Klassik & Jazz
Tschaikowsky zum Jahreswechsel
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Bewertung:
Tschaikowskys Violinkonzert in D-Dur mit einer der weltbesten Violinvirtuosin unserer Tage - schon vor der Pause bekommen die Gäste von Daniel Barenboims diesjährigem Silvesterkonzert Einiges zu bieten! Lisa Batiashvili im blumig strahlenden Abendkleid spielt auf einer fast 300 Jahre alten Violine. Technisch absolut perfekt pflügt sie durch die Partitur, welche zu Lebzeiten Tschaikowskys aufgrund der hohen spieltechnischen Anforderungen als unspielbar galt. Schicht für Schicht türmt Batiashvili das Hauptthema aufeinander. Das Orchester unter Daniel Barenboim wird von der technischen und emotionalen Wucht dieser Geigerin einfach mitgerissen. Barenboim kann es sich leisten, über längere Passagen lässig am Pult lehnend, einfach nur zu zuhören. Doch gegen Ende des 1. Satzes greift der Maestro dann gestaltend ein, erhöht den Druck und führt das Geschehen zu einem gemeinsamen Tutti. Das klang schon wie ein Abschluss, aber der eigentliche Höhepunkt folgt erst jetzt! Lisa Batiashvili beginnt den Mittelsatz mit einer unbeschreiblichen Virtuosität, wie aus dem nichts kommend gestaltet sie den etwas wehmütigen Beginn, die exzellenten Bläser der Staatskapelle Berlin nehmen das Thema bald behutsam auf. Musik wie hingehaucht, das Publikum im ausverkauften Schillertheater sitzt auf der Stuhlkante. Im letzten Teil des Konzertes wird es dann kontrastreicher, schärfer und tänzerischer, eine sehr gute Überleitung zur Nussknacker-Suite, welche nach der Pause folgt.
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Was bringt man nun nach so einem Auftakt? Tschaikowskys Nussknacker-Suite und das gleichnamige Ballett waren zwischen 1950 und 1970 unheimlich populär in den USA. So dauerte es nicht lang bis sich auch Musiker anderer Genre dafür interessierten. Duke Ellington und sein Kollege Billy Strayhorn kamen 1960 auf die Idee, eine Bigband-Version zu arrangieren - Superidee. Ebenso eine Superidee war es, die beiden Werke (Original und Arrangement) zusammen auf die Bühne zu bringen. Man konnte das Till Brönner Orchestra dafür hinzugewinnen. Nach der Pause sitzen also neben den Damen und Herren der Staatskapelle die Jazzmusiker mit auf der Bühne. Schon für das Auge ein Genuss, die lässigen Jazztypen in ihren weißen Anzügen neben den schwarzbefrackten Kollegen der Hochkultur. Barenboim startet mit viel Humor in dieses Experiment, mit interpretierenden Grimassen treibt er seinen Klangkörper an. Abwechselnd erlebt man nun jeweils die klassische und die Jazzversion. Auf der einen Seite der riesige Klangkörper fixiert auf und geführt vom Maestro - auf der anderen Seite die Jazzcombo ohne Dirigent, geführt vom Geist und dem Spaß an einer der originellsten und witzigsten Jazzadaption eines klassischen Werkes. Das ist ein Hochgenuss für das Publikum! Zum Witz und zu den Kontrasten, welche schon in Tschaikowskys Stück stecken, kommt nun der Kontrast des Jazzarrangements: fiepende Soli, aufkreischende Bläserfanfaren, schwingende Percussion, der schelmische Wah-wah-Sound der gestopften Trompeten und und und. Das Publikum ist begeistert, nicht wenige beginnen zur Musik mit zu wippen, v.a. bei den Passagen, wo Till Brönner solistisch mit seiner Trompete hervortritt. Musikalisch spannend ist dann immer wieder zu hören, wie die beiden Jazzarrangeure die Musik Tschaikowskys adaptiert haben. Ein wirklich gelungenes Konzert [was morgen, am 2. Januar 2017, in der Berliner Philharmonie noch einmal zu erleben sein wird] – unbedingt hingehen!!
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Till Brönner - Foto (C) Andreas Bitesnich / Bildquelle: staatsoper-berlin.de
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Steffen Kühn - 1. Januar 2017 ID 9774
KONZERT ZUM JAHRESWECHSEL (Staatsoper im Schiller Theater, 31.12.2016)
Peter Tschaikowsky: Violinkonzert D-Dur op. 35
- Suite zu Der Nussknacker op. 71a
(im Wechsel gespielt von der Staatskapelle Berlin und dem Till Brönner Orchestra, in der Originalform und in einer Bearbeitung für Jazzorchester von Duke Ellington und Billy Strayhorn)
Lisa Batiashvili, Violine
Till Brönner, Trompete
Staatskapelle Berlin
Till Brönner Orchestra
Dirigent: Daniel Barenboim
Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de
Post an Steffen Kühn
http://www.hofklang.de
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