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Die Greiferin



Stella an der Neuköllner Oper | Foto (C) Matthias Heyde

Bewertung:    



In der Neuköllner Oper kann man jetzt die Lebensgeschichte von Stella Goldschlag (1922-1994), einer jüdischen Gestapo-Kollaborateurin, "die während des Zweiten Weltkriegs als sogenannte 'Greiferin' untergetauchte Juden (sie wurden 'U-Boote' genannt) in Berlin aufspürte und sie denunzierte" (Quelle: Wikipedia), ausschnitthalber nachvollziehen.

Dass der Mensch im Allgemeinen - und Besonderen - schlicht, einfach und ergreifend weder gut noch böse, sondern (meistens) in der gutbösen/bösguten Mischung nachbegreifbar werden würde, falls man sich dann die genau(er)en Begleitumstände seines Lebens zugemüte führen sollte, wurde hier also - am Beispiel Stella - von dem Komponisten Wolfgang Böhmer und dem Librettisten Peter Lund als "deutsches Singspiel" auspropbiert. Der Stoff ist heikel, seine künstlerische Umsetzung nicht minder.


"Stella ist 20, als Hitler anordnet, Berlin endgültig 'judenrein' zu machen. Stella ist blond und jung und schön, und sie möchte Sängern werden, drüben in Amerika. Oder Filmstar, wie Marlene Dietrich. Aber Familie Goldschlag hat kein Visum bekommen. Statt dem Traum von der großen Karriere bekommt Stella einen gelben Stern. Stella hasst diesen Stern ebenso, wie sie es hasst eine Jüdin zu sein. Und schließlich geht Stella in den Untergrund. Wie 8000 weitere verzweifelte Berliner Juden auch.

Stella ist 35, als sie in der jungen Bundesrepublik vor Gericht steht, wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit. Mehr als 300 untergetauchte Menschen soll sie im Dienste der Gestapo aufgespürt und damit in den sicheren Tod geschickt haben. Die deutsche Öffentlichkeit überschlägt sich in Empörung über diese 'volksverräterische Volljüdin', die ihre eigenen Glaubensgenossen den Nazis ans Messer lieferte. Aber keiner weiß, was damals wirklich geschah. Und Stella schweigt…"


(Quelle: neukoellneroper.de)



Regisseur Martin G. Berger versucht dem zwischen Weill, Comedian Harmonists und Cabaret zerwabernden Musikgebilde stark dokumentarisch auf den inhaltlichen Grund zu gehen - durch die überdurchschnittlich-erklärenden Textreichungen (= Textlastigkeit) wurde dem zu befürchten gewesenen Eindruck eines eindeutigen Fingerzeigs auf die verräterische "Greiferin" klug-ausgewognen vorgebeugt. Soviel wie in dem Stück dann zu erfahren war, stand Stella anfangs, noch bevor sie ihre Leute erstmals denunzierte, unter argem Druck; als sie von der Gestapo 1943 selber aufgegriffen wurde, wusste sie dann der Gefängnisleiter mit dem Leben ihrer Eltern zu erpressen, falls sie sich nicht kooperativ zeigte; so fing es also an...

Das singschauspielernde und tanzende Ensemble (Choreografie: Marie-Christin Zeisset) ist perfekt aufeinander eingeschworen; man merkt den meisten gleich die musicalaffine Herkunft an - allen voran ganz selbstverständlich Frederike Haas (als Stella)!

Sehens- und hörenswert, ohne jede Frage. Auch als Angebote für die Schulen, zur Geschichtsnachhilfe, durchaus tauglich.



Stella an der Neuköllner Oper | Foto (C) Matthias Heyde

Andre Sokolowski - 1. Juli 2016
ID 9411
STELLA (Neuköllner Oper, 29.06.2016)
DAS BLONDE GESPENST VOM KURFÜRSTENDAMM

Musikalische Leitung/Einstudierung: Hans-Peter Kirchberg und Tobias Bartholmeß
Regie: Martin G. Berger
Ausstattung: Sarah-Katharina Karl
Dramaturgie: Carola Cohen-Friedlaender
Choreografie: Marie-Christin Zeisset
Video: Roman Rehor
Besetzung:
Stella Goldschlag ... Frederike Haas
Rolf Isaaksohn u.a. ... Jörn-Felix Alt
Walter Dobberke/Richter u.a. ... Victor Petitjean
Adolf Eichmann/Friedheim Schellenberg u.a. ... Markus Schöttl
Vater Goldschlag u.a. ... David Schroeder
Samson Schönhaus u.a. ... Samuel Schürmann
Yvonne ... Isabella Köpke
Uraufführung war am 26. Juni 2016
Weitere Termine: bis 7. 8. 2016


Weitere Infos siehe auch: http://neukoellneroper.de


http://www.andre-sokolowski.de

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