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nachDRUCK # 5

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Premierenkritik

Comics für

Bekloppte



Vollblutweib Tosca - Foto (C) Hermann und Clärchen Baus

Bewertung:    



Anja Kampe (Senta im Holländer, Sieglinde in Walküre usw.) und Michael Volle (Holländer im Holländer, Beckmesser in Meistersingern usw.) zählen zu den derzeit interessantesten Sängerdarstellern ihrer Generation. Die intellektuelle Ausstrahlkraft und stimmliche Finesse, womit sie - egal auf welchen Brettern - superspannende Theaterabende gestalten (und bestimmen), sind auch in Berlin seit Längerem durch ihre Auftritte belegt. Jetzt hat sie Daniel Barenboim (der mit der neuen Tosca erstmals je Puccini dirigiert) für seine "Sicht der Dinge" an die Staatsoper geholt; Regie führte der allseits überlobte Lette Alvis Hermanis (Così fan tutte an der KOB z.B.), und die Ausstattung oblag Kristine Jurjane - - ach so: Fabio Sartori (als Cavaradossi) war natürlich auch noch mit dabei...

Der Psycho-Thriller (von den beiden Librettisten Giacosa & Illica), der die Oper musikalisch heizt und treibt, erfährt im Zweierspiel zwischen der Tosca und dem Scarpia seine formvollendete Zentrierung: Weil der Polizeichef mit der Opernsängerin in sexueller Hinsicht nicht auf seine Kosten kommt, lässt er den Opernsängerinnenliebsten (seinen Konkurrenten) foltern und zum Ende hin erschießen. Es gibt freilich auch einen politisch motivierten Hintergrund des Plots, der allerdings den Hörern (diesen vorzugsweise!) wegen jener psychothrillerigen Schwerlast in der Mitte unterbutternswert erscheint - das Alles wird an lediglich zwei Tagen inkl. einer Nacht, und zwar zwischen dem 17. und 18. Juni 1880, komprimiert verhandelt. Hochgeniales Stück!

Bei Kampe/Volle geht jene Zenit-Szene aus Tosca dann wie folgt: Sie beugt sich über seinen Schreibtisch, er lüpft ihre Unterkleider, öffnet seinen Hosenstall, und - noch bevor er überhaupt dazu kommt in sie einzudringen - rammt sie ihm (und wohl gemerkt: in dieser Beugestellung wie sie augenblicklich ist) den Brieföffner in seinen Unterleib. Dann schleppt der Angestochene sich auf die Chaiselongue und wird dort von der Rauschigen sehr enthusiastisch noch und nöcher massakriert; sie gibt auch Laute von sich, die es wahrlich in sich haben = Kampe, Killerweib!!

Es fließt kein Tropfen Blut - - wie sowieso (auch bei den vorgegangenen Folter- und Vorführszenen mit Cavaradossi) nichts dergleichen, nicht mal ansatzweise, optisch auszumachen ist.

Was ist hier los? Eine der glut- und blutvollsten Verismo-Opern, die es gibt, wurde (konzeptionell) schon im Voraus wie eine abgestoch'ne Sau entflüssigt; saft- und kraftlos wird sie uns (= Tosca als abgestoch'ne Sau) im Nachhinein dann vorgeführt frei nach dem Motto 'hier gibts nicht kein Blut dann mehr zu sehen, wenn ihr Blut seh'n wollt, dann denkt euch euern Teil' o.s.ä.

Hermanis/Jurjane haben dann so was wie eine zweite Spiel-Ebene ihrer Inszenierung installiert: Unter der deutschen Übertitelung werden, während der ganzen Oper, Comics (im Cinemascope-Format) gezeigt, welche die ganze Tosca-Handlung kitschig illustrieren... Das ist so was von bekloppt, dass es schon keine Worte mehr für so was gibt!!!

Unter dem Comic-Dauereinfluss führen alle Echt-Figuren (unterhalb der Breitbildwand) ein optisch arg-verkleinertes und fast statistisch anmutendes Dümpel-Dasein; und das retten dann auch weder Kampe/Volle noch der Barenboim mit seiner hochgrandios gespielt habenden Staatskapelle Berlin, die Tosca schon seit beinah 40 Jahren ohne jede nennenswerte Unterbrechungen und Jahr für Jahr also im Repertoire hatte und hat; der alte Riha, der die alte Produktion (die noch bis letzten Sommer lief) szenisch verantwortete, hatte halt dann richtig Ahnung von Regie.

Einhellig: Buhs für diese neue Inszenierung.

Und: Der kürzeste Premieren-Beifall, den ich jemals in Berlin erlebte.




Herrenszene aus Tosca - Foto (C) Hermann und Clärchen Baus

Andre Sokolowski - 4. Oktober 2014
ID 8148
TOSCA (Staatsoper im Schiller Theater, 03.10.2014)
Musikalische Leitung: Daniel Barenboim
Inszenierung: Alvis Hermanis
Mitarbeit Regie: Gudrun Hartmann
Bühnenbild und Kostüme: Kristine Jurjane
Licht: Gleb Filshtinsky
Chor: Martin Wright
Dramaturgie: Jens Schroth
Besetzung:
Floria Tosca ... Anja Kampe
Mario Cavaradossi ... Fabio Sartori
Scarpia ... Michael Volle
sowie Tobias Schabel (Angelotti), Jan Martiník (Mesner), Florian Hoffmann (Spoletta), Maximilian Krummen (Sciarrone), Grigory Shkarupa (Kerkermeister) und Jakob Buschermöhle (Hirt)
Staatsopernchor
Staatskapelle Berlin
Premiere war am 3. Oktober 2014
Weitere Termine: 6., 12., 16., 19., 22. + 25. 10. 2014


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de


Post an Andre Sokolowski

http://www.andre-sokolowski.de




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