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Osterfestspiele Baden-Baden 2019

Der Elefant

im Kühlschrank



Verdis Otello durch Bob Wilson im Festspielhaus Baden-Baden | Foto (C) Lucie Jansch

Bewertung:    



Wer schon mal dem Klavierspieler am Bösendorfer-Flügel im Wiener Café Central gelauscht hat, wird das kennen: Melodienraten! Ein Riesenspaß für die ganze Klassikgemeinde. So etwas müsste es auch in der Theatersparte geben: Man weiß nicht, was kommt und wer es inszeniert hat - und müsste danach einen Tipp abgeben. Ich behaupte jetzt etwas sehr Gemeines: Jede Produktion von Robert Wilson würde ich in dem Moment erkennen, wenn der Lappen hochgeht. Das kann man als ästhetische Handschrift bezeichnen - oder aber als schleichenden Tod des Theaters. Es ist bei dem mittlerweile 78jährigen Texaner immer irgendwie das Gleiche: Ein Konglomerat aus Spots und Schatten, Statik, Symbolik und Stilistik, das aus den Werken mal mehr, mal weniger Funken schlägt. Im Fall von Verdis Otello, den Wilson jetzt für die Osterfestspiele Baden-Baden erarbeitet hat, sind es eher weniger.

Schon beim Betreten des Zuschauerraumes blinzelt uns ein Video-Elefant von der Leinwand zu. Er rutscht noch vor dem ersten Akt zur Seite und verendet: Ein gigantischer Dickhäuter, der fällt, symbolisch für den Löwen von Venedig. Doch die Metapher erfüllt nur den Zweck einer Headline und spielt im nun folgenden Dramma lirico keine Rolle mehr. An dieser Stelle schmeißt Wilson sein routiniertes Fließband an: Über Otello schwebt die besungene kreisrunde Gewitterwolkenscheibe; die unschuldsweiße Desdemona schreitet zwischen schwarz kostümierten Bad Boys ihrem Schicksal entgegen, und um Jago trudeln die Einzelteile des Schlosses hin und her, welches er gewissermaßen zum Einsturz brachte.

Man kann dieser Regie zugutehalten, dass sie der eigenen Fantasie freien Lauf lässt. Gleichwohl serviert Wilson einen Shakespeare on the rocks, der so künstlich-klirrend kalt schmeckt, dass er jedes Gefühl in einem abtötet: Ein Otello aus dem Kühlschrank!

Um Verdi, sprich die Musik, ist es deutlich besser bestellt. Mit Zubin Mehta steht aber auch ein Operndirigent am Pult, der sowohl Masse (Sturmszene, 1. Akt) als auch Klasse (Trinklied, 1. Akt) aus dem Effeff beherrscht. Er lässt sich Zeit, mitunter viel Zeit, um das Tragische der Geschichte herauszukitzeln. Doch Mehta besitzt die Fähigkeit, die breiten Tempi mit Spannung aufzuladen. Am Ende, als Otello den Schlussstrich zieht, scheint die Zeit stehenzubleiben: Ein Weltenabschied von Tristan’schen Ausmaßen, von den Berliner Philharmonikern auf’s Hochemotionalste zelebriert. Toll.

Für die drei Hauptpartien wurden große Namen eingekauft, immerhin gilt es, in derselben Liga wie Salzburg zu spielen. Aber sie halten nur zum Teil, was sie versprechen. Während sich Sonya Yoncheva anfangs die ein oder andere Schärfe gestattet, um nach der Pause eine herbschöne wie liebesblühende Desdemona zu präsentieren, ballert Stuart Skelton aus vollem Tenor-Rohr, mit dem Ergebnis, dass seinem edel timbrierten Otello zunehmend die Höhe wegbröckelt. Und so ergattert sich Vladimir Stoyanov mit seinem kernig-satten, quarzfarbenen Jago die Sängerkrone des Abends.




Verdis Otello durch Bob Wilson im Festspielhaus Baden-Baden | Foto (C) Lucie Jansch

Heiko Schon - 25. April 2019
ID 11368
OTELLO (Festspielhaus Baden-Baden, 19.04.2019)
Musikalische Leitung: Zubin Mehta
Inszenierung, Bühnenbild und Licht: Robert Wilson
Co-Regie: Nicola Panzer
Co-Bühnenbild: Serge von Arx
Kostüme: Jacques Reynaud & Davide Boni
Co-Lichtdesign: Solomon Weisbard
Hair & Make-Up Design: Manuela Halligan
Videodesign: Tomasz Jeziorski
Dramaturgie: Konrad Kuhn
Besetzung:
Otello ... Stuart Skelton
Desdemona ... Sonya Yoncheva
Jago ... Vladimir Stoyanov
Emilia ... Anna Malavasi
Cassio ... Francesco Demuro
Roderigo ... Gregory Bonfatti
Lodovico ... Federico Sacchi
Montano ... Giovanni Furlanetto
Herold ... Mathias Tönges
Kinderchor des Pädagogiums Baden-Baden
(Choreinstudierung: Uwe Serr und Anja Schlenker-Rapke)
Philharmonia Chor Wien
(Choreinstudierung: Walter Zeh)
Berliner Philharmoniker
Premiere bei den Osterfestspielen Baden-Baden: 13. April 2019


Weitere Infos siehe auch: https://www.festspielhaus.de


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