zum Skandal. Warum das sein musste, fragte ihn seiner Zeit Der Spiegel, worauf Barenboim erwiderte: "Weil die Musik nicht ideologisch ist. Wagner war antisemitisch, aber seine Musik nicht. Hitler hat sich ihn als Propheten gewählt. Gott sei Dank nicht Brahms oder Bruckner." Immer wieder ließ er sich zu derart kindischen Vereinfachungen hinreißen; und wenn man ihre Quintessenz dann heute umkehrte, käme womöglich das hier dabei raus: Hitler war ein verkannter Kunstmaler, doch massenmorden wollte er wohl nicht.
Der argentinisch-israelische Pianist und Dirigent hat eine einzigartige Lebensgeschichte, die ihn v.a. als einen wahren Kosmopoliten ausweist. Und er ist es nicht bloß wegen seiner Herkunft und der vielen Lebensläufte bis zur Gegenwart, er ist es auch und ganz zuvörderst wegen seiner politisch überzeugten als wie überzeugenden und humanistisch vorgeprägten und gelebten Einstellung zu sich, zu uns und zu dem ganzen "Rest der Welt". So war, so ist, so bleibt es sicherlich noch eine ganze Weile
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Heute also hat er seinen 75. Geburtstag.
Alles Gute, Maestro!
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Daniel Barenboim bei einem Klavierabend mit Martha Argerich 2017 im Pierre Boulez Saal, Berlin | Foto (C) Peter Adamik; Bildquelle: boulezsaal.de
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Abends wird er - außer einer für ihn dedizierten Uraufführung (Stretta von Borowski) - wieder einmal Beethovens fünftes Klavierkonzert am Flügel spielen...
Freude hierauf, ungemein.
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Andre Sokolowski - 15. November 2017 ID 10374
GEBURTSTAGSKONZERT DANIEL BARENBOIM (Philharmonie Berlin, 15.11.2017)
Richard Strauss: Till Eulenspiegels lustige Streiche op. 28
Johannes Boris Borowski: Stretta Klavier und Orchester (UA)
Ludwig van Beethoven: Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73
Daniel Barenboim, Klavier
Staatskapelle Berlin
Dirigent: Zubin Mehta
Weitere Infos siehe auch: http://www.staatskapelle-berlin.de
http://www.andre-sokolowski.de
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