Verwirrende
Verheißungen
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Figaros Hochzeit an der Oper Bonn | Foto © Thilo Beu
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Bewertung:
Ein Karussell lüsterner Versuchungen, Verstellungen, Verkleidungen und Verwicklungen dreht sich im Klang von Mozarts leichtfüßig-stimmungsvoller Musik. Auf der kreisenden Drehbühne offenbart der Handlungsort, ein herrschaftlicher Sitz, stets neue Raumeindrücke. Facettenreich ist auch die Musik. Bereits bei der Ouvertüre klingen Stimmungsschwankungen an – eine wechselhaft pulsierende Mischung aus Melancholie und Heiterkeit. Dem turbulenten Beziehungsdurcheinander eines nahezu unüberschaubaren Figurenpersonals scheinen, dynamisch-würzig, widerstreitende musikalische Reize beigemengt.
Im Zentrum von Figaros Hochzeit steht der Kammerdiener Figaro, der am gleichen Abend die Zofe Susanna heiraten möchte. Das junge Glück des Paares wird durch den draufgängerischen Graf Almaviva bedroht. Auch der Graf hat ein Auge auf Susanna geworfen. Das Paar steht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm, da er ihr Herr und Arbeitgeber ist. Almaviva fordert die Ius primae noctis, also bei der Heirat die erste Nacht mit der Braut. Ausgestopfte Strauße bezeugen die Erfolge seiner Jagderoberungen auf dem beengten Raum seines Herrschaftssitzes. Doch Figaro und Susanna wehren sich, da dieses Vorrecht bereits als längst abgeschafft galt. Sie erhalten Unterstützung von der Gräfin, die ihren Zorn und ihre Empfindsamkeit mit Blick auf den Grafen, ihrem Mann, viel zu lange mit Alkohol und Zigaretten einzudämmen versuchte. Die Figuren agieren mit Kalkül. Täuschungen werden vorbereitet. Im nächtlichen Mondschein lüften sich kuriose Verhältnisse. Bald kommt es zu weiteren Heiratsbündnissen, auch von Adligen mit Bürgerlichen.
Ob als Don Giovanni, in Cosi fan tutte oder nun in Figaros Hochzeit - der griechische Bariton Giorgos Kanaris scheint an der Oper Bonn auf die Rolle von Mozarts getriebenen und selbstgefälligen Schürzenjägern abonniert zu sein. Auch als Graf Almaviva mimt er nuancenreich mit kraftvoll-viriler Stimme den trotz aller Niederlagen nimmermüde eroberungswilligen Hausherrn in köstlich-selbstherrlichen Herzensnöten. Der österreichische Bassbariton Wilfried Zelinka, Gastsänger von der Oper Graz, gibt den Figaro als seinen gereizten Widerpart stimmlich ausdrucksstark und mit facettenreichem Spiel. Die gebürtige Südafrikanerin Johanni van Oostrum überzeugt als Gräfin Almaviva nicht nur bei der Arie „Dove sono i bei momenti (Wo sind die schönen Augenblicke)“ mit leuchtend aufblühendem Sopran und mit differenzierter Darstellung. Marie Heeschen liefert sich als Susanna mit Susanne Blattert, die in der Rolle der Marcellina eigene Heiratsansprüche an Figaro hegt, wahrlich bemerkenswert feurige Sangesduelle. Kathrin Leidig erfrischt mit Verve in der Hosenrolle des Cherubino. Nicht zuletzt sei auch Claudia Rodriguez erwähnt, die als Barbarina die klagende Kavatine „L'ho perduta, me meschina! (Unglücksel‘ge kleine Nadel)“ voll perlender Anmut vorträgt und sich dabei wohlweißlich für größere Partien empfiehlt.
Im Großen und Ganzen inszeniert Aron Stiehl Mozarts vieraktige opera buffa recht tempo- und detailreich, indem er intime Momente eindrücklich mit vieldeutigen Gesten der Figuren auflädt und effektvoll auch choreographische Elemente in den Handlungsverlauf einbettet. Nur gegen Ende hat seine dramatische Umsetzung deutliche Längen, wenn das Figurenpersonal minutenlang im Dunkeln der dargestellten Nacht durch dichten Theaternebel auf der Bühne tastet, torkelt und taumelt, ohne dass eine Findung der oder des Gewünschten, oder gar eine Selbstfindung oder Auflösung des Ganzen in Sichtweite scheinen.
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Figaros Hochzeit an der Oper Bonn | Foto © Thilo Beu
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Ansgar Skoda - 21. Februar 2018 ID 10540
FIGAROS HOCHZEIT (Oper Bonn, 14.02.2018)
Musikalische Leitung: Marcus Merkel
Regie: Aron Stiehl
Ausstattung: Timo Dentler und Okarina Peter
Licht: Max Karbe
Dramaturgie: Tilmann Böttcher
Choreographie: bo komplex
Choreinstudierung: Marco Medved
Besetzung:
Graf Almaviva … Giorgos Kanaris
Gräfin Almaviva … Johanni van Oostrum
Susanna … Marie Heeschen
Figaro… Wilfried Zelinka
Cherubino … Kathrin Leidig
Marcellina … Susanne Blattert
Basilio … David Fischer
Antonio … Boris Beletskiy
Bartolo … Martin Tzonev
Barbarina … Claudia Rodriguez
Due Donne … Vardeni Davidian
Due Donne … Tiina Sahrio
Chor des Theater Bonn
Beethoven Orchester Bonn
Premiere war am 28. Januar 2018.
Weitere Termine: 23.02. / 02., 18.03. / 01., 14.04. / 05., 12., 17.05. / 01., 10., 30.06.2018
Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de
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