Das Ding
mit der
Wurst
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Die neue Aida an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Marcus Lieberenz
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Bewertung:
Die letzte neuzeitliche Inszenierung von Aida , die die hauptstädtischen Opernfreunde zu Gesicht bekamen, stammte aus dem Jahre 1995 (20 Jahre ist das her!) - da tat Pet Halmen die Geschichte kurzerhand in das Ägyptische Museum Kairo hinverfrachten, und von den Vitrinen her, um es vereinfacht zu erinnern, ging der Plot um die äthiopische Sklavin Aida aus. Die Produktion, die meistens Daniel Barenboim höchstselbst dann dirigierte, hielt sich ziemlich lang, ja und es kann gut möglich sein, dass sie auch weiterhin (vielleicht) dann aus den Staatsopernarchiven vorgeholt wird, um die Leute angemessen-wohltuend zu unterhalten...
An der DOB war freilich auch vor Jahren und Jahrzehnten mal Aida lange Zeit im Repertoire. Nun hat hier Benedikt von Peter [dessen Inszenierungsstil mir von der KOB her spätestens seit Theseus und Fidelio allgemein vertraut ist] dieses Stück erarbeitet:
Er reduziert die Oper - renitent und naseweis - auf ihre zwischenmenschlich-grundsätzliche Dreier-Ebene (Aida, Radames, Amneris). Er lässt "seine" Titelheldin als Phantom und Trugbild Radames' in einem weißen Tüllkleid über den gedeckelten Orchestergraben geistern. Er stutzt "seinen" Feldherrn justament zu einem Tüllkleidfetischisten runter. Er erhöht die hohe Konkurrentin der Äthiopierin zu einer Männermagd per se; sie tut ihm unaufhörlich Essen und die Zeitung bringen... Alles, was die leuchtschriftigen Übertitel in das Deutsche resp. Englische zurückvermitteln, ist fortan Behauptung dessen, dass es sich auch in der Tat und wirklich um Aida von Giuseppe Verdi auf der Bühne (ergo über dem Orchestergraben) handeln würde. Komische Momente sind beklatschenswert; man sieht es offensichtlich, dass Amneris ihre neue Rolle ('Tag um Tag bedien' ich dich, mein Freundchen, und was ist am Schluss der Dank?') zuwider ist, ja und die Szene mit der Wurst, die sie ihm reicht oder dem Butterbrot, das sie ihm schmiert, prägen sich schon erstaunlich ein... Doch auf der intellektuellen Sinnsuche knallt man im Ganzen völlig an die Wand.
Was will - fragte ich mich die ganze Zeit - der Benedikt mir seiner füllhornleeren Renitenz und Naseweisheit mir letztendlich zu Aida sagen? Nichts und nochmals nichts, stellte ich kopfschüttelnder Weise fest!
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Rein musikalisch kann die Aufführung vom Inszeniererischen profitieren, denn: Das Orchester der Deutschen Oper Berlin ist breit und großzügig an dem Platz aufgestellt, wo sich normalerweise die Akteure von Aida hin und her bewegen: auf der Bühne. Und es hat sie ganz für sich allein. Das "hilft" dem Klang natürlich glänzend auf die Beine. Ja, ich muss gestehen, lange nicht so einen satten (geilen!) Verdi-Sound gehört zu haben wie an diesem Abend.
Alle anderen - außer halt jener Dreierbande - singen vom Parkett oder vom Mittel- oder Seitenrang oder von noch viel weiter oben aus; die Deutsche Oper hat ja ein sehr mächtig ausgreifendes Auditorium. Dass der hochgeniale Markus Brück (als Amonasro) mit Verstärker singen muss, hat er nun wahrlich nicht verdient, er hätte auch gut ohne diese fafnerhaft vertopfte Angelegenheit sein Stimmorgan nach vorne Richtung Bühne abgewuchtet.
Hochsensationell auch, wie der Youngstar-Dirigent Andrea Battistoni insgesamt den Raum dann - also vor und neben und auch hinter sich - zu bändigen versteht! Kein Schleppen, keine Unsynchronität, kein Vorwärtspreschen; klangharmonisch also eine Wucht. Obgleich es ziemlich laut und unsubtil im Ganzen zugeht.
Ausnahmslos der Chor (von William Spaulding in bewährter Art und Weise einstudiert) ist der fanale Hauptstar dieser Aufführung.
Tatiana Serjan, Alfred Kim und Anna Smirnowa singen die Hauptpartien [s.o.].
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Euphorische Beifallsbekundungen für alle Ausführenden.
Buhgewitter für die Inszenierer - vollkommen zurecht.
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Die neue Aida an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Marcus Lieberenz
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Andre Sokolowski - 23. November 2015 ID 9000
AIDA (Deutsche Oper Berlin, 22.11.2015)
Musikalische Leitung: Andrea Battistoni
Inszenierung: Benedikt von Peter
Bühne: Katrin Wittig
Kostüme: Lene Schwind
Video: Bert Zander
Chöre: William Spaulding
Dramaturgie: Dorothea Hartmann
Besetzung:
Der König ... Ante Jerkunica
Amneris ... Anna Smirnova
Aida ... Tatiana Serjan
Radames ... Alfred Kim
Ramfis ... Simon Lim
Amonasro ... Markus Brück
Ein Bote ... Attilio Glaser
Eine Priesterin ... Adriana Ferfezka
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
Premiere war am 22. November 2015
Weitere Termine: 25., 28. 11. / 3., 6., 10. 12. 2015
Weitere Infos siehe auch: http://www.deutscheoperberlin.de
Post an Andre Sokolowski
http://www.andre-sokolowski.de
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