KIRILL
PETRENKO
Antritt mit LULU-Suite und der Neunten
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Kirill Petrenko auf seiner ersten Jahrespressekonferenz der Berliner Philharmoniker | Foto (C) Stephan Rabold
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Bewertung:
Heute Abend wird die Neunte Beethovens vorm Brandenburger Tor zu hören und zu sehen sein - Kirill Petrenko, der neue Chefdirigent der Berliner Philharmoniker - gibt (kostenfrei für alle, die das live erleben wollen!) seinen "Einstand" unter freiem Himmel; das Event wird live im Internet und auch weltweit über TV und Rundfunk übertragen. Es gilt zweifelsohne nicht bloß als Berliner Großereignis, ohne jede Frage!
Jenem Hype an frischer Luft ging gestern das als offizielles Antrittskonzert des Dirigenten bei "seinem neuen" Orchester kommunizierte Berg-und-Beethoven-Konzert voraus, d.h. dass vor der Neunten noch die Lulu-Suite von Alban Berg auf dem Programm gestanden hatte...
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Dem Vernehmen nach wäre Kirill Petrenko erst durch einen "letzten Telefonanruf" von den Berliner Philharmonikern zur endgültigen Übernahme des womöglich untoppbarsten Dirigentenpostens auf der Welt überzeugt worden, will sagen: Erst nach diesem ominösen Anruf [so wie es auf rbb-Kultur vorgestern noch einmal zu hören war] hätte er sich gottlob erweicht und definitiv zugesagt! Bei dieser weltweit einmaligen Dirigentenwahl (das muss man einfach wissen), wo dann also die Orchestermusiker einzig-allein das Sagen haben, läuft das so ab, dass sie halt den ihrer Meinung nach weltbesten Dirigenten für sich "im Geheimen" vorbestimmen, ohne ihn natürlich - jedenfalls nicht zu dem Zeitpunkt ihrer basisdemokratisch abgehaltenen geheimen Wahl - vorher gefragt zu haben, ob er das auch wirklich will; sie gehen praktisch davon aus, dass der durch sie im Endentscheid bestimmte Favoritensieger hochbeglückter Maßen zusagt und die Wahl letztendlich annimmt... Diesmal lief das allem Anschein nach ein bisschen schwieriger als bei den beiden Malen vorher, als sie Claudio Abbado (1933-2014) oder Simon Rattle für sich auserkorten.
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Kirill Petrenko mit Intendantin Andrea Zietzschmann bei der Vertragsunterzeichnung als zukünftiger Chefdirigent der Berliner Philharmoniker | Foto (C) Kai Bienert
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"1972 im sibirischen Omsk geboren, übersiedelte [Kirill Petrenko] als 18-Jähriger mit seiner Familie nach Vorarlberg in Österreich. Seiner Dirigentenausbildung an der Hochschule für Musik in Wien folgte ab 1997 ein Engagement als Assistent und Kapellmeister an der dortigen Volksoper; anschließend war er von 1999 bis 2002 Generalmusikdirektor am Meininger Theater. Mit seinem Dirigat von Wagners Ring des Nibelungen in der Inszenierung von Christine Mielitz und in der Ausstattung von Alfred Hrdlicka erregte er dort 2001 zum ersten Mal internationales Aufsehen. Von 2002 bis 2007 stand Kirill Petrenko als Generalmusikdirektor an der Spitze der Komischen Oper Berlin. Zudem gastierte er an den Staatsopern von München und Wien, an der Dresdner Semperoper, am Londoner Royal Opera House, an der Metropolitan Opera New York, an der Pariser Opéra Bastille sowie beim Maggio Musicale Florenz und bei den Salzburger Festspielen. Von 2013 bis 2015 leitete er eine Neuproduktion von Richard Wagners Der Ring des Nibelungen bei den Bayreuther Festspielen. Im Herbst 2013 trat Kirill Petrenko sein Amt als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper an, das er bis Ende der Spielzeit 2019/2020 innehaben wird. Auf dem Konzertpodium dirigierte er u.a. die Wiener Philharmoniker, die Staatskapellen Berlin und Dresden, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam, das Cleveland Orchestra, das Chicago Symphony Orchestra, das London Philharmonic Orchestra und das Israel Philharmonic Orchestra. Bei den Berliner Philharmonikern, die ihn im Juni 2015 zum Chefdirigenten wählten, gab Kirill Petrenko sein Debüt im Februar 2006 mit Kompositionen von Bartók und Rachmaninow. Zuletzt dirigierte er das Orchester Anfang März 2019 in Werken von Schönberg und Tschaikowsky."
