8. April 2014 - RIAS Kammerchor
L'IMPRECISA MACCHINA DEL TEMPO
von Salvatore Sciarrino
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Irgendwas mit Zeitmaschine
oder so...
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Vor ca. einem Jahr konnte man Vanitas von Salvatore Sciarrino an der WERKSTATT der Staatsoper im Schiller Theater erleben. Da ging es halt - wie schon der Titel implizierte - um Vergänglichkeit. Von der Musik her hatte uns die Sache damals zwar nullhafterseits erreicht; doch immerhin servierte uns Beate Baron, die die Sache inszenierte, eine putzig-kurzweilige Sicht aufs Ganze - meistens ists ja umgekehrt, also dass Regisseure dann Musiktheaterstücke derart stark verhunzen, dass der Wutfaktor in Einem doppelt-stark Impulse kriegt.
Die Staatsoper setzt sich, ganz nebenbei bemerkt, geradezu versessen für die Werke des im Jahre 1947 in Palermo geborenen italienischen Komponisten ein - man kann die dann im Juni (Lohengrin ab 14. 6. | Macbeth ab 21. 6.) hörend/sehend für sich selber testen.
Doch genug geschwätzt vom Gestern - heute waren wir beim RIAS Kammerchor, der justament mit einer Uraufführung Sciarrinos aufzuwarten wusste - L’imprecisa macchina del tempo hieß das Stück, ja und erklärt wurde es uns dann so:
"Nicht umsonst hat er [der Komponist, a.so.] sich vor etlichen Jahren in die beschauliche Dörflichkeit Umbriens zurückgezogen, wo ihn so unendlich viel von dem umgibt, was ihn an der Musik am meisten interessiert: Stimmungen des Lichts, fließende, kaum merkliche Farbverläufe, vor allem aber ein wundersames Kontinuum aus Klang und Stille. In der Tat ist die Stille der vielleicht wichtigste Bezugspunkt seiner Partituren. Von ihr geht alles aus, in ihr hat alles sein Ziel. Wobei Salvatore Sciarrino nicht letztgültig erklären kann, erklären mag, ob die Abwesenheit von Tönen für ihn gleichbedeutend ist mit dem Nichts oder vielmehr das Total allen Klanges meint – so wie weißes Licht aus der Summe aller Spektralfarben entsteht." (Quelle: rias-kammerchor.de)
Recht Unkonkretes also lasen/lesen wir, also - vertrau(t)en wir unseren Ohren...
Und das Stück (dreisätzig, Dauer: ca. eine halbe Stunde) tat uns in der nebulösen Langsamkeit und Stimmung merkwürdig berauschen und sodurch recht gut gefallen! Langsam Gehendes ist meistens und an sich schon stimmungsvoll und schafft gewissermaßen eine positive Grundlaune... Auf jeden Fall gab es da eine Menge des Gehört-Erlebten zu "enträtseln"; permanent war beispielsweise (was zu sehen beispielsweise spannend war) ein Teil der Damen und Herren des ganz und gar vorzüglichst einstudierten und in Folge noch viel mehr vorzüglich hersingenden RIAS Kammerchors mit vorgezognen Stimmgabeln beschäftigt, was schlussendlich darauf hingedeutet haben könnte, dass die Töne, die der Sciarrino vorzutragen vorschrieb, irgendwie "nicht leicht" an dieser oder jener Stelle stimmlich zu veräußern wären. Doch zunächst richtete sich der Aufmerksamkeitspegel mehr zum Münchner Kammerorchesters (Dirigent: Alexander Liebereich), wo irgendwie dann doch - zumindest bis zum dritten Satz - die aufregenderen Passagen dieser Partitur vollzogen worden warn: Flirrende Steppen (Streicher), ferne Loksirenen (Flöte, Klarinette) gaben uns dann eine zwar nicht eindeutige aber sinnstiftende Ein- bzw. Ausführung zur vorgestellten Stoffvorlage ihres Komponisten, der sich halt mit H. G. Wells Science-Fiction-Buch Die Zeitmaschine sowie zusätzlich mit Architektischem Boullées [ein bisschen viel auf einmal, oder??] mittels Noten auseinandersetzte. Ostinati noch und noch. Ja und der Chor erst!! Erst vermeinte man "nur" Sprechgesang zu hören; doch allmählich war man Ohrenzeuge, wie die Stimmen einzeln und im Bund verebbten und entkräftigt leiser wurden oder/und in Halb- und Vierteltönen regelrecht dann abzurutschen in der Lagen waren - so was Tolles kann wohl nur der RIAS Kammerchor; hervorhebbar die zwei Gesangssolisten Mi-Young Kim (Sopran) und Minsub Hong (Tenor), die plötzlich mit zwei hochgrandiosen Solo-Stellen auf den Plan getreten waren... Ja und Bridget MacRae entlockten ihrem Cello Töne, die ich so noch nie zuvor gehört zu haben glaubte!
* * *
Von Schubert wurden uns dann noch dessen Gesang der Geister über den Wassern und die Es-Dur-Messe vorgetragen.
Eine hörerische Wonne, insgesamt und ohne jeden Abstrich!
Bewertung:
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Andre Sokolowski - 8. April 2014 ID 7740
RIAS KAMMERCHOR (Kammermusiksaal Philharmonie Berlin, 08.04.2014)
Franz Schubert: Gesang der Geister über den Wassern D 714
Salvatore Sciarrino: L’imprecisa macchina del tempo (intorno al XIX sec.)
Kompositionsauftrag vom RIAS Kammerchor und dem Münchener Kammerorchester, gefördert durch die Ernst-von-Siemens-Musikstiftung
Franz Schubert: Messe Nr. 6 Es-Dur D 950
Susanne Bernhard, Sopran
Sophie Harmsen, Alt
Christoph und Julian Prégardien, Tenor
Thomas Tatzl, Bassbariton
RIAS Kammerchor
Choreinstudierungen: Michael Gläser und Michael Alber
Münchener Kammerorchester
Dirigent: Alexander Liebreich
Weitere Infos siehe auch: http://www.rias-kammerchor.de
http://www.andre-sokolowski.de
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