Offenbach
reloaded
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Paul Hentze (als Conférencier/ Puppenspieler) in Die Prinzessin von Trapezunt am Theater für Niedersachsen in Hildesheim | Foto (C) Jochen Quast
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Bewertung:
Jawoll!!! Max Hopp packt am Theater für Niedersachsen die Leichte Muse in Gestalt der Prinzessin von Trapezunt bei der Hand und geht mit ihr einen großen Schritt in die richtige Richtung - und damit weg von dieser Fremdscham auslösenden Höhöhö-Betulichkeit, weg von Opas Operettentheater, das in pseudomodernen Produktionen leider immer noch überlebt hat, und auch weg von Anneliese Rothenberger’schem Retro-Schick, wo man nie so recht weiß, ob die alte Tante jetzt an- oder ausgelacht wird. Mithin: Weg vom Klischee. Stattdessen steckt so ziemlich alles in Hopps Inszenierung, was eine gut geölte Offenbachiade ausmacht: Situationskomik, Slapstick, Tempo, Temperament, a bissl Melancholie und eine pralle Portion Dialogwitz. Letztgenannte geht auf die Texteinrichtung des Schauspielers und jetzt auch Theaterregisseurs Hopp zurück, die speziell für diese Produktion erarbeitet wurde. Unüberhörbar ist, dass diese Fassung an der Spree entstand, trägt sie doch deutliche Züge einer, pardon, Berliner Schnauze.
Offenbachs opéra-bouffe spielt im Milieu des Jahrmarktstheaters und handelt von einer Wachsfigur, deren Nase versehentlich abbricht, woraufhin die Tochter des Schaustellers so überzeugend einspringt, dass sich ein Thronfolger in die “Prinzessin von Trapezunt” verliebt. Bis Fürst Kasimir die Liäson seines Sohnes Raphael endlich akzeptiert, vergehen immerhin drei Akte. Obwohl die eigentliche Titelfigur nur zu den ersten Takten auftritt (indem sie vom himmlischen Schnürboden herabschwebt), bildet das Puppenspiel einen Schwerpunkt des Abends. In einem wirklich anrührenden Augenblick schlüpft ein an seinen 200. Geburtstag erinnernder und über die Würde der Menschheit philosophierender Puppen-Jacques vor den Vorhang. Am Ende dieser Szene wird klar, dass nebenbei der Umbau der Bühne vonstatten ging - eine kleine Reminiszenz an Offenbachs Zeit an der Comédie-Française, wo er fünf Jahre lang als Kapellmeister in Frack und weißen Handschuhen den Lärm bei Umbaupausen zu übertönen hatte.
Auch die Pagen Brocoli, Finochini und Riccardo kommen als siamesische Puppendrillinge daher und werfen sich gegenseitig die Bälle zu, obwohl nur ein einziger Mann hinter und in diesen Figuren steckt: der begnadet talentierte Künstler Paul Hentze [s. Foto o.re.]. Jener ist nicht nur Puppenbauer und -spieler, sondern auch Sänger, Bauchredner, Entertainer, Conférencier - und als solcher der personifizierte rote Faden des Geschehens. Ein Publikumsverzauberer.
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Das spielfreudige, dem Bühnenaffen kräftig Zucker gebende Sängerensemble - es hätte Offenbach gefallen, denke ich: Katharina Schutza (Paola), Uwe Tobias Hieronimi (Fürst Kasimir) und Levente György (Cabriolo) hauen treffsicher ihre Gags über die Rampe; Neele Kramer (Regina) und Jan Rekeszus (Tremolini) geben ein herrlich ironisches Liebespärchen ab, und Meike Hartmann (Zanetta) und Julian Rohde (Raphael) taumeln auf lyrisch-verspielte Weise dem Happy-End entgegen.
Musikalisch wurde das Stück von Adam Benzwi einstudiert. Mittlerweile hat dieser das Stöckchen an Sergei Kiselev weitergereicht, der seine Sache sehr gut macht und gemeinsam mit der TfN-Philharmonie einen griffig funkelnden, rasanten Offenbach aufspielt.
Nicht unter den Teppich gekehrt werden soll, dass in puncto Timing noch 'ne Schippe obendrauf kann. Denn auch wenn man das Gefühl hat, Hopp würde in jeder Szene um die Ecke lugen, greifen nicht all seine Einfälle optimal ineinander. Und dennoch: Ein definitiv gelungenes Regiedebüt!
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Die Prinzessin von Trapezunt am Theater für Niedersachsen in Hildesheim | Foto (C) Jochen Quast
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Zum Schluss in eigener Sache: Vor der Vorstellung am 31.5.2019 werde ich um 18:30 Uhr aus meinem Buch Jacques Offenbach - Meister des Vergnügens lesen und eine kleine Einführung in die Prinzessin von Trapezunt geben.
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Heiko Schon - 2. April 2019 ID 11319
DIE PRINZESSIN VON TRAPEZUNT (Großes Haus, 31.03.2019)
Inszenierung: Max Hopp
Dirigent und KLavier: Sergei Kiselev
Bühne und Kostüme: Caroline Rössle Harper
Puppenbau: Paul Hentze
Offenbachpuppe: Erik Raskopf
Dramaturgie: Susanne von Tobien
Besetzung:
Conférencier/Puppenspieler ... Paul Hentze
Fürst Kasimir ... Uwe Tobias Hieronimi
Prinz Raphael ... Julian Rohde
Sparadap ... Dieter Wahlbuhl
Cabriolo ... Levente György
Zanetta ... Meike Hartmann
Regina ... Neele Kramer
Paola ... Katharina Schutza
Tremolini ... Jan-Philipp Rekeszus
TfN-Philharmonie
Premiere am Theater für Niedersachsen in Hildesheim: 3. März 2019
Weitere Termine: 08., 12., 16., 20., 31.05. / 06.06.2019
Weitere Infos siehe auch: https://www.tfn-online.de
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