(Quelle: berliner-philharmoniker.de)
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Kirill Petrenko - hier noch als "designierter" Chefdirigent - bei der Saisoneröffnung der Berliner Philharmoniker 2018/19 | Foto (C) Monika Rittershaus
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Von dramaturgischer Delikatesse zeugt, Beethovens allumspannend-glückverheißende Schiller'sche An die Freude-Ode mit dem Wedekind'schen und von Alban Berg sowohl als Oper wie (zur Vorbereitung seiner Oper) als Orchester- und Sopransuite komponierten Männerfresserinnen-Drama Lulu programmatisch zu verhochzeiten. Ja, Mord & Totschlag (Jack the Ripper) vs. "Alle Menschen werden Brüder" = darauf muss man erst mal kommen; doch egal.
Was auffällt: Dass Petrenko insbesondere die mörderischen Lulu-Schläge noch um einen Deut gewalttätiger also mörderischer und verhässlichender vorführ'n lässt. Und Marlis Petersen (im Juni noch Petrenkos Münchner Salome) lässt mittels ihres kostprobengerechten Lied der Lulu hochverheißungsvoll erahnen, was sie sonst noch alles so aus diesem Mädchen-Frau-Teufel herauszukitzeln in der Lage wäre; allerdings: "Lulu! Mein Engel", wenn sie dann am Schluss der Suite verwandelt in die Gräfin Geschwitz-Rolle übergehen sollte, blieben Petersen/Petrenko uns dann leider schuldig, und das ohne jeden nennenswerten Grund.
Petrenko hätte sich die Tage vor der Auffühung der Neunten Beethovens Originalskript in der Staatsbibliothek in Ruhe angesehen. Allgemein bekannt dürfte ja sein, dass die vom Bonner Maestro festgelegten Tempi für bisher übliche Dargereichtseinsweisen "herkömmlicher" Klangkörper vermeintlich vielzu schnell waren und sind; ja und ich hatte lediglich bei Referenzkonzerten im Bereich der historischen Aufführungspraxis hie und da (Spering, Currentzis) "authentisch" Klingendes vernommen. Dass in diesem wissenden und experimentierfreudigen Zirkel jetzt auch die Berliner Philharmoniker zum Mitmischen bereit sind, ist die faktische Entdeckung dieses großartigen Antrittsabends, wo Petrenko eine nicht bloß (von der Oberflächenwahrnehmung her) durchgehetzte, sondern umso scharfkantiger pigmentierte Neunte Sinfonie zur Disposition zu stellen sich zum Ziel gesetzt hatte.
Atemberaubend!
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Start geglückt! Standing Ovations für Kirill Petrenko nach seinem Antrittskonzert als neuer Chefdirigent der Berliner Philharmoniker am 23. August 2019 | Foto (C) Stephan Rabold
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Andre Sokolowski - 24. August 2019 ID 11637
ANTRITTSKONZERT KIRILL PETRENKO (Berliner Philharmonie, 23.08.2019)
Berg: Symphonische Stücke aus der Oper Lulu für Sopran und Orchester
Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 9 d-Moll op. 125 mit dem Schlusschor über Schillers Ode An die Freude
Marlis Petersen, Sopran
Elisabeth Kulman, Mezzosopran
Benjamin Bruns, Tenor
Kwangchul Youn, Bass
Rundfunkchor Berlin
Choreinstudierung: Gijs Leenaars
Berliner Philharmoniker
Dirigent: Kirill Petrenko
Weitere Infos siehe auch: https://www.berliner-philharmoniker.de
http://www.andre-sokolowski.de
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