Verkopft und
vernebelt
DON GIOVANNI auf arte
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Don Giovanni bei den Salzburger Festspielen 2021: Vito Priante (als Leporello) und Davide Luciano (als Giovanni) | © SF / Ruth Walz
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Bewertung:
Mitunter ertappt man als TV-Konsument eine Oper im Fernsehen, bei der man (aus Neugier? aus Faszination? aus Stumpfsinn?) länger bleibt, als man es beim Herauf- oder Herunterzappen mit der Fernbedienung vorher dachte - bis um 2 Uhr morgens lief die zeitversetzte Übertragung der Eröffnungspremiere zu den diesjährigen SALZBURGER FESTSPIELEN, Don Giovanni, und wir hielten tapfer durch...
Hätten wir das dann mal vorher gewusst:
Das Große Festspielhaus schien - ungefakten Kameraeinstellungen zufolge - voll besetzt, sodass wir schlossen, dass dann die Corona-Zahlen in Österreich sprich Salzburg zur absoluten Zufriedenheit der dortigen Behörden sein mussten, denn sonst hätten sie den Saal nicht derart mit (FFP2-maskierten) Menschen "füllen" lassen - ergo hätten wir uns auch um eine Pressekarte mühen können, um dann live vor Ort zu sein; aber wir dachten halt, die Pressekartenkontingente würden (wie in Bayreuth neulich) wegen der etwaigen Unfüllbarkeit des Großen Festspielhauses auf das Minimalste abgeschmolzen bleiben, und so hatten wir es gar nicht erst versucht.
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Romeo Castellucci (Il Primo Omicidio, 2019) hatte inszeniert, und wir "vertrauten" seinen Bilderfluten allerbesten Willens, aber wir verstanden dieses Mal so gut wie nichts. Alles verkopft, vernebelt.
Die charmante arte-Moderatorin, die sich vor und nach der arte-Übertragung, aber auch dazwischen, sachdienlich zu Worte meldete, vermeinte das für diese Produktion so Unbeschreibbare mit der Bemerkung aufzulösen, dass es eigentlich doch darum gehen würde, dass wohl in uns allen irgendwie ein Don Giovanni steckte oder so; totaler Unsinn! Es geht in der größten Oper Mozarts einzig und allein nur darum, dass der Titelheld nicht seinen Schwanz unter Kontrolle halten kann und (positive Quintessenz des Ganzen!) eineindeutig dazu steht. Die freiheitliche Auslebung des maskulinen sexuellen Drangs gerät ihm unter ritterlichster Vollachtung des anderen Geschlechts, kurzum: er war und ist und bleibt ein echter Kavalier. Das sahen dann auch sicherlich - in dieser etwas wirren Inszenierung - die grandios mitspielenden 150 (in Worten: einhundertfünfzig) Salzburgerinnen so, obwohl ihr Regisseur sie zum Finale hin als schwarztuchige Friedhofmasse aufstellte; doch wenigstens legten sie nicht persönlich Hand an unsern schönen Opernliebling, der - wofür dann eigentlich? - von oben aus bestraft wurde; Davide Luciano sang und spielte ihn und musste sich zuletzt ganz ausziehen, um sich gleichsam in so 'nem dickflüssigen Milchbad hin und her zu wälzen; und was das nun wieder sollte?
Richtig schlimm fanden wir, wie der Regisseur den Don Ottavio (Michael Spyres sang die beiden traumhaft schöne Arien derart traumschön, dass man hätte vor ihm niederknien wollen) optisch vorführte, nämlich als völlig überzeichnete Homosexuellen-Karikatur.
Nadezhda Pavlova (als Donna Anna) erwies sich unumstritten, nicht nur sängerisch, als absolute Nummer 1 der Aufführung!
Auch gut und schön: Anna Lucia Richter (als Zerlina).
Die überhetzte und zumeist sehr kantige Stückauffassung von Teodor Currentzis, die man mittlerweile aus zig andern Darreichungen durch ihn kennt, nervte doch irgendwie - obgleich dann seine beiden Formationen musicAeterna Choir & Orchestra, die das alles, was und wie er's haben will, im 1:1-Verfahren hochprofessionellermaßen umsetzen, natürlich nicht zu toppen sind.
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150 Salzburgerinnen in Mozarts Don Giovanni bei den Salzburger Festspielen 2021 | Foto (C) Monika Rittershaus
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Andre Sokolowski - 8. August 2021 ID 13073
DON GIOVANNI (Großes Festspielhaus, 26.07.2021)
Musikalische Leitung: Teodor Currentzis
Regie, Bühne, Kostüme und Licht: Romeo Castellucci
Choreografie: Cindy Van Acker
Dramaturgie: Piersandra Di Matteo
Besetzung:
Don Giovanni ... Davide Luciano
Il Commendatore ... Mika Kares
Donna Anna ... Nadezhda Pavlova
Don Ottavio ... Michael Spyres
Donna Elvira ... Federica Lombardi
Leporello ... Vito Priante
Masetto ... David Steffens
Zerlina ... Anna Lucia Richter
musicAeterna Choir
(Choreinstudierung: Vitaly Polonsky)
musicAeterna Orchestra
Premiere bei den Salzburger Festspielen: 26. Juli 2021
Weitere Termine: 10., 20.08.2021
TV-Übertragung auf arte v. 07.08.2021
Weitere Infos siehe auch: https://www.salzburgerfestspiele.at/
http://www.andre-sokolowski.de
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