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Musical-Premiere

Schneetreiben

und Revolution



Doktor Schiwago in der Musikalischen Komödie, Leipzig | Foto (C) Kirsten Nijhof

Bewertung:    



Nachdem Leipzigs Musikalische Komödie bereits in der letzten Spielzeit mit der deutschsprachigen Erstaufführung von Alfred Uhrys Musical Love Musik eine gelungene Premiere bot, bekam sie auch in diesem Jahr wieder den Zuschlag für eine Erstaufführung: Diesmal für Lucy Simons Musical-Adaption von Doktor Schiwago.

Zwischen den Wirren des Aufstands gegen den Zaren und die darauffolgende Russische Revolution spielt sich die tragische Liebesgeschichte um den dichtenden Arzt Doktor Schiwago und seine verbotene Beziehung zu der geheimnisvollen Lara ab. Hin- und hergerissen zwischen den sich plötzlich verändernden politischen Systemen und der Liebe zu seiner Ehefrau Tonia gerät er in die blutigen Mühlen des Bürgerkriegs, aus denen es kein Entrinnen zu geben scheint.

Der epische Romanklassiker von Boris Pasternak, dessen Verfilmung von David Lean aus dem Jahr 1965 mit Omar Sharif und Julie Christie vor allem Film-Nostalgikern bekannt sein dürfte, bietet mit großen Gefühlen und jeder Menge Schmerz und Tränen die perfekte Vorlage für ein Musical. Passenderweise legte die MuKo zur Premiere auf jeden Platz ein Taschentuch, um einem eventuellen Tränenausbruch seitens der Zuschauer bei all dem Drama auf der Bühne Einhalt zu gebieten. Und tatsächlich: Die Taschentücher mit der Aufschrift "Zum Heulen schön" kamen beim Publikum zum Einsatz. Eine gelungene Premiere also?

*

Chefregisseur Cusch Jung und Bühnen-und Kostümbildnerin Karin Fritz belassen das Musical in der Zeitepoche des Romans und bieten eine fast schon kinohafte Inszenierung. Egal ob prächtiges Palais, die Front des Ersten Weltkriegs oder ein verstecktes Rendezvous der Liebenden: Alles ist umhüllt von Schneeflocken, wahlweise auch Bühnennebel und Dunkelheit, in der nur die Hauptpersonen einzeln erleuchtet werden. Schöne, authentische Kostüme vervollständigen das ansprechende Bild.

Die sehr kompakte Szenerie wechselt nahezu atemlos, angefangen bei der Hochzeit Schiwagos, gleichzeitigen Demonstrationen des Volkes, über ein Lazarett an der Front und den anschließenden Aufstieg des Kommunismus bis hin zum blutigen Bürgerkrieg.
Die Handlung ist ein stetiges Auf und Ab, romantische Liebesszenen wechseln sich mit Hinrichtungen und Erschießungen ab. Dadurch wirkt der Kontrast zwischen der privaten und politischen Ebene besonders stark.

Einziges Manko in Michael Wellers Buch ist die Tatsache, dass die epische Liebe zwischen Schiwago und Lara inmitten aller Grausamkeiten nicht so stark zum Tragen kommt wie sie eigentlich sollte. Die Wege der beiden kreuzen sich immer wieder, und dann mit einem Mal besingen sie leidenschaftlich ihre große Liebe, doch wie kam es dazu? Da tut sich eine Lücke in der Personenentwicklung auf, die auch durch ein gefühlvolles Liebesduett nicht ausreichend gefüllt werden kann.

Lucy Simons opulent orchestrierte Partitur, hörbar inspiriert von der russischen Klangpalette, fängt diese großen Emotionen mit mitreißender und eingängiger Musik ein, auch wenn Einiges hart an der Grenze zum Herzschmerz ist. Christoph-Johannes Eichhorn dirigiert die gefühlvollen Balladen und revolutionären Chöre mit sicherer Hand.

Der Knopfdruck auf die Tränendrüse funktioniert, und die Taschentücher kommen zum Einsatz.

