Engel des
Todes
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Sumi Hwang als Mimi in La Bohème an der Oper Bonn | (C) Thilo Beu
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Bewertung:
Gleich vorneweg: Die südkoreanische Sopranistin Sumi Hwang interpretiert die todkranke Mimi in Giacomo Puccinis Oper La Bohème an der Bonner Oper famos und mit großer Klasse. Alleine ihre Präsenz verleiht der eher durchwachsenen Inszenierung von Jens-Daniel Herzog starke Momente mit Gänsehaut-Feeling. Mit sanftem Timbre, facettenreicher Nuancierung und sicherer Intonation belebt Hwang die prominente Figur aus Puccinis legendärer Oper von 1896. Die 30-jährige Opernsängerin machte zuvor bereits als Fiordiligi in Mozarts Così fan tutte und als Lena in Marius Felix Langes Vom Mädchen, das nicht schlafen wollte am Bonner Theater von sich reden. Bis zum Ende leidet man mit Hwangs Figur Mimi, schwelgt in ihren wohlausbalancierten Arien und erlebt ihren aussichtslosen Kampf um ihr Leben und ihre Liebe.
Während Mimis Schicksal und Leidensweg berührt, vermag man die übrigen, abgerissen und großmäulig auftretenden Figuren nicht immer so recht einzuordnen. Dortmunds Opernintendant Herzog inszeniert die tragische Geschichte um Mimi und eine Gruppe mittelloser Künstler aus dem Rückblick Rodolfos. Der alte Rodolfo (Volker K. Bauer) begegnet als stummer Beobachter auf der Bühne seinem jüngeren Selbst (Felipe Rojas Velozo) und Erinnerungen an seine Jugend. Als armer Greis bleibt er im Hintergrund stets präsent, ohne die tragische Geschichte beeinflussen zu können. Die Handlung beginnt in einer leergeräumten Halle, wo einige junge Männer erst miteinander frieren, dann ein Feuer entfachen und sich bald süffigen Alkoholexzessen hingeben. Später, als die anderen weitergezogen sind, begegnet der Dichter Rodolfo hier Mimi. Es ist scheinbar Liebe auf den ersten Blick. Beide singen hingebungsvolle Arien, während sie sich bald voreinander entblößen und schließlich miteinander körperliche Zärtlichkeiten austauschen. In späteren Szenen rollt dann ein Imbissladen samt Menschenansammlungen auf die Bühne. Gruppen plündern und prügeln rücksichtslos. Im Zentrum stehen jedoch weiterhin Mimi und Rodolfo als weitgehend unbeteiligtes Liebespaar, das nur Augen füreinander hat. Ein weiteres Paar, das bald umeinander wirbt, tritt mit Musetta (Marie Heeschen) und Marcello (Giorgos Kanaris) klang- und temperamentvoll in Erscheinung.
Herzog, der vor einigen Jahren mit Händels Rinaldo an der Oper Bonn einen kongenialen Coup landete, zeichnet die Charaktere in der Personenregie zu unpräzise, so dass die Handlung an einigen Stellen nicht nachvollziehbar wird. Vielleicht hat es nicht geholfen, dass Herzogs Inszenierung von Patrick Modianos Roman Im Café der verlorenen Jugend (2007) inspiriert ist. Man fragt sich etwa, warum eine Frauengruppe vor dem Nachtclub „La vie douce“, in dem Musetta singt und tanzt, Milch und andere Produkte feilbietet, um dann unverrichteter Dinge lachend weiterzuziehen. Es ist schön, dass Mimis Schicksal immer wieder von anderen ungeklärten Kuriositäten der Vorführung ablenkt. Unter der musikalischen Leitung von Jacques Lacombe glänzt erneut das Beethoven Orchester Bonn mit berückend schwelgerischem, dichtem Spiel. Felipe Rojas Velozo verleiht seinem Rodolfo einen kraftvoll-imposanten Tenor. Er wirkt jedoch darstellerisch ein bisschen zu eindimensional und überzeugt wenig, wenn er mit seinem Verhältnis zu der sterbenden Mimi hadert. Eine gute Figur macht hingegen Giorgos Kanaris als Marcello mit strahlendem Bariton. Schmieg- und einfühlsam ist schließlich auch der Sopran von Marie Heeschens Musetta, die auch als verführerisch-fordernde Kurtisane und Nachtclubtänzerin zu gefallen vermag.
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Sumi Hwang als Mimi, Felipe Rojas Velozo als Rodolfo und Ensemble in La Bohème an der Oper Bonn | (C) Thilo Beu
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Ansgar Skoda - 6. Oktober 2016 (2) ID 9605
LA BOHÈME (Opernhaus Bonn, 02.10.2016)
Musikalische Leitung: Jacques Lacombe
Inszenierung: Jens-Daniel Herzog
Bühne: Mathis Neidhart
Kostüme: Sibylle Gädeke
Dramaturgie: Hans-Peter Frings
Licht: Bernd Winterscheid
Choreinstudierung: Marco Medved
Einstudierung Kinder- und Jugendchor: Ekaterina Klewitz
Besetzung:
Rodolfo … Felipe Rojas Velozo
Schaunard … Ivan Krutikov
Marcello … Giorgos Kanaris
Colline … Daniel Pannermayr
Benoit … Aldo Tiziani
Mimi … Sumi Hwang
Musetta … Marie Heeschen
Parpignol … Soonwook Ka
Alcindoro … Sven Bakin
Sergeant … Egbert Herold
Zöllner … Nicholas Probst
Rodolfo als alter Mann … Volker K. Bauer
Premiere im Bonner Opernhaus war am 25. September 2016.
Weitere Termine: 7., 15. + 21.10./ 11., 20. + 25.11./ 4., 8. + 26.12.2016/ 6.1./ 2., 8. + 17.4.2017
Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de/
Post an Ansgar Skoda
http://www.ansgar-skoda.de
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