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Premierenkritik

Liebesstillstand

vor Weltkriegsdeko



Emma Bell als Arabella an der Oper Köln - Foto (C) Bernd Uhlig

Bewertung:    



Stilisierte Mohnblumen sind in englischsprachigen Ländern ein Zeichen für das Gedenken an die Toten vor allem der beiden Weltkriege. Und in Renaud Doucets Inszenierung von Richard Strauss’ Oper Arabella an der Oper Köln kommen sie weidlich vor: Mohnblumen fallen im letzten Duett aus dem Schnürboden auf die Bühne und bleiben demonstrativ im Boden stecken. Mohnblumen sind es auch, die die Kartenaufschlägerin, welche Arabella zu Beginn ihr Schicksal prophezeit, auf ihrem Kleid trägt und auf der Treppe verteilt. All das mehr oder weniger vergebliche Versuche des Regieteams, Strauss’ Oper, die im Jahr 1933 uraufgeführt wurde, mit zeithistorischen Ereignissen in Verbindung zu setzen – in diesem Fall mit dem Ersten Weltkrieg. Doch Arabella erweist sich als zäh und lässt sich so leicht nicht aus der (musikalischen) Bahn werfen. Erbarmungslos schnürt das Geschehen rund um die schöne Arabella und das Werben um ihre Hand vor dem Hintergrund von Schlachtenbildern und zwischen Lazarettbetten ab.

In der Tat mutet es ein wenig seltsam an, dass diese Oper, in der die abgehalfterte und verarmte Familie von Waldner ihre Tochter an einen reichen Mann verschachern muss, um sich ihren Lebensstil leisten zu können, Ende der 1920er entstanden ist, wirkt sie doch eher wie ein spätromantisches Kind vom Ende des 19. Jahrhunderts. Inhaltlich basiert die Geschichte rund um die kühle Arabella, der zahlreiche Verehrer zu Füßen liegen, auf einer Kurzgeschichte von Hugo von Hofmannsthal, der bis zu seinem Tod auch an dem Libretto arbeitete. Musikalisch ist sie eher konventionell und lässt vergessen, dass Strauss der Komponist kongenialer Werke wie Salome und Elektra ist. Es gibt ein paar schöne Momente wie etwa das Duett der Schwestern Arabella und Zdenka im zweiten Akt und ansonsten lange Zeit nicht viel.

Das soll nicht heißen, dass Arabella an der Oper Köln nicht durchweg hochklassig musiziert wird, ganz im Gegenteil: Die Sänger sind überwiegend sehr gut disponiert und bemühen sich um Textverständlichkeit (besonders sei hier Emma Bell als Arabella hervorgehoben). Dirigent Stefan Soltesz lotet mit dem Gürzenich-Orchester die Zwischentöne aus, manchmal hört man im hinteren Parkett dann aber doch nur einen breiigen Klang aus Orchester und Sängern. Allerdings ist die Akustik in der Interimsspielstätte Oper am Dom auch alles andere als optimal.

Dass der Abend dennoch im Ganzen eher bemüht daherkommt, liegt neben der Sperrigkeit der Oper selbst an der szenischen Umsetzung. Denn Doucet und Ausstatter André Barbe belassen es nicht bei Mohnblumen, sondern reißen das Ballszenario im zweiten Akt auf, so dass der Zuschauer auf eine schlammig-braune Szenerie mit Schützengraben schauen kann, in der stilisiert Gefechte dargestellt werden. Zu allem Überfluss erscheinen dann alle Verehrer Arabellas, die sie um einen Walzer bitten wollen, als Kriegsversehrte. Im dritten Akt stehen in dem Foyer des Hotels, in dem Familie von Waldner logiert, Lazarettbetten und die Kartenaufschlägerin schließt verstorbenen Soldaten sanft die Augen.

Die Bilder, die Doucet und Barbe für Arabella erfinden, sind aufwendig, aber auch leer und bleiben im Plakativen stecken. Ein sinnhafter Zusammenhang zwischen dem, was musiziert und verhandelt wird, und dem, was an Weltkriegsbildern zu sehen ist, stellt sich nicht her. So bleibt das Weltkriegsgeschehen leider Dekoration. Das Konzept der überbordenden Bebilderung, das bei Hoffmanns Erzählungen an der Oper Bonn in der Inszenierung dieses Teams so überzeugend funktioniert hat, geht hier leider gar nicht auf und gleitet ins Peinliche ab. Das Publikum lachte, als die Mohnblumen auf die Bühne herunterfielen. Vielleicht eine Rache des Komponisten: An meiner Oper beißt ihr euch die Zähne aus. Fürwahr.



Arabella an der Oper Köln - Foto (C) Bernd Uhlig

Karoline Bendig - 30. April 2015
ID 8607
ARABELLA (Oper am Dom, 25.04.2015)
Musikalische Leitung:  Stefan Soltesz
Inszenierung:  Renaud Doucet 
Bühne & Kostüme:  André Barbe
Licht:  Guy Simard
Chor:  Andrew Ollivant
Dramaturgie:  Georg Kehren
Mit: Bjarni Thor Kristinsson (Graf Waldner), Dalia Schaechter (Adelaide, seine Frau), Emma Bell (Arabella), Anna Palimina (Zdenka), Egils Silins (Mandryka), Ladislav Elgr (Matteo), Jeongki Cho (Graf Elemer), Wolfgang Stefan Schwaiger (Graf Dominik), Lucas Singer (Graf Lamoral ), Beate Ritter (Die Fiakermilli), Alexandra von der Weth (eine Kartenaufschlägerin), Alexander Fedin (Welko, Leibhusar des Mandryka) und Keith Bernard Stonum (ein Zimmerkellner)
Chor der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln
Premiere an der Oper Köln war am 25. April 2015
Weitere Termine: 30. 4. / 2., 5., 8., 10. 5. 2015


Weitere Infos siehe auch: http://www.operkoeln.com


Post an Karoline Bendig



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