Unwillige,
Unbeugsame,
Unwiderstehliche
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Turandot an der Oper Bonn | Foto © Thilo Beu
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Bewertung:
Das Mädchen und der Tod - ein uraltes, schauriges und erotisches Motiv und ein beliebter Topos im Märchen. Selten ist jedoch die Märchenprinzessin selbst eine Femme Fatale, die ihre Verehrer reihenweise ins Verderben stürzt. Das grausame Märchen von Turandot ist eine der weltweit bekanntesten Erzählungen aus den Literaturen des islamischen Orients. Es geht zurück auf alte Überlieferungen aus dem persischen Sprachraum von um 1200 und fand Eingang in die morgenländischen Erzählungen Tausendundeine Nacht.
Die chinesische Prinzessin Turandot gibt ihren Heiratskandidaten drei Rätsel auf. Nur so können sie ihre Hand erwerben. Andernfalls verlieren sie ihren Kopf. Die Rätsel der Prinzessin sind komplex. Sie möchte an ihrer Unabhängigkeit festhalten und unverheiratet bleiben. Blut spritzt. Köpfe fallen durch den Schacht des kaiserlichen Schlosses. In Silviu Purcaretes Inszenierung von Giacomo Puccinis postum erschienener Opernadaptation des Märchens säumen sie die Bühne des Bonner Opernhauses.
Turandot (1926) erzählt mit puccinesken Melodien von tiefer, sehnsuchtsvoller Schwermut, von verhängnisvollem Eroberungsbegehren und vom Stolz und der Verweigerung einer Prinzessin, die ins Verderben lockt. Die Handlung spielt in Peking. Balkone und Erhöhungen machen das dunkle und halbkreisrunde Bühnenbild mehrebig. Sie lassen es so als Palast der Prinzessin und als Arena für Hinrichtungen erscheinen. In der Rolle des Volkes beklagen Chorsänger sanft lamentierend die Grausamkeit der Prinzessin und das traurige Schicksal ihrer Verehrer. Das Volk bittet die Prinzessin einen jungen Prinzen vor dem Beil der Henkerin zu verschonen. Turandot bleibt unerbittlich und hart. Sie singt in einer Arie geflissentlich: „Du alleine bist die Ursache deines Verderbens, da ich dich nicht dazu zwinge, dich um meine Hand zu bewerben.“
Kalaf, Sohn des Tartarenkönigs Timur, wohnt dem Schauspiel bei. Begleitet wird er von seinem Vater und der ihn heimlich liebenden Sklavin Liú. Er verfällt dem Antlitz der schönen Prinzessin. Er möchte sein eigenes Glück bei ihr versuchen. Die Minister Ping, Pang und Pong und der Kaiser Althoum, Vater der Turandot, versuchen ihn umzustimmen. Sie sind des Blutvergießens müde. Kalaf schlägt jedoch den Gong und verlangt nach den Rätseln. Instinktiv findet er wohlüberlegte Lösungen für die drei Rätsel. Das Volk ist begeistert. Doch Turandot bittet ihren Vater, sie nicht an Kalaf auszuliefern. Ihr Vater weigert sich sein Wort zu brechen. Nun gibt Kalaf als Ausweg Turandot ein Rätsel auf: Er sei bereit zu sterben, wenn sie bis zum Sonnenaufgang seinen Namen herausfinde. Das ganze Volk beteiligt sich an der Namenssuche, da Turandot in ihrer Verzweiflung nun allen mit dem Tod droht…
Das opulente, arenahafte Bühnenbild (Ausstattung: Helmut Stürmer), das in allen drei Akten mit unterschiedlichen Lichtakzenten und stets neuen Details erhalten bleibt, ist ein echter Hingucker. Auch die gesanglichen Leistungen des Chores und die Kostüme und Choreographien der Soldatinnen beeindrucken in starken Klangfarben oder Bildern. Die drei Burlesken Ping, Pang und Pong lenken als witzige Figuren von der vordergründigen Grausamkeit des Geschehens ab. Die Auflösungen der Rätsel der Hauptfiguren muten poetisch an. Auch die zuweilen ungewöhnliche Montage von skurriler, gefühlvoller und konventioneller Orchestrierung fordert den Zuhörer auf, eigene Hörgewohnheiten zu erweitern.
Die wohl berührendste Szene ist der Tod Liús unter der Folter. Sie stirbt, ohne den Namen ihres Geliebten zu verraten. Emotional stark verunsichert und vor dem Abgrund stehend verkörpert Yannick-Muriel Noah die Liú mit dramatisch höchst bewegtem Ausdruck. Auch die Russin Zoya Tsererina überzeugt in der Titelrolle mit solider, auch in den Höhen nuancierter Stimmführung. Im gülden schimmernden Kleid vermag sie ebenso als unnahbare, machtvolle und kaltherzige Furie wie als vielbegehrte Prinzessin Akzente zu setzen. George Oniani mimt ihren Widerpart, den todesmutigen und eroberungswilligen Prinzen Kalaf selbstgewiss wie einen sicheren Fels in der Brandung. Mit seiner volltönenden Heldentenorstimme vermag er jedoch bekannten Arien wie „Nessun dorma“ nicht immer die nötigen Gefühlsnuancen abzugewinnen. Nichtsdestotrotz ein höchst stimmungsvolles und eindrückliches Erlebnis.
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Turandot an der Oper Bonn | Foto © Thilo Beu
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Ansgar Skoda - 29. Mai 2018 ID 10726
TURANDOT (Oper Bonn, 27.05.2018)
Musikalische Leitung: Stephan Zilias
Inszenierung: Silviu Purcarete
Ausstattung: Helmut Stürmer
Licht: Max Karbe
Choreinstudierung: Marco Medved
Einstudierung Kinderchor: Ekaterina Klewitz
Besetzung:
Turandot … Zoya Tsererina
Altoum … Johannes Mertes
Timur … Leonard Bernad
Kalaf … George Oniani
Liù … Yannick-Muriel Noah
Ping … Di Yang
Pang … David Fischer
Pong … Christian Georg
Ein Mandarin … Sven Bakin
Die Stimme des Prinzen von Persien … Jeongmyeong Lee
2 Fanciuelle … Christina Kallergis und Martina Kellermann
Chor und Extrachor des Theater Bonn
Kinder- und Jugendchor des Theater Bonn
Statisterie des Theater Bonn
Beethoven Orchester Bonn
Premiere war am 26. September 2010.
Weitere Termine: 02., 16., 22.06.2018
Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de
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