Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 5

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Musical

Wiedererstarken

des schwachen

Geschlechts



Kiss me, Kate an der Oper Bonn | Foto © Thilo Beu

Bewertung:    



Brav, demütig und dienstfertig möge sie sein – als liebes Weibchen am Herd gehorsam und sanftmütig keine Widerworte geben. Über Jahrhunderte prägte solcherart misogyne Vorstellung von der Frau die Gesellschaft und einschlägige Werke der Weltliteratur. Shakespeares Komödie Der widerspenstigen Zähmung (1594) dient als Grundlage für Cole Porters Erfolgsmusical Kiss Me, Kate (1948). Im Zentrum der Handlung steht die kratzbürstige und widerspenstige Lilli Vanessi, die dem Los der Katharina in Der widerspenstigen Zähmung folgen und sich – geläutert – gefälligst ihrem Counterpart und einstigem Lebenspartner Fred Graham beziehungsweise Petrucchio fügen soll. Ein gepflegtes Loblied auf die Unterwürfigkeit der Frau aus ihrem Munde formt den End-Clou der Geschichte. Die Rollenbilder in Kiss me, Kate erscheinen alles andere als zeitgemäß. Sie werden in Martin Duncans Inszenierung des Musicals am Bonner Opernhaus leider nur zaghaft ironisch gebrochen. Dafür wird die Theater-im-Theater-Situation recht vergnüglich ausgekostet. Schein und Sein, Realität und Shakespeare-Szene überlagern sich und verschwimmen stetig.

Das Autoren-Ehepaar Samuel und Bella Spewack verlegte 1948 mit ihrer Auftragsproduktion Kiss me, Kate die Shakespeare-Vorlage in die amerikanische Gegenwart: Schauspieler und Produzent Fred Graham inszeniert mit seiner Exfrau Lilli Vanessi das Musical Kiss me, Kate für die Bühne – sie als widerspenstige Katharina, er als Petrucchio. Das Pärchen sieht sich berufsbedingt täglich und kommt auch gedanklich nicht voneinander los, obwohl sie seit genau einem Jahr geschieden sind. Zwischen den beiden stetig streitenden knistert es immer noch gehörig. Nichtdestotrotz widmet sich Fred im Rahmen der Bühnenarbeiten besonders hingebungsvoll der Darstellerin Lois Lane, die Kates fromme Schwester Bianca mimen soll. Lilli, die den Flirt hautnah miterlebt, tritt und ohrfeigt alsbald eifersüchtig ihren Ex während der Vorstellung, bis dieser sie kurzerhand vor den Augen des Ensembles und der Zuschauer züchtigt und versohlt. Da treten auch noch in der Vorführungspause zwei Herren aus der Halbwelt in Freds Garderobe. Sie wollen bei Fred einen gefälschten Schuldschein eintreiben, der auf seinen Namen lautet.

Das wohl populärste Musical Cole Porters wird an der Bonner Oper unter der musikalischen Leitung von Daniel Johannes Mayr auch orchestral exzellent mit Detailreichtum, prachtvollen Kostümen und facettenreichen Szenerien dargeboten. Das eindrucksvolle Bühnenbild sorgt stets für neue Perspektiven, unter anderem auf besonders effektvoll schräg aufeinander zulaufenden Häuserfronten oder auf übertrieben verkitschte Kulissen und Accessoires. Die am Hause bekannten Musical-Größen Bettina Mönch (Evita) und Oliver Arno (Sunset Boulevard) mimen lebendig, temporeich und auch gesanglich souverän die beiden Hauptfiguren. Mönch agiert divenhaft, aufsässig und leidenschaftlich, Arno selbstherrlich, großspurig und sehnsuchtsvoll. Die bekannten Fernsehschauspieler Michael Schanze und Hans-Jürgen Schatz geben mit sichtlichem Genuss die machtvoll einschüchternden Ganoven und singen beschwingt-charmant den Gassenhauer „Schlag nach bei Shakespeare“. Obwohl das dramatische Geschehen auf Deutsch zur Aufführung kommt, werden die meisten übrigen Songs im Original mit deutschen Übertiteln performt. Kara Kemeny schillert in der Rolle der Lois Lane/Bianca –mal naiv unbedarft, mal gewieft luderhaft – mit auch tänzerisch ausdrucksstarken Performances bekannter Nummern wie „Always True to You (In My Fashion)“. Insbesondere auch die höchst dynamische Choreographien von Nick Winston und Ste Clough zu Songs wie „Too Darn Hot“ sorgen mit einem starken Tänzerensemble für prickelnde Spannungsmomente.

Die Koproduktion mit dem Theater Dortmund, wo die Inszenierung in der Spielsaison 2015/16 gezeigt wurde, überzeugt insbesondere durch reichhaltige tänzerische Szenerien und augenzwinkernd funkelnden Witz. Obwohl Käthchens Kuss zu guter Letzt nun doch nichts Unterwürfiges mehr hat, wäre vielleicht eine Umkehrung der Geschlechterrollen mit einem widerspenstigen Fred eine noch charmantere und frechere Lösung gewesen, um dem stückimmanenten Sexismus und seinen antiquierten Geschlechterrollen ein Schnippchen zu schlagen. Hauptdarstellerin Mönch kann natürlich auch anders und spielt übrigens parallel ab 20.10. die Rolle der Lois Lane/Bianca in Kiss me, Kate an der Oper Graz.



Kiss me, Kate an der Oper Bonn | Foto © Thilo Beu

Ansgar Skoda - 26. September 2018
ID 10939
KISS ME, KATE (Oper Bonn, 23.09.2018)
Musikalische Leitung: Daniel Johannes Mayr
Inszenierung: Martin Duncan
Dance Captain: Eveline Gorter
Bühne und Kostüme: Francis O'Connor
Licht: Boris Kahnert
Choreograph: Nick Winston
Choreograph der Übernahme: Ste Clough
Choreinstudierung: Marco Medved
Besetzung:
Fred Graham / Petrucchio … Oliver Arno
Harry Trevor / Baptista Minola … Stefan Viering
Bill Calhoun … Frank Wöhrmann
Lois Lane / Bianca … Kara Kemeny
Ralph, Inspizient … Christian Specht
Lilli Vanessi / Katharina … Bettina Mönch
Hattie, Freds Assistentin … Anjara I. Bartz
Paul, Ankleider … Eric Rentmeister
Erster Ganove … Michael Schanze
Zweiter Ganove … Hans-Jürgen Schatz
Bühnenpförtner … Josef Linnek
Harrison Howell … Daniel Berger
u.v.a.
Chor des Theater Bonn
Beethoven Orchester Bonn
Premiere war am 15. September 2018.
Weitere Termine: 30.09. / 06., 26.10. / 10., 17.11. / 19., 31.12.2018 // 05.01.2019
Koproduktion mit dem Theater Dortmund


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de/


Post an Ansgar Skoda

skoda-webservice.de

Premierenkritiken



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:





MUSIK Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

CD / DVD

INTERVIEWS

KONZERTKRITIKEN

LEUTE

NEUE MUSIK

PREMIERENKRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski



Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal




Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)