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Tinder - Das Musical im Kammertheater Karlsruhe | Foto © Tom Kohler
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Bewertung:
„Why so serious…“ fünf Frauen in dunklen, hautengen Bodyleggins und mit schwarzen Bubikopf-Frisuren trällern kess den Refrain von Alice Mertons jüngst erschienener Single. Sie bewegen sich dazu in einer powervollen Choreographie. Sie alle sind Inkarnationen von Laura Love, einer Muse der Dating-App Tinder (dt.: Zunder). Die vielgenutzte App gibt es wirklich. Mit ihr wirbt der/die Nutzende in 500 Zeichen und mit sechs Fotos um einen Partner des anderen Geschlechts. Dabei bekommt man mögliche Kandidaten in der unmittelbaren Nähe angezeigt. Tinder – Das Musical ist die zehnte Inszenierung von Ingmar Otto, der 2018 u.a. auch die schlüpfrige Uraufführung von Der Stripper auf die Bühne des Kammertheater Karlsruhe brachte. Während sich damals noch die Herren der Schöpfung tänzerisch mit viel Sexappeal verausgabten, dominieren in Tinder – Das Musical die Damen recht prägnant die Bühne.
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Die Plakate für das Musical werben provokant mit Slogans wie „Die Liebe deines Lebens“ und „Lasst uns Liebe machen“. Auch das Programmheft zum Musical wartet mit oberflächlichen Flirtsprüchen auf wie: „Du bist nicht nur der Hammer, sondern der ganze Werkzeugkasten.“ Insgesamt ist das Bühnengeschehen dann aber wahrscheinlich doch ebenso brav wie vermutlich die meisten ersten Live-Treffen zweier enthusiastischer Tinder-Nutzer. Die fünf Laura Loves schwärmen von den Vorzügen und dem Abenteuerflair von Tinder. Sie befragen forsch das peinlich berührte Publikum nach den Erfahrungen bei der Nutzung der Dating-App. Bald kommen sie mit einer im Publikum platzierten „Raffaela“ ins Gespräch und bitten später sogar einen jungen Herrn aus den Zuschauerreihen auf die Bühne. Der recht vielversprechende und unverhoffte Anfang weicht alsbald ein bisschen altbackenen Liebesplänkeleien. Die fünf Darstellerinnen Nina Links, Nele Neugebauer, Casandra Schütt, Daniela Tweesmann und Lena Weiss wechseln flugs die Kostüme. Sie spielen nicht nur Laura Love, sondern verkörpern nacheinander verschiedene liebeshungrig sehnsüchtige Nutzertypen der App. Ihnen zur Seite stehen originelle Pappmaschee-Männerfiguren und bald auch reale, flirtfreudige Männer (Oliver Hoß, Markus Schöttl), die recht konventionelle Klischees bedienen.
Neben Alice Merton werden auch Songs von Tonbandgerät „Mein Herz ist ein Tourist“, der 2018er Grand-Prix-Gewinner „Toy“ von Netta aus Israel und „Bück dich hoch“ von Deichkind bemüht. Wechselnde Tanzchoreographien und Bühnenbilder, stylishe Projektionen, eingängige Live-Musik und solide Gesangsleistungen täuschen nicht über einen recht vorhersehbaren Plot hinweg. Die Charaktere werden kaum tiefer entwickelt. Probleme von Dating-Apps wie der Hang zur Selbstdarstellung, Stalking oder das Schummeln bei Alter, Gewicht oder Beruf werden im kurzweiligen und temporeichen Musical kaum thematisiert. Die Verwicklungen rund um die schönste Sache der Welt bleiben recht harmlos und werden in leicht verdaulichen Häppchen erzählt. Am Ende darf das Publikum über das Glück eines zentralen Paares mit abstimmen. Gemäß der geradezu für Tinder werbenden Behauptungen im Programmheft, dass ein Drittel aller Hochzeiten durch Online-Dating zustande kommen und Paare länger zusammenbleiben, wenn sie sich über Online-Portale kennengelernt haben, findet auch im Musical versöhnlich (fast) jedes Töpfchen sein Deckelchen.
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Tinder - Das Musical im Kammertheater Karlsruhe | Foto © Tom Kohler
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Ansgar Skoda - 20. Mai 2019 ID 11424
TINDER – DAS MUSICAL (Kammertheater Karlsruhe, 15.05.2019)
Text & Inszenierung: Ingmar Otto
Musikalische Leitung: Stephan Ohm
Choreografie: Patrick Nitschke
Ausstattung: Michael Hofer-Lenz
Mit: Oliver Hoß, Nina Links, Nele Neugebauer, Markus Schöttl, Casandra Schütt, Daniela Tweesmann und Lena Weiss sowie der Band mit David Epremian/Nicolas Mischke (Keys), Simon Zimmer (Gitarre), Miriam Raab/Marco Maier (Bass) und Philipp Walker/Nils Drixler (Drums) u.a.
Premiere war am 5. April 2019.
Weitere Termine: bis 29.05.2019
Weitere Infos siehe auch: https://www.kammertheater-karlsruhe.de
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