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Opernkritik

Zur Untreue

verführt



Sumi Hwang als Fiordiligi und Kathrin Leidig als Dorabella (von links nach rechts) in Così fan tutte an der Oper Bonn | © Thilo Beu

Bewertung:    



Così fan tutte bedeutet aus dem Italienischen übersetzt: „So machen es alle Frauen.“ Welch aufregende, amoralisch-frivole Note verleiht Wolfgang Amadeus Mozart diesem Ausruf in seiner gleichnamigen Oper von 1790 über die Beziehungen der Geschlechter und die Unbeständigkeit der Liebe. Im Zentrum seiner kolossalen Opera buffa steht eine von zwei jungen Frauen erlittene Liebesprobe. Dietrich Hilsdorf inszeniert das italienischsprachige Mozart‘sche Meisterstück, das tiefsitzende Männerängste und –fantasien berührt, an der Oper Bonn höchst sehenswert mit einem gut aufgelegten Ensemble, stimmungsvollen Bildern und einer temporeichen Personenregie.



Giorgos Kanaris als Guglielmo, Kathrin Leidig als Dorabella, Tamás Tarjányi als Ferrando, Sumi Hwang als Fiordiligi und Priit Volmer als Don Alfonso (von links nach rechts) in Così fan tutte an der Oper Bonn | © Thilo Beu


Die Freunde Ferrando (Tamás Tarjányi) und Guglielmo (Giorgos Kanaris) wähnen sich der Treue ihrer Verlobten Dorabella und Fiordiligi sicher. Don Alfonso (Priit Volmer) zweifelt grundsätzlich an der Treue und wettet, dass er den beiden Männern binnen eines Tages das Gegenteil beweisen könne. Die Männer gehen auf die Wette ein. Sehnsüchtig erwarten die Schwestern Dorabella (Kathrin Leidig) und Fiordiligi (Sumi Hwang) währenddessen ihre Verlobten. An deren Stelle erscheint Don Alfonso und überbringt den Frauen die (falsche) Nachricht, dass Ferrando und Guglielmo in den Krieg beordert wurden und unverzüglich abreisen müssen. Nach dem abrupten Abschied der Paare voneinander bleiben die Frauen untröstlich zurück. Empört weisen sie den Vorschlag Despinas (Susanne Blattert), einer Bediensteten, zurück, sich neue Liebhaber zu suchen. Don Alfonso macht Despina zu einer Komplizin. Sie soll Ferrando und Guglielmo, die als zwei Fremde nun um die Braut des jeweils anderen buhlen wollen, bei den Frauen zum Erfolg verhelfen. Die Verwicklungen nehmen ihren Verlauf, als die jungen Leute zunehmend ungeahnte Regionen ihres Gefühlslebens erforschen.



Sumi Hwang als Fiordiligi und Tamás Tarjányi als Ferrando (von links nach rechts) in Così fan tutte an der Oper Bonn | © Thilo Beu


Jungen Männern werden auch heute noch besitzergreifende Anmaßungen oft zum Verhängnis. Modernere Inszenierungen von Mozarts Werk setzen demgemäß für die Geschichte oft direkte Bezüge zur Gegenwart. So zeigte etwa 2013 der Lette Alvis Hermanis Così fan tutte an der Komischen Oper Berlin in einer Restaurierungswerkstatt der Jetztzeit, die mit zahlreichen Malereien aus dem Rokoko wiederum in die Vergangenheit zurückverwies. An der Oper Bonn wählte Hilsdorf einen eingängigeren und unaufgeregteren Zugang zur Geschichte, indem er sie direkt in die Entstehungszeit verlegt. Auf der Bühne sehen wir Personen in Biedermeierkostümen und einen feudalen Salon mit Doppelbett, Tischgruppe, Stuckfresken, beweglichen Lüstern und geschmackvolles Rokoko-Mobiliar. Ferrando und Guglielmo tragen anfangs Bärte und erscheinen später bei ihrer Verkleidung bartlos. Auch sonst wartet die Inszenierung mit einigen überraschenden Details auf.

Obwohl die Musik immer wieder in kurzen Zäsuren innehält, reißt der Spannungsbogen nie ab und klangvolle Harmonien begleiten die anmutig beseelten Figuren stets bei ihrem sich sinnlich wiegenden Schritt. Der Ungar Tamás Tarjányi gestaltet seine Partie mit lyrischem Tenor packend mit warmem Timbre. Die Mezzosopranistin Susanne Blattert singt die Despina virtuos mit spielerisch-beweglicher Stimmführung bis hin zur Fiepsstimme. Giorgos Kanaris und Priit Volmer beeindrucken nicht nur stimmlich salbungs- und kraftvoll, sondern auch schauspielerisch als köstlich-selbstherrliche Figuren. Kathrin Leidig überzeugt mit sattem und schlankem Mezzosopran. Insbesondere die junge Koreanerin Sumi Hwang beeindruckt schließlich bei ihren Arien mit einer enorm wandlungsfähigen und ausdrucksstarken Stimme.

Gegen Ende weiß die unterhaltsame Komödie noch einige Wahrheiten mit auf den Weg zu geben. Nichts erscheint schlussendlich als beständig und alle involvierten Personen bleiben fehlbar. Doch lässt es sich nicht auch als kostbare Freiheit begreifen, dass sich Wahlverwandtschaften immer wieder neu ordnen können?



Sumi Hwang als Fiordiligi, Tamás Tarjányi als Ferrando und Giorgos Kanaris als Guglielmo (von links nach rechts) in Cosi fan tutte an der Oper Bonn | © Thilo Beu


Ansgar Skoda - 16. März 2016
ID 9207
COSÌ FAN TUTTE (Oper Bonn, 06.03.2016)
Musikalische Leitung: Hendrik Vestmann
Inszenierung: Dietrich W. Hilsdorf
Bühne: Dieter Richter
Kostüme: Renate Schmitzer
Licht: Thomas Roscher
Besetzung:
Fiordiligi … Sumi Hwang
Dorabella … Kathrin Leidig
Despina … Susanne Blattert
Guglielmo … Giorgos Kanaris
Ferrando, Offizier … Tamás Tarjányi
Don Alfonso … Priit Volmer
Constanza, donna delle pulizie … Volker Hoeschel
Statisterie des Theater Bonn
Beethoven Orchester Bonn
Premiere war am 6. Dezember 2015
Weitere Termine: 3 + 10. 4. / 10. 6. 2016


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de/


Post an Ansgar Skoda

http://www.ansgar-skoda.de



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