Geschmeidiger Panther bespringt Frau am Webstuhl
|
Benjamin Brittens Die Schändung der Lucretia in einer Produktion des Glyndebourne Festivals (Übernahme durch die Deutsche Oper Berlin) - Foto (C) Marcus Lieberenz
|
Bewertung:
Die Deutsche Oper Berlin bringt gern und viel Benjamin Britten, dessen 100. Geburtstag letztes Jahr gewesen war - und wir erinnern uns enthusiasmiert an Aufführungen aus der jüngsten Zeit, z.B. Peter Grimes und Billy Budd. Nun stand Die Schändung der Lucretia auf dem Spielplan:
Britten hatte sie als Kammeroper konzipiert und umgesetzt; kurz nach dem Zweiten Weltkrieg schien ihm das als günstig, denn "weder die Mittel noch das Publikum" waren zu dieser Zeit vorhanden, und sie "sollte wenig kosten und so flexibel zu realisieren sein, dass man sie auch auf kleinen Bühnen spielen und mit ihr die Provinz bereisen konnte." (Quelle: deutscheoperberlin.de)
Ganz nach barockem Vorbild (Purcell) komponierte er fortlaufende Rezitative & Arien, beschränkte sich auf 13 Orchestermusiker, 1 Klavier und 8 Gesangssolisten; den im Barock normalerweise mitagierenden (Barock-)Chor reduzierte er auf lediglich je eine Frauen- sowie Männerstimme; Peter Pears, sein damaliger Lebenspartner, übernahm zur Glyndebourner Uraufführung den Tenor-Chorpart.
Es ist, wie auf der DOB-Website schön kurzschlüssig geschrieben steht, die "Geschichte der Römerin Lucretia, die ihren Mann liebt, ihm treu ist und sich, nachdem sie vom skrupellosen Tarquinius vergewaltigt wurde, selbst tötet". Keuschheitsgebaren in Vollendung!
Das klingt irgendwie total moralisch, konsequent und allzu grausam und wurde (in etwa der Geschmacksrichtung) doch ziemlich ernst und missionarisch "übersetzt" durch eine freud- und lichtarme, ja grauenhafte Inszenierung Fiona Shaws. Der Regisseurin schienen zur bedenklich-christianifizierten Stoffverarbeitung des Librettisten Ronald Duncan (nach dem Schauspiel Le Viol de Lucrèce von André Obey) keinerlei Distanzvorschläge einfallen zu wollen, was im Umkehrschluss - zumindest dann bei mir - völlig unzeitgemäß herüberkam. Wer sollte heutzutage noch mit derartigen Thesen (Frauen an den Herd, um's überspitzt zu formulieren) irgend etwas anzufangen wissen.
Um die eigentlich ja lieb gemeinte "Vergewaltigung" der Ehefrau des römischen Collatinus durch den Etrusker Tarquinius - Lucretia sitzt die ganze Zeit über nur pausenlos am Webstuhl und ergeht sich in Erwartungs- und Erwartungengesängen für den holden Gatten, der (dienstlich bedingt) dann doch nicht pünktlich genug war, um ihre für ihn aufgesparte Sinnenlust rechtzeitig abzufangen - wurde nachbereitend ein verallgemeinernder und Hoher Sinn der so erfahr'nen Schandtat konfessionell gesucht; zum Schluss gruben die beiden Einzel-Chor-Sänger Christus' Gebeine aus der Friedhofserde und errichteten 'ne Kreuz-Installation (mit römischer Lucretia-Büste statt dem Kopf vom Heiland oder so) - - das Alles optisch ausgemacht zu haben, war schon kläglich-königlich!
*
Das Musikalische kam allerfeinst daher!
Am auffälligsten sicherlich Tarquinius-Einspringer (für den erkrankten Noel Bouley): Duncan Rock!
Ansonsten starke Müdigkeitsattacken während der zwei anstrengenden Religionsstunden.
|
Benjamin Brittens Die Schändung der Lucretia in einer Produktion des Glyndebourne Festivals (Übernahme durch die Deutsche Oper Berlin) - Foto (C) Marcus Lieberenz
|
Andre Sokolowski - 15. November 2014 ID 8248
DIE SCHÄNDUNG DER LUCRETIA (Haus der Berliner Festspiele, 14.11.2014)
Musikalische Leitung: Nicholas Carter
Inszenierung: Fiona Shaw
Bühne: Michael Levine
Kostüme: Deborah Andrews nach Nicky Gillibrand
Licht: Simon Fraulo nach Paul Anderson
Movement Director: Ian Rutherford
Dramaturgie: Angelika Maidowski
Besetzung:
Male Chorus ... Thomas Blondelle
Female Chorus ... Ingela Brimberg
Collatinus, ein römischer General ... Andrew Harris
Junius, ein römischer General ... Seth Carico
Tarquinius, ein etruskischer Prinz ... Duncan Rock
Lucretia, Ehefrau des Collatinus ... Katarina Bradic
Bianca, Lucretias Amme ... Ronnita Miller
Lucia, Lucretias Dienerin ... Elena Tsallagova
Orchester der Deutschen Oper Berlin
Premiere in Glydebourne war am 19. Oktober 2013
Berliner Premiere: 14. November 2014
Weiterer Termin: 16. 11. 2014
Eine Produktion des Glyndebourne Festival
Weitere Infos siehe auch: http://www.deutscheoperberlin.de
Post an Andre Sokolowski
http://www.andre-sokolowski.de
Siehe auch Premierenkritik zu:
The Turn of the Screw
(Staatsoper im Schiller Theater, 15.11.2014)
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
CD / DVD
INTERVIEWS
KONZERTKRITIKEN
LEUTE
NEUE MUSIK
PREMIERENKRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|