Finsterer
Wahn
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Otello an der Deutschen Oper am Rhein | Foto (C) Hans Jörg Michel
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Bewertung:
Gewittrig spielen die Düsseldorfer Symphoniker voll bedrohlicher Überlagerungen und Disharmonien auf. Im Bühnenhintergrund leitet der wankende Chor der Deutschen Oper am Rhein das Geschehen lebendig mit dramatisch erhobenen Armen ein. Der Sturm tobt auf der dunkel gehaltenen Bühne. Plötzlich blitzt ein Oberlicht auf, und Chormitglieder werfen sich auf den Boden. Regisseur Michael Thalheimer inszeniert Giuseppe Verdis Oper Otello nach dem gleichnamigen Drama William Shakespeares mit einer packenden Bildsprache und schafft effektvolle Spannungsbögen. Menschliche Abgründe präsentieren sich in einem eher schlicht und detailarm in Schwarz gehaltenen Einheitsbühnenraum. Die elegante und zeitlos-unprätentiöse Kleidung sämtlicher Figuren changiert in Schwarztönen (Kostüme: Michaela Barth). Insbesondere bei der Titelfigur – aber auch bei anderen - bedeckt schwarze Schminke das Gesicht. Beim Auf- und Abtreten zeichnen sich oftmals effektvoll ihre Silhouetten als Schatten auf der dunklen Wand ab (Lichtdesign: Stefan Bolliger). Otello, ein ehemaliger Sklave, konnte sich auf einer venezianischen Flotte bis hin zu einer Leitungsfunktion hocharbeiten. Trotzdem fällt es ihm schwer, seine Erfolge zu genießen, denn er wähnt sich seines Glückes nicht sicher. Er durchschaut das Ränkespiel von Gefolgsleuten wie Jago nicht. Dieser möchte ihm weismachen, seine tugendhafte Frau Desdemona habe sich in einen anderen Mann verguckt.
Thalheimers Inszenierung konzentriert sich auf den dunklen Abgrund, in den Otello nun stürzt, ohne seine instinktiven, weitreichenden und unberechenbaren Handlungen zu reflektieren. Otello steigert sich in seinen Wahn hinein, ohne dass er die Beweggründe für Jagos Mutmaßungen hinterfragt oder sich von Desdemonas Beteuerungen erweichen lässt. Die wenigen Requisiten der Inszenierung stechen als bedeutsam hervor, wenn etwa Desdemonas Taschentuch und später ihr Brautkleid auf der dunklen Bühne weiß aufleuchten und so von ihrer möglichen Unschuld künden. Insbesondere die präzise ausgearbeitete Körpersprache der Darsteller beeindruckt, wenn etwa Desdemona Otello in einer zärtlichen Geste langsam die Hand reicht und dieser sie zärtlich küssend an sein Gesicht legt. Später wird er diese Hand gewaltsam niederdrücken, Desdemona wird während seiner wütenden Beschuldigungen ungläubig zitternd zurückweichen und quer durch den Raum zu entfliehen versuchen.
Immer wieder fungiert der Chor effektvoll als bewegte und stimmgewaltige Kulisse, wenn er aus einer plötzlich im Raum eingelassenen Empore hervorlugt und sich vielstimmiger Gesang voll nuancenreicher Akzentsetzungen in den Saal entlädt.
Ian Storey gestaltet Otello mit einem strahlenden, voluminösen und virilen Tenor stimmlich facettenreich und kraftvoll. Er bezeugt auch darstellerisch als aufgeblasener, „gehörnter Gatte“ im enganliegenden Muskelshirt äußerst glaubwürdig die Begrenztheit der Gedankenwelt Otellos. Anooshah Golesorkhi (kurzfristig für den erkrankten Boris Statsenko eingesprungen) agiert in der Rolle des Jago neben Storeys Otello eher unauffällig lauernd, spinnt jedoch in einsamen Momenten selbstgewiss seine bösartige Intrige und glänzt hier in Solopartien präsent mit klangprächtiger Baritonstimme. In der Rolle des arglosen Cassio und fraglichen Rivalen Otellos überzeugt Ovidiu Purcel, mit ausdrucksstarker Stimmführung und tenoralem Schmelz sich für größere Partien empfehlend. Schlicht ergreifend ist schlussendlich Jacqueline Wagner in der Rolle Desdemonas, die mit sanften Timbre und wohlnuancierten Piani ihre Figur adelt. Nahezu seraphisch trägt sie das berührende Lied von der Weide ("Piangea cantando") und das darauffolgende „Ave Maria“ mit weich austarierten Ruhepunkten und feinen Spannungsbögen vor. Unter der musikalischen Leitung von Axel Kober befeuern neben den gesanglich durchweg beachtenswerten Leistungen impulsiv dichtes Orchesterspiel Thalheimers sehenswerte Umsetzung der klassischen Tragödie.
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Otello an der Deutschen Oper am Rhein | Foto (C) Hans Jörg Michel
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Ansgar Skoda - 7. November 2016 ID 9672
OTELLO (Opernhaus Düsseldorf, 04.11.2016)
Musikalische Leitung: Axel Kober
Inszenierung: Michael Thalheimer
Bühne: Henrik Ahr
Kostüme: Michaela Barth
Licht: Stefan Bolliger
Chorleitung: Gerhard Michalski
Dramaturgie: Luc Joosten
Besetzung:
Otello ... Ian Storey
Jago ... Anooshah Golesorkhi
Desdemona ... Jacquelyn Wagner
Emilia ... Sarah Ferede
Cassio ... Ovidiu Purcel
Roderigo ... Florian Simson
Lodovico ... Bogdan Talos
Montano ... David Jerusalem
Ein Bote ... Attila Fodre
Chor der Deutschen Oper am Rhein
Düsseldorfer Symphoniker
Premiere an der Deutschen Oper am Rhein: 4. Oktober 2016
Weitere Termine: 10., 13. 11. 2016
Weitere Infos siehe auch: http://www.operamrhein.de
Post an Ansgar Skoda
http://www.ansgar-skoda.de
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