Das liegt vor allem natürlich auch an der Hauptpartie, für die man Musical-Star Jan Ammann gewinnen konnte, was sicher einer der Hauptgründe dafür gewesen sein dürfte, dass bereits vor der Premiere fast alle Vorstellungen ausverkauft waren. Mit unglaublicher Bühnenpräsenz und darstellerischer Intensität legt er all sein Herzblut in diese Rolle und schafft es, die große Zerrissenheit Schiwagos zwischen seiner Frau und seiner Geliebten glaubhaft zu verkörpern. Mit wunderbar klangschönem Bariton und herrlichem Schmelz gelingt es ihm, alle gesanglichen Facetten auszuleuchten. Lisa Habermann als Lara steht ihm da in nichts nach und erweist sich als absolute Idealbesetzung. Mit kristallklarem, schlanken und stets gut geführtem Sopran vermag sie sowohl schauspielerisch als auch sängerisch all die Leidenschaft, Liebe, das Glück und Leiden auszudrücken, welches die Figur der Lara ausmacht. Hanna Mall in der etwas undankbaren Rolle als Schiwagos Ehefrau Tonia bleibt da schon eher (auch aufgrund der Figurenkonstellation) ein wenig zurück, auch wenn sie versucht, das Meiste aus dieser etwas blassen Figur herauszuholen. Björn Christian Kuhn bietet eine sehr überzeugende Leistung als Pavel Antipov und versteht es, den Wandel vom idealistischen Revolutionär zum fanatischen Anführer zu zeigen.
Auch die anderen Rollen sind wie immer gut besetzt: Patrick Rohbeck ist ein großartig durchtriebener, undurchsichtiger Anwalt Komarovskij, Milko Milev singt und spielt versiert eine Doppelrolle als Markel/Gints, Michael Raschle und Sabine Töpfer geben die fürsorglichen Eltern Tonias.

Fazit: Nachdem der Vorhang fällt, steht nahezu das ganze Publikum auf und belohnt die Mitwirkenden - insbesondere die beiden Hauptdarsteller, das Orchester und das Regieteam - mit frenetischem Jubel und jeder Menge Applaus. Mit dieser triumphalen Premiere ist der MuKo ein weitere Hit gelungen sein, der auch über Leipzigs Grenzen hinaus für Aufsehen sorgen dürfte.



Doktor Schiwago in der Musikalischen Komödie, Leipzig | Foto (C) Kirsten Nijhof

Eva Hauk - 28. Januar 2018
ID 10498
DOKTOR SCHIWAGO (Musikalische Komödie, 27.01.2018)
Musikalische Leitung: Christoph-Johannes Eichhorn
Inszenierung: Cusch Jung
Choreografie: Mirko Mahr
Bühne, Kostüme: Karin Fritz
Choreinstudierung: Mathias Drechsler
Besetzung:
Jurij Schiwago ... Jan Ammann
Larissa (Lara) Guichard ... Lisa Habermann
Antonia (Tonia) Gromeko ... Hanna Mall
Pavel (Pascha) Antipov ... Björn Christian Kuhn
Viktor Komarovskij ... Patrick Rohbeck
Anna Gromeko/Olga ... Sabine Töpfer
Alexander Gromeko ... Michael Raschle
Markel/Gints ... Milko Milev
Janko ... Stephen Budd
Liberius ... Georg Führer
Kubaricha ... Konstanze Haupt
Lara (Kind) ... Adele Bauer
Tonia (Kind)/ Katharina (Kind) ... Lara Friedrich
Jurij (Kind)/ Sascha (Kind) ... Paul Weber
Komparserie, Ballett, Chor und Orchester der Musikalischen Komödie
Premiere war am 27. Januar 2018.
Weitere Termine: 30.01. / 06., 08., 09.02. / 10., 11.03. / 19., 20.05. / 26., 27.06.2018


Weitere Infos siehe auch: http://www.oper-leipzig.de/de/musikalische-komoedie


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