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SATYAGRAHA
von Philip Glass


Das ist der amerikanische Komponist Philip Glass (80) | Bildquelle: philipglass.com

Bewertung:    



Der US-amerikanische Komponist Philip Glass - einer der wichtigsten Protagonisten der sog. Minimal Music - feierte dieses Jahr den 80. Geburtstag. Anlass also, ihn weltweit wieder verstärkter (als es eigentlich schon Fakt ist) durch diverse Aufführungen seiner Werke huldigender Weise in den Fokus zu rücken. Das Theater Basel hatte diesbezüglich im April d.J. seine auf Sanskrit zu singende Gandhi-und-Friedensoper Satyagraha (was übersetzt dann ungefähr so viel wie "beharrliches Festhalten an der Wahrheit" bedeutet) in Szene gesetzt; die aufwändige Produktion wurde in Kooperation mit der Opera Vlaanderen und der Komischen Oper Berlin, wo sie dann gestern Abend als Berliner Erstaufführung wahrnehmbar gewesen war, gestemmt.

Das Werk dauert 3 Stunden, hat eine zur allgemeinen Rezeption mehr untaugliche dramaturgische Struktur mit einem aus zig Hindu-sowie anderen kultur-/ortstypischen Klischees durchwachs'nen Text (Libretto: Bhagavad Gita, Philip Glass, Constance DeJong), klingt aber - immerhin und wenigstens - eindeutig und erkennbar halt wie Philip Glass; doch alles von ihm klingt im Wesentlichen immer so will sagen: immer gleich. Seine zumeist sich aus sehr schön-harmonisch klingenden Akkorden und Arpeggien speisende Musik hat einerseits etwas Schlafwandlerisch-Narkotisches (auch wegen dieses permanenten Wiederholungszwangs in ihr), andererseits nervt sie doch irgendwie und strapaziert die Klientel des etwas ungeduldiger sich gebenden Glass-Hörers - ja, man hat "es" also schnell durchschaut, wohin der Hase laufen soll und weiß letztendlich trotzdem nicht so recht warum/wieso/weshalb man sich dem Konditionstest endlosschleifig unterziehen müsste. Schon ein Phänomen.


[Um Leser nicht über Gebühr hinaus mit Analytisch-Inhaltlichem zu Satyagraha zu belästigen, empfehlen wir an dieser Stelle einen gut gemachten Kurzartikel aus dem Wikipedia-Onlinlexikon.]

*

Der international präsente Choreograf und Tanztheater-Leiter Sidi Larbi Cherkaoui [wir erlebten eine seiner schönsten Arbeiten, d'avant, vor ungefähr 11 Jahren] wurde jetzt dazu bestellt, die Glass-Oper zu inszenieren. Dass es quasi auf der Hand gelegen hatte, dass sich der Bestellte "zusätzlich" natürlich auch mit aller künstlerischen Kraft und allem künstlerischen Können choreografisch mit der Werkvorlage auseinandersetzen würde, war den für die Produktion Verantwortlichen selbstverständlich und bewusst - dass Glass mit Satyagraha selbstredend keine "Tanz-Oper" geschrieben haben wollte, hätte aber (um es ganz, ganz nebenbei nur kurz zu streifen) auch dann klipp und klar sein dürfen. Wer also, in Gottes Namen, kam auf die Idee, das stille und fast inbrünstige Werk durch lauter lauten Tanz allein akustisch derart stark zu massakrieren?

Die geniale TänzerInnen-Company von EASTMAN [alle Namen s.u.] leistete Erstaunliches und ließ sich ohne jede Frage sehen - und allein, was sie dann mit dem traumhaft schön singenden Gandhi-Darsteller, dem lyrischen Tenor Stefan Cifolelli, alles anstellte, um ihn bei seiner akrobatisch anmutenden Körper-Selbsterfahrung auf das Zärtlich-Vorsichtigste beizustehen, war bestaunenswert! Und sowieso entpuppte sich die tänzerische Mannschaft als für die Gesamtoptik der Produktion bestimmend und beherrschend... Ob der durch Cherkaoui investierte tänzerische Impetus im Sinne der Musik als "kompatibel" (mit der Oper) nachgerade noch beschreibbar wäre, darf und muss jedoch mit aller Deutlichkeit bezweifelt werden!

In den letzten Jahren häuften sich die Fälle, wo sich international gefragte Choreografen auch als Opernregisseure ausprobieren durften; meistens endete es dahingehend, dass sie krachend am Projekt gescheitert waren (Sasha Waltz mit Tannhäuser, Rosamund Gilmore mit Wagners Ring; und auch Cherkaoui tat durch die choreografischen Hinzutuungen im Berliner Ring nur nerven statt zu überzeugen).

* *

Ungeachtet all unserer Mäkelei: Der Beifall nach der gestrigen Premiere war enorm.




Satyagraha von Philip Glass an der Komischen Oper Berlin | Foto (C) Monika Rittershaus

Andre Sokolowski - 28. Oktober 2017
ID 10343
SATYAGRAHA (Komische Oper Berlin, 27.10.2017)
Musikalische Leitung: Jonathan Stockhammer
Inszenierung und Choreografie: Sidi Larbi Cherkaoui
Bühnenbild: Henrik Ahr
Kostüme: Jan-Jan van Essche
Dramaturgie: Simon Berger und Pavel B. Jiracek
Chöre: David Cavelius
Licht: Roland Edrich
Besetzung:
M.K. Gandhi ... Stefan Cifolelli
Miss Schlesen, seine Sekretärin ... Cathrin Lange
Mrs. Naidoo ... Mirka Wagner
Kasturbai, Gandhis Frau ... Karolina Gumos
Mr. Kallenbach ... Tom Erik Lie
Parsi Rustomji, indischer Mitarbeiter ... Tomasz Wija
Mrs. Alexander ... Katarzyna Włodarczyk
Lord Krishna ... Samuli Taskinen
Prince Arjuna ... Timothy Oliver
TänzerInnen von EASTMAN mit Jason Kittelberger, Georgios Kotsifakis, Katzutomi "Tsuki" Kozuki, "Princess" Madoki, Patrick Williams Seebacher "Twoface", Shintaro Oue, Ema Yuasa, Stephanie Amurao, Robbie Moore, Oscar Ramos, Joseph Kudra (Cover) und Nemo Oeghoede
Chor und Orchester der Komischen Oper Berlin
Uraufführung im Stadsschouwburg Rotterdam war am 5. September 1980.
Premiere am Theater Basel: 28. April 2017
Berliner Premiere: 27. Oktober 2017
Weitere Termine: 31.10. / 02., 05., 10.11.2017
Koproduktion mit dem Theater Basel und der Opera Vlaanderen


Weitere Infos siehe auch: http://www.komische-oper-berlin.de


http://www.andre-sokolowski.de

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