Sehnsüchtig
geliebte Fremde
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Rusalka an der Oper Köln | Foto © Paul Leclaire
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Bewertung:
Wassernixen gehören seit den Sirenen und Nymphen der Antike und den Melusinen des Mittelalters zu den schillerndsten Fabelwesen. Der böhmische Komponist Antonín Dvořák schuf 1900 die dreiaktige Oper Rusalka, die das bekannte Märchen von der unmöglichen Liebe der schönen Meerjungfrau Rusalka zu einem Menschenprinzen mit illustren Balladen wie dem sog. Lied an den Mond bereichert. Die Kölner Erstaufführung der 1901 in Prag uraufgeführten romantischen Märchenoper unter der Regie von Nadja Loschky bezaubert mit einer detailreichen Inszenierung, geschmackvollem Dekor und zeitlosen Kostümen.
„Rusalka“ bedeutet auf Tschechisch Wassernymphe - und „Jézibaba“ alte Hexe. Auch sonst trägt niemand in der Oper einen Eigennamen. Mal murmelt oder raunt, schließlich braust und tost die sphärische Instrumentierung des links von der Bühne sitzenden Kölner Gürzenich-Orchesters. Diese musikalische Wellenbewegung spiegelt eingangs den Lebensraum des Sees, in dem Rusalka mit ihrem Vater, dem Wassermann, weilt.
Auch der aus schräg nach unten gewölbten Holzpaneelen bestehende Bühnenboden wölbt sich nach oben hin zu einer großen Welle. Das einheitliche, insgesamt eher karge Bühnenbild von Ulrich Lettner im Kölner Übergangsquartier im Staatenhaus, einer Messehalle, trägt zu der stimmungsvollen Atmosphäre bei. Eine schattenhafte Dunkelheit und über den Boden ziehender Nebel prägen das Bühnengeschehen. Alle Darsteller agieren auf schrägen Untergrund, was die zerfallende, aus den Fugen geratene Welt der Titelfigur nachdrücklich betont. In jedem der drei Akte, die nur mit wenigen Requisiten ausgestattet sind, dient ein Doppelbett als zentrales Bühnenelement. Im ersten Akt wird Rusalka hier im Bett von Netzen und Tauen festgehalten, was eine Abhängigkeit vom Wassermann-Vater andeutet, der ebenjenes Bett in der Anfangsszene gemeinsam mit anderen Männern auf die Bühne zieht. Die Hexe Jézibaba befreit sie mit ihren Zauberkünsten aus dem Bett. Im zweiten Akt vergnügen sich im fürstlichen Ehebett unter anderem der Heger mit dem Küchenmädchen und später der Prinz mit der fremden Fürstin. Im dritten und letzten Akt ist der Bühnenboden schließlich aufgebrochen, und es ist nur noch ein kaltes, leeres und klappriges Bettgestell ohne Matratze übrig geblieben.
Rusalka ist anfangs mit seitlich geflochtenen Zöpfen als unschuldig-naives Mädchen gezeichnet. Ihr Vater, der Wassermann, ist wie ein Geistlicher in dunkle Umhänge gehüllt und trägt ein Kreuz um den Hals (Kostüme: Irina Spreckelmeyer). Nicht nur gegenüber ihrem Vater behauptet sich Rusalka, indem sie ihren Wunsch durchsetzt. Es ist auch ein Reifungsprozess, den sie durchmacht und an dessen Ende sie sich die Zöpfe abschneidet und eigene Wege geht. Sie akzeptiert ihre Stummheit unter den Menschen, die ihr von Jézibaba weisgesagt wurde. Rusalka kommt jedoch auf dem Boden der Tatsachen an, als sie mit dem Unverständnis des Prinzen für die fehlende gemeinsame Sprache konfrontiert wird. Seine Liebe für sie kühlt ab, und er wendet sich der sinnlicheren und lauteren fremden Fürstin zu. Wirkungsvoll wird gezeigt, wie sie sich ihre Welt mit dem Liebhaber erträumt, wenn eine Reihe weiterer, von Statisten dargestellten Paare unter dem Bett hervorschlüpfen, um später in verschieden Liebesposen Wiedergänger Rusalkas und ihres Prinzen darzustellen.
Die Ukrainerin Olena Tokar mimt die Titelrolle schauspielerisch ansprechend mit einer leuchtkräftigen, geschmeidigen und berückenden Sopranstimme. Ihr strahlkräftig und fein timbriert vorgetragenes Lied an den Mond, in dem die Sehnsucht Rusalkas nach der Welt der Menschen ausgedrückt wird, wird zu einem facettenreichen Höhepunkt des Opernabends. Der Tenor Dmytro Popov, ebenfalls aus der Ukraine, glänzt an ihrer Seite mit klar fokussiertem, strahlkräftig-expressivem gesanglichen Verve und einer temperamentvollen Darstellung des Prinzen. Auch der Südkoreaner Samuel Youn punktet als Wassermann mit einem mal zart-sonorem und mal machvoll-raumfüllenden Bassbariton. Dalia Schaechter als Jézibaba und Adriana Bastidas-Gamboa als fremde Fürstin stehen ihren opulenten Erscheinungen in weiten Rüschenkostümen auch gesanglich mit effektvoller Dramatik in nichts nach. Ebenso sei Bariton Wolfgang Stefan Schwaiger erwähnt, der seine Nebenrolle des Hegers, der mit Vero Millers Küchenjungen das herrschaftliche Bett oder die Weiten hin zu Rusalkas Welt erkundet, ganz reizvoll spielt und auch stimmlich für klangschöne Momente sorgt. Schlussendlich lässt auch der Chor mit vortrefflichen Auftritten unter der Leitung von Rustam Samedov aufhorchen.
Leider fokussiert die Regie etwas zu sehr den Blickwinkel Rusalkas, die beinahe immerfort auf der Bühne ist. Träume, Wunschprojektionen und Realität verschwimmen im dargestellten Geschehen des Öfteren. Neben berührende Szenen und starke Bilder treten auch holprige Momente. So überzeugt der Liebestod des Prinzen gegen Ende kaum. Stets vermag jedoch die dramatisch-sphärische Musik Dvoráks voller stimmungsvollem Farbenreichtum in das Geschehen zurückzuholen, ohne je die gesanglichen Partien zu überdecken.
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Rusalka an der Oper Köln| Foto © Paul Leclaire
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Ansgar Skoda - 7. April 2019 ID 11335
RUSALKA (Staatenhaus Saal 2, 05.04.2019)
Musikalische Leitung: Christoph Gedschold
Inszenierung: Nadja Loschky
Bühne: Ulrich Leitner
Kostüme: Irina Spreckelmeyer
Licht: Nicol Hungsberg
Chorleitung: Rustam Samedov
Dramaturgie: Yvonne Gebauer und Georg Kehren
Besetzung:
Der Prinz … Dmytro Popov
Die fremde Fürstin … Adriana Bastidas-Gamboa
Rusalka … Olena Tokar
Der Wassermann … Samuel Youn
Jezibaba, die Hexe … Dalia Schaechter
Der Heger … Wolfgang Stefan Schwaiger
Der Küchenjunge … Vero Miller
1. Elfe … Veronika Lee
2. Elfe … Regina Richter
3. Elfe … Judith Thielsen
Ein Jäger … Hoeup Choi
Chor der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln
Premiere an der Oper Köln war am 10. März 2019.
Weiterer Termin: 07.04.2019
Weitere Infos siehe auch: http://www.oper.koeln
Post an Ansgar Skoda
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