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Konzertkritik

Berauschendes

Begehren



Anna Calvi im Kölner Gloria | Foto © Ansgar Skoda

Bewertung:    



Dunkle Symphonien, dissonante Klänge, eine sehnsuchtsvoll-zarte Stimme. Die Musikrichtung changiert zwischen Rock’n’Roll und Kunstpop. Lasziv-verrucht werden die Songs durch eine überstilisierte Emotionalität getragen, die sich zu rauer und wuchtig explodierender Festigkeit hochschaukeln. Die Londoner Musikerin Anna Calvi entführte vorgestern Abend im Kölner Gloria in melancholische, schwermütig-intensive Sphären.

Die ausverkaufte Show gastierte in Köln anlässlich ihres, am 31. August vergangenen Jahres veröffentlichten dritten Studioalbums Hunter. Die zehn neuen Songs der Singer-Songwriterin handeln vom Jagen, vom Körper, von Begehren, von Genderrollen und einem Verwischen der Geschlechtergrenzen. Die 37jährige imaginiert sich als Mann in expressionistischen Arien, changierend zwischen ausdrucksvollem Wispern und archaischem Schreien. Anregende, feministisch oder auch queer anmutende neue Songs des expressiv-eingängigen Album sind etwa "Don't Beat The Girl Out Of My Boy" oder "As A Man". In der Musikzeitschrift Rolling Stone schaffte es ihr neues Album unter die Top Ten der besten Alben des Jahres 2018.

Die kleine und zierliche Sängerin begleitet sich selbst dynamisch an verschiedenen Gitarren. Dezent im Bühnenhintergrund agiert routiniert eine mehrköpfige Band. Über den melancholischen, schwermütig-intensiven Indie-Rock-Klängen voller kontrastvoll wechselnder Stimmungen schwelgt stets Calvis sich zerdehnender, markanter Gesang. Die intensive Performance ist mit Überraschungen gespickt. Zur Show gehören zahlreiche Lichteffekte. Calvi wälzt sich während spannungsvoller Gitarrensolos auf einen von der Bühne ins Publikum führenden Steg. Atmosphärisch brodelt unterschwellig stets eine Dramatik; Tempo und musikalische Taktung variieren.

Die Popmusikerin Calvi hat einen klassisch-seriösen Hintergrund. Im Alter von sechs Jahren begann die Tochter britisch-italienischer Psychotherapeuten Geige zu spielen; im Alter von acht Jahren spielte sie Gitarre. An der Hochschule studierte sie später Instrumente. Auf dem neuen Album wirkten Mitglieder von Portishead und den Bad Seeds mit.

Highlights der etwa 80minütigen Show sind "I’ll be your man", "Suzanne and I" und "Desire" aus ihrem Debütalbum von 2011. Auch diese geschmeidigen Songs bezeugen, dass Calvi in ihren Lyrics schon früh lesbisches Begehren thematisierte. Die Indiekünstlerin lebt heute bei ihrer Freundin in Frankreich. Kleines Manko des Konzertes war die manchmal etwas verzerrt und übersteuert anmutende Akustik im Gloria. Leider wirkte auch Calvis Auftritt ein wenig zurückgenommen-distanziert. Sie sprach insgesamt nur wenig mit dem Publikum und stellte auch ihre Band nicht vor. Eine Zugabe wurde leider auch nicht geboten. Trotzdem ein atmosphärisch-stimmungsvolles Erlebnis.




Anna Calvi im Kölner Gloria | Foto © Ansgar Skoda

Ansgar Skoda - 24. Januar 2019
ID 11167
Weitere Konzerttermine im Januar von Anna Calvi:
23.1. | Amsterdam (Niederlande), Melkweg
25.1.| Nancy (Frankreich), L’autre Canal
26.1. | Nimes (Frankreich), Paloma
27.1. | Villeneuve-Tolosane (Frankreich), Le Bikini
29.1. | Cenon (Frankreich), Le Rocher de Palmer
30.1. | Paris (Frankreich), Salle Pleyel
31.1. | Reims (Frankreich), La Cartonnerie


Weitere Infos siehe auch: http://annacalvi.com/


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