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Premierenkritik

So klang Berlin


Konzertante Wiederentdeckung von Paul Abrahams Operette MÄRCHEN IM GRAND-HOTEL


Sarah Bowden und Max Hopp in Märchen im Grand-Hotel an der Komischen Oper Berlin | Foto (C) Robert Recker

Bewertung:    



Nur konzertant inszeniert, und trotzdem oder gerade deshalb gelingt in der Komischen Oper Berlin wieder ein spritziger Operettenabend. Nach fünf Emmerich-Kálmán-Jahren entdeckt Intendant Barrie Kosky den jüdisch-ungarischen Operettenmeister Paul Abraham. Der Komponist liebte das elegante Leben in Grandhotels, das er selbst immer wieder genoss und komponierte für diese Operette wunderschöne Melodien mit Evergreen-Qualität.

Aus heutiger Sicht wirkt Märchen im Grand-Hotel sehr klischeehaft, mit drei Stunden im Original viel zu lang und zu flach, als konzertante Version allerdings sehr pfiffig und unterhaltsam; leichte Kost.

Ulrich Lenz und Max Hopp [neulich erst als Tevje in Anatevka an der KOB umjubelt] reduzierten den Text um 60 Prozent. Umgekehrt erweiterte Adam Benzwi die erhaltene Klaviernotierung mit sehr viel Empathie für Paul Abrahams Musik aufgrund seines eigenen deutsch-jüdisch-amerikanischen Hintergrunds um eine erfrischend schwungvolle Version für das Orchester der Komischen Oper Berlin. Er lässt die Chorpassagen vom Berliner Lindenquartett singen und fusioniert gekonnt Operette, Musical und Harmonists zu einer spritzigen Nummernrevue nach dem Motto: so wie Berlin früher klang.

Auch wenn die Mitwirkenden nur in einer Reihe sitzen, entsteht durch ihre Präsenz und ihre extrem unterschiedlichen Talente eine mitreißend szenische Dichte (szenischen Einrichtung: Barrie Kosky).

Der dramaturgische Clou ist die Rolle Max Hopps: Mit aparter Stimme und smarter Optik glänzt er nicht nur als Conférencier mit spontanem Improvisationsvermögen und liebenswürdigen Kommentaren. Treuherzig spielt er gleichzeitig den Zimmerkeller des Grand-Hotels, Alfred, der sich sich Hals über Kopf in die spanische Infantin Isabella verliebt, die mit ihrem Gefolge im Grand Hotel Palace in Cannes verweilt. Gerade der richtige Stoff für die Tochter eines Filmproduzenten, um ihrem Vater zu beweisen, dass sie findet, was er sucht. „Etwas Exotisches, Erotisches, Pikantes, doch nicht zu Riskantes (…) und das Wichtigste das Happy-Happyend.“ In Wiederholungsschleife wird dieser Song des Filmproduzenten (Philipp Meierhöfer) zum Ohrwurm.

Glanznummern in jeder Beziehung sind die Auftritte von Multitalent Sarah Bowden als Tochter Marylou. Witzig sexy gestylt glitzert und schillert sie (Kostüme: Katrin Kath). Mitreißend fegt sie steppend über die Bühne, röhrt ihre Songs in bester Musical-Qualität, ein echtes Show-Girl. Mit unheimlichem Drive und kessen Charme peppt sie das Genre Operette auf. Witzig charmant brilliert Tom Erik Lie in seiner Transvestitenrolle als bezaubernd tütelige Gräfin und etwas tuntiger Palace-Besitzer. Talya Lieberman gibt eine ganz elegante und sehr schlaue Infantin ab, die auf Kommando standesgemäß in Ohnmacht fällt. Wunderbar empfindsam und berührend interpretiert sie Abrahams Melodien. Ihr feines Pianissimo ist ein wunderbarer Kontrast zu den Musicalsongs und jazzigen Lieder des Lindenquartetts, die sich auch schauspielerisch bestens einfügen. Als Verlobter Prinz Andreas Stephan wertet Johannes Dunz seine Nebenrolle als Running Gag à la Dinner for One auf. Durchlaucht und schwungvoll die Frackschöße werfend ammüsiert er sein Publikum. Marylou macht auch dem zugeknöpften Prinzen dann doch noch einen begeisterten, wenn auch herrlich linkischen Tänzer. Klar, dass die Paare sich neu formieren zu einem fröhlichem „Happy—Happy-End“.

Das ist nicht tiefgründig, nur reine Unterhaltung mit dem Ziel zu zeigen, dass Operette mehr ist als die Produktionen der 1960er Jahre.



Märchen im Grand-Hotel an der Komischen Oper Berlin | Foto (C) Robert Recker

Michaela Schabel - 19. Dezember 2017
ID 10435
MÄRCHEN IM GRAND-HOTEL (Komische Oper Berlin, 17.12.2017)
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Adam Benzwi
Kostüme: Katrin Kath
Mit: Talya Lieberman, Johannes Dunz, Tom Erik Lie, Max Hopp, Philipp Meierhöfer und Sarah Bowden
Lindenquintett Berlin
Orchester der Komischen Oper Berlin
Premiere war am 17. Dezember 2017.
Weiterer Termin: 30.12.2017


Weitere Infos siehe auch: http://www.komische-oper-berlin.de


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