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Lüpertz'

Faust



Zum Augenblicke sagen: Verweile doch! "Szenen aus Goethes Faust" in der wiedereröffneten Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Hermann und Clärchen Baus

Szenische Bewertung:    



Goethes FAUST geht immer! Das Geheimratsopus hat zwar eine Dimension, die wohl bis heute keiner (weder Goethefan noch Goethesachverständiger) in Gänze also vollends zu begreifen in der Lage ist; das wird einem dann immer spätestens in Der Tragödie zweiter Teil bewusst - aber "er" zählt nun einmal unverzichtbar mit zum Bildungsbürgerkanon, und darum kann/konnte "er" auch ruhig die von 2010-17 grundsanierte Staatsoper Unter den Linden letzten Dienstag (Tag der deutschen Einheit) festaktlich wiedereröffnen.

[Als den eigentlichen Hauptgrund taten die Veranstalter dann allerdings kommunizieren, dass die Bühnentechnik sozusagen noch nicht hundertpro verfüg- bzw. einsetzbar gewesen wäre und daher auch keine Meistersinger theoretisch zur Debatte standen.]

Generalmusikdirektor Daniel Barenboim und Noch-Intendant Jürgen Flimm verständigten sich [für die festaktliche "Notlösung"] auf eine Art von Misch-Event, in dessem Zentrum Robert Schumanns Szenen aus Goethes "Faust" gestanden hatten - unterwürzt mit losen Sprechtheatereinlagen unter Verwendung von acht Schauspielszenen aus dem gleichnamigen Doppelstück, welche von André Jung, Sven-Eric Bechtolf sowie Meike Droste abgeleistet wurden; auch Anna Tomowa-Sintow, diese legendäre Staatsopern-Ikone des Gesanges, hatte sich gedichtaufsagend mit der Zueignung ganz kurz und schmerzlos in dem handverles'nen Kreis der Mimen eingebracht.

Zu gucken gab es jede Menge: Künstler Markus Lüpertz stattete die über 3stündige Chose mit diversen Einzelexponaten von ihm aus; Ursula Kudrna sekundierte der gezeigten Bilderflut mit üppigen Kostümen, die die Biedermeierära zeitlich nahe bringen sollten.

*

Wir besuchten nun die zweite Aufführung, und der Gesamteindruck war (optisch) anstrengend und (musikalisch) aufhorchend, also das Eine wurde von dem Anderen gottlob dann wieder ausgeglichen:

Ganz zuvörderst: Die Akustik nach dem einschneidenden Umbau (Decke angehoben usw.) scheint sensationell geraten; warm und prächtig und nicht allzu nachhallend klingt es aus dem Orchestergraben und aus Richtung Bühne - die in Topform aufwartenden MusikerInnen der Staatskapelle Berlin, die Damen und Herren vom Staatsopernchor, der auf den Punkt präzise einstudierte Kinderchor der Staatsoper und, nicht zuletzt, die singenden ProtagonistInnen; alle und alles im grünen Bereich!

Roman Trekel ist als Faust nicht unoft in Aktion; die Rolle steht ihm gut, ihre Bewältigung kostet ihm sichtlich Kraft, bereitet ihm dann allerdings, rein stimmlich, keinerlei Probleme.

Elsa Dreisig, deren lyrischer und gleichsam kräftiger Sopran beim Hören süchtig macht, betört und überzeugt als Gretchen.

René Pape grollt und donnert seinen Mephistopheles auf fast schon einschüchternde Weise in das Saalrund.

* *

Schumanns Faust-Musik vermag aufs Suggestivste zu umschlingen, und man fühlt, dass Barenboim mit ihr was anzufangen weiß - den Schluss des Werkes oratorisiert er haltlos-kitschig bis zur Schmerzgrenze; obgleich dann nämlich die finale Textzeile vom "Ewig-Weiblichen" dutzende Male immer wieder neu erschallt (und nervt), verkürzt er diese Endlosschleife durch ein scheinbar immer raschereres orchestrales als wie sängerisches Aufgeblasensein, typisch für ihn, ja und wir loben das ganz selbstverständlich, so wie eh und je.

* * *

Entfernt man - rein gedanklich - alles Szenische des hochambitionierten Abends, war es sicherlich ein unvergleichlich-großartiges Wiedereinweihungskonzert.




Szenen aus Goethes Faust an der Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Hermann und Clärchen Baus

Andre Sokolowski - 7. Oktober 2017
ID 10301
ZUM AUGENBLICKE SAGEN: VERWEILE DOCH! "SZENEN AUS GOETHES FAUST" (Staatsoper Unter den Linden, 06.10.2017)
Musik von Robert Schumann
Text aus Johann Wolfgang von Goethes Faust


Musikalische Leitung: Daniel Barenboim
Inszenierung: Jürgen Flimm
Bühnenbild: Markus Lüpertz
Kostüme: Ursula Kudrna
Licht: Olaf Freese
Choreografie: Gail Skrela
Choreinstudierung: Martin Wright
Kinderchoreinstudierung: Vinzenz Weissenburger
Dramaturgie: Detlef Giese

Besetzung:
Faust, Doctor Marianus ... Roman Trekel
Gretchen, Una Poenitentium ... Elsa Dreisig
Mephistopheles, Böser Geist, Pater Profundus ... René Pape
Marthe, Sorge, Mater Gloriosa ... Katharina Kammerloher
Not, Magna Peccatrix ... Evelin Novak
Mangel, Mulier Samaritana ... Adriane Queiroz
Schuld, Maria Aegyptiaca ... Natalia Skrycka
Ariel, Pater Ecstaticus ... Stephan Rügamer
Pater Seraphicus ... Gyula Orendt
Soli: Narine Yeghiyan, Florian Hoffmann und Jan Martiník

Schauspieler:
Faust, Herold ... André Jung
Mephistopheles, Lieschen... Sven-Eric Bechtolf
Gretchen, Astrolog, Engel, Türmer ... Meike Droste
Zueignung ... Anna Tomowa-Sintow

Staatsopernchor
Kinderchor der Staatsoper Unter den Linden
Staatskapelle Berlin

Premiere war am 3. Oktober 2017.
Weitere Termine: 14., 17.12.2017


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de


http://www.andre-sokolowski.de

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