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Premierenkritik

Pappnasig!


DIE FLEDERMAUS
an der Deutschen Oper Berlin


Annette Dasch als Rosalinde in der aktuellen Fledermaus der DOB | Foto (C) Thomas Jauk

Bewertung:    



Die Fledermaus von Johann Strauß bereitet hörerischerseits, sofern der Hörer dementsprechend drauf ist, gute Laune, ja, bereits die Ouvertüre will dem Hörenden einen zu animierenden Bereitschaftswillen Richtung Lust & Lustigkeit signalisieren, unbedingt; und selbst die für das Stück an sich Uneingeweihtesten verspüren, falls sie keine spaßbremsigen Trottel oder Muffel sind, dass hier und jetzt und irgendwie die Post abgehen könnte. Das Klischee gemahnt schlussendlich zum Champagnerglas zu langen oder wenigstens dann so zu tun, als ob man zu dem Auserwähltenkreis der Reichen und der Schönen mit dazu gehören würde, für drei Stunden nur, aber egal - es ist halt wie im Kino; Traumgedeihungen erfolgen immer außerhalb des Tageslichts.

Von der Musik her also eine ziemlich klare Angelegenheit.

Sir Donald Runnicles erklärte "seine" Fledermaus [Premiere gestern Abend] kurzerhand zur Chefsache und dirigierte das Orchester der Deutschen Oper Berlin zwar flott und schmissig, aber irgendwie so ganz und gar "unwienerisch", d.h. unter Vermeidung allen Charmes und Liebreiz', der dieser Musik nun mal zueigen ist. Dass außerdem und dauerschleifig Asynchronitäten zwischen Oben/Unten hörbar wurden, könnte daran liegen, dass womöglich nicht genug geprobt wurde - ich will das hier nicht unterstellen, finde aber leider keinen angemesseneren Grund für das akustisch wahrnehmbare Ärgernis; in einem Haus von Welt (wie diesem!) will mein gut geschultes Ohr nicht ständig konstatieren müssen, dass der Chor und die Solisten hinter dem Orchester nachlahmen bzw. dass es (das Orchester) vorprescht und den Rest der Mannschaft hinkend hinter sich zurücklässt. Leute, geht's noch?!

Von den für die Hauptrollen Gecasteten empfahlen sich stimmakrobatisch: Meechot Marrero (als Adele) und Enea Scala (als Alfred, Gesangslehrer) - sie zwitscherte ihre drei Arien mit so derart nachtigall'ner Selbstverständlichkeit und angstschweißlosem Impetus, dass man es schlicht und einfach als sensationell bezeichnen wollte; er ließ seinen "italienischen Tenor", der völlig rein und unverbraucht daher kam, wie Aladin aus der Wunderlampe vorzaubern; und lustvoll-lustig spielen konnten Beide obendrein. / Annette Dasch (als Rosalinde) kehrte insbesondere ihr schauspielerndes Naturell heraus, ihr großer Cardas-Auftritt gipfelte in ihrem großartigen "Ungarisch", den hohen Pfiff am Schluss blieb sie uns freilich schuldig - doch den hatte ich dann sowieso in all den Hunderten von Aufführungen, die ich seit Jahrzehnten hie und da erlebte, selten live serviert gekriegt; ach! Hilde Güden bleibt halt Hilde Güden... // Markus Brück (als Frank, Gefängnisdirektor) und Florian Teichtmeister (als Frosch [der Android]) schienen für ihre Rollen unterschiedlich ideal besetzt; mit Brück, der wunderbaren Rampensau [ich liebe seine Art zu singen und zu spielen!!], kann man eh' nix falsch machen; der hochsympathische Teichtmeister musste hanebüch'nen Subtext aufsagen...

Und somit komme ich zum Szenischen:

*

Die beiden letzten Fledermäuse, die es in der Hauptstadt gab, fielen durch handwerkliche Professionalität (Poschner/Homoki, Komische Oper 2007) und neuszenischen Ambitionismus (Mehta/Pade, Staatsoper Unter den Linden 2009) auf.

Demgegenüber kann Rolando Villazóns Regiearbeit - und insbesondere in Anbetracht seines unsäglich-läppischen "Geniestreichs" mit dem Dritten Akt als szenisch ausgewalztes Kubrick-Zitat von 2001: Odyssee im Weltraum - weder als handwerklich-professionell noch als neuszenisch-ambitioniert durchgehen. Hatte man noch seine inszeniererische Abarbeitung bis zum Abgeleistetsein des Zweiten Aktes, der in einem (von Johannes Leiacker gebauten) Russen-Bar-Club-Keller im etwaigen Berliner Friedrichshain verortet wurde, beinahe für konsequent und wenigstens interessant befunden, wandte sich das Blatt - spätestens mit dem Aufklingen von Straussens Also sprach Zarathustra nebst den obligatorischen Neanderthaler-Auftritten hinsichtlich des bereits erwähnten Film-Zitats - zum Negativen hin. Aber was heißt hier "negativ" - - es barg [nach meinem unmaßgeblichen persönlichen Geschmack] nur Vollidiotisches in sich; entsprechend dünnschichtig, im intellektuellen Sinne, war dann auch dieses hinzugedichtete Geplapper, dessen geistige Urheberschaft ich schon dann gern, v.a. namentlich, erfahren hätte.

Bei Entgegennahme des für ihn akustisch sicherlich nicht ausblendbar gewes'nen Buhgewitters zog der Regisseur (der früher mal ein weltberühmter Sänger war) 'ne rote Pappnase aus seiner Hosentasche, setzte sie sich auf und trotzte so demonstrativ der öffentlichen Meinung - freilich wurde auch sehr viel geklatscht und jubiliert, in ausgleichender Absicht sozusagen.

Ein bedeutsam-neuer Tiefpunkt in der DOB-Geschichte.




Die Fledermaus an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Thomas Jauk

Andre Sokolowski - 29. April 2018
ID 10675
DIE FLEDERMAUS (Deutsche Oper Berlin, 28.04.2018)
Musikalische Leitung: Donald Runnicles
Inszenierung: Rolando Villazón
Bühne: Johannes Leiacker
Kostüme: Thibault Vancraenenbroeck
Licht: Davy Cunningham
Video: Wieland Hilker
Chöre: Jeremy Bines
Choreografie: Philippe Giraudeau
Dramaturgie: Lars Gebhardt
Besetzung:
Gabriel von Eisenstein ... Thomas Blondelle
Rosalinde, Gabriels Frau ... Annette Dasch
Adele, Kammermädchen ... Meechot Marrero
Alfred, Gesangslehrer ... Enea Scala
Dr. Falke, Notar ... Thomas Lehman
Dr. Blind, Advokat ... Jörg Schörner
Frank, Gefängnisdirektor ... Markus Brück
Prinz Orlofsky ... Angela Brower
Frosch ... Florian Teichtmeister
Opernballett, Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
Premiere war am 28. April 2018.
Weitere Termine: 01., 05., 08., 29.05. / 03., 08.06.2018


Weitere Infos siehe auch: http://www.deutscheoperberlin.de


http://www.andre-sokolowski.de